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Überalterung erfordert Produktivitäts-Steigerung

Wird die Schweiz ab 2050 zum Altersheim? Keystone Archive

Weniger Erwerbstätige müssen nach Ansicht des Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank mehr herstellen, um die Bedürfnisse der ganzen Bevölkerung decken zu können.

Angesichts der demografischen Entwicklung in der Schweiz ist laut Jean-Pierre Roth Förderung von Ausbildung, längeres Arbeiten und stärkerer Einbezug der Frauen in die Arbeitswelt angesagt.

Während es derzeit vier Erwerbstätige pro Rentner gebe, seien es 2050 nur noch zwei. Angesichts dieser Entwicklung würden Produktivitätsgewinne zum hauptsächlichen Motor des Wachstums.

Dies sagte der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Jean-Pierre Roth, in einem Vortrag an der Universität Genf im Rahmen einer einwöchigen Konferenz zum Thema «Chancen und Herausforderungen der Überalterung der Gesellschaft».

Dazu brauche es die Förderung von Ausbildung, Forschung und Entwicklung. «Im Hinblick auf die Globalisierung kann die Schweiz im Wettbewerb nicht mithalten und ein genügendes Wachstum erreichen, wenn sie nicht ihre Position bei der Grundlagen- und angewandten Forschung halten kann», erklärte Roth. Die Schweiz müsse ein Hort des Wissens bleiben.

Besondere Anstrengungen seien beim Wissenstransfer zwischen Universitäten und Unternehmen nötig. Dies verlange weiterhin einen finanziellen Effort von Behörden und ein zunehmendes Engagement der Privatwirtschaft.

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Schweizerische Nationalbank

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweizerische Nationalbank (SNB) führt als unabhängige Zentralbank die Geld- und Währungspolitik der Schweiz. Ziel ihrer Politik ist Preisstabilität, die laut ihren Angaben eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand ist. Die SNB stützt ihre geldpolitischen Entscheidungen auf eine mittelfristige Inflationsprognose ab. Der Referenz-Zinssatz ist der Dreimonats-Libor (London Interbank Offered Rate). Die Nationalbank verfügt über…

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Mehr Konkurrenz

Auch die Konkurrenz müsse gefördert werden. Eine gesunde Konkurrenz stimuliere die Produktivität und in der Folge das Wirtschaftswachstum, so Roth weiter. Die Revision des Binnenmarktgesetzes und des Wettbewerbsrechts gingen in diese Richtung.

Die Anerkennung von EU-Normen könnte die Importe ein wenig liberalisieren, was den Konsumenten zugute käme. Roth forderte das Ende des so genannten «Swiss Finish», wo unter dem Deckmantel der öffentlichen Gesundheit oder dem Wunsch, alles besonders gut machen zu wollen, Spezialregelungen für den Schweizer Binnenmarkt eingeführt werden.

«Diese sind oft ein bequemes Mittel, um den Markt aufzuteilen und die Konkurrenz zu begrenzen», sagte Roth. Der SNB-Präsident sprach sich dabei für das «Cassis de Dijon»-Prinzip aus, das bei staatlichen Produktevorschriften eine gegenseitige Anerkennung innerhalb Europas und damit tiefere Preise brächte.

Nicht mehr Arbeitsplätze

Die derzeit gute Wirtschaftslage könne uns aber vergessen lassen, dass noch viel zu tun bleibe. Ein grösserer Konkurrenzdruck stimuliere die Innovation, was die Produktivität und das Wachstum ankurble, sagte Roth: «Das zukünftige Wachstum hängt weitgehend von den heutigen Reformen ab.»

Die Aufgabe sei es aber nicht, die Zahl der Arbeitsplätze zu vervielfachen, sondern die Produktivität zu steigern. Denn die zusätzlichen Arbeiter würden auch einmal Rentner.

Roth forderte längeres Arbeiten. Was ins Gewicht falle, sei weniger das gesetzliche Pensionierungsalter, sondern wann sich die Leute im Schnitt effektiv pensionieren liessen. Hier müsse es Anreize für jene geben, die länger arbeiten wollten.

Frauen stärker einbeziehen

Ebenso müssten die Frauen stärker in die Arbeitswelt einbezogen werden. Dies könnte mit Begleitmassnahmen gefördert werden, die es erlaubten, die Anforderungen von Job und Familie unter einen Hut zu bringen. Roth nannte Kinderkrippen, Blockzeiten an den Schulen und Beaufsichtigung der Kinder nach der Schule.

Die Politiker hätten die Aufgaben weitgehend erkannt, zögerten aber, sie anzupacken, sagte Roth.

swissinfo und Agenturen

Ab dem Jahr 2015 wird die Überalterung in der Schweiz zu einem Mangel an Arbeitskräften führen.

Derzeit wird über eine Erhöhung des Pensionsalters gesprochen. Gleichzeitig ist aber heute die Kategorie der 50-60-Jährigen eher von Arbeitslosigkeit bedroht und neigt zur Frühpensionierung.

Das ordentliche Schlussalter in der beruflichen Vorsorge beträgt heute für den Mann 65 und für die Frau 64 Jahre.

Dies wird sich auf die Finanzen der Pensionskassen und der Alters- und Hinterlassenen-Versicherung (AHV) auswirken.

Um 2050 wird die Schweiz 15% weniger Einwohner unter 20 Jahren und 4% weniger 20-64-Jährige haben.

Die Anzahl der Alten ab 65 Jahren wird ansteigen. Diese Baby-Boom-Generation wird laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik zwischen 60% und 124% zunehmen.

In der Schweiz arbeiten heute 4 Personen für einen AHV-Bezüger. Künftig wird dieses Verhältnis 2:1 sein.

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