Umwelt-Chef fordert grüneren Lebensstil
Die Schweiz hat im Umweltschutz grosse Fortschritte erzielt. Es bleibe aber noch viel zu tun, sagt Philippe Roch im Gespräch mit swissinfo.
Der Direktor des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) tritt Ende September nach 13 Jahren zurück. Nachfolger wird sein Vize Bruno Oberle.
swissinfo: Philippe Roch, haben Sie erreicht, was Sie wollten?
Philippe Roch: In einigen Bereichen der Umweltpolitik haben wir grosse Fortschritte erzielt. Ich denke an unsere sehr fortschrittliche Abfallgesetzgebung, die von den Kantonen und dem Privatsektor gut umgesetzt worden ist.
Heute gibt es in der Schweiz keine Mülldeponien mehr, die nicht nach ökologischen Standards bewirtschaftet werden. Und wir haben viele Recycling-Anlagen für verschiedene Materialien.
Im Bereich Klimaerwärmung haben wir bereits früh sehr wichtige Schritte unternommen, die unseren internationalen Verpflichtungen nachkommen. Wir haben ein CO2-Gesetz, das jetzt umgesetzt wird, und das Parlament wird die Einführung einer Steuer zur Förderung einer Emissionsreduktion diskutieren.
Klar müssen wir noch mehr tun, aber im CO2- und im Energie-Bereich spielt der Umweltfaktor eine sehr wichtige Rolle.
swissinfo: Gibt es auch Misserfolge?
P.R.: Ja, wir sollten viel mehr tun. Die Umweltgesetzgebung ist zwar per se recht fortschrittlich. Aber die Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt wachsen sehr schnell. Und obwohl die Schweiz viel Geld in die Bahn investiert hat, wächst das Verkehrsvolumen weiter.
Dann haben wir das Lärm-Problem. Wir arbeiten daran, die Lärm-Emissionen in der Industrie, bei Fahrzeugen etc. zu senken. Aber was wir hauptsächlich tun, ist Wände und Fenster gegen den Lärm zu bauen, und das ist zu wenig.
Wir sollten unsere Politik wirklich ändern und im Bereich Schadstoff-Emissionen Normen und Standards für Fahrzeuge ausarbeiten. Dazu braucht es einen gesamt-europäischen Konsens. Ich glaube, wir machen zu wenig in diese Richtung.
swissinfo: Ihr Rücktritt erfolgt in einer schwierigen Situation – im BUWAL kommt es zu Sparmassnahmen, welche die künftigen Aktivitäten des Amtes gefährden. Ist das nicht ein Schlag gegen alles, was Sie in den letzten 13 Jahren erarbeitet haben?
P.R.: Ich habe den Eindruck, dass ich als BUWAL-Direktor ziemlich geschätzt wurde, weil die Leute wissen, dass ich mich für die Umwelt engagiert und mich sehr loyal gegenüber den Gesetzen, der Regierung und dem Parlament verhalten habe.
Meine persönlichen Beziehungen zu Parlamentsvertretern waren sehr positiv. Ich betrachte die Sparmassnahmen nicht als eine Verurteilung meiner Arbeit. Es geht hier eher um den Druck, innerhalb der Bundesverwaltung zu sparen.
Natürlich gerät die Umwelt oft in Konflikt mit anderen Interessen. Wenn wir die Natur schützen wollen, dann müssen wir die Bautätigkeit einschränken und Standards einführen.
Ich glaube, dass es sich nur um eine momentane Krise und nicht um einen längerfristigen Angriff auf die Umwelt handelt.
swissinfo: Im Jahr ihres Amtsantritts fand der Umweltgipfel von Rio statt. In den letzten Jahren rutschte die Umwelt in der Agenda wieder nach unten. Ist das nicht entmutigend?
P.R.: Doch, ganz klar. Die Politik orientiert sich nur noch an kurzfristigen Zielen, und ich bedaure sehr, dass die Umwelt nicht mehr Beachtung erhält.
Dabei ist sie die Grundlage unseres Landes, auch des wirtschaftlichen und sozialen Erfolges. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich dies in den kommenden Jahren wieder ändert.
swissinfo: Es wird bereits an einer Nachfolge-Übereinkunft für Kyoto gearbeitet. Was erhoffen Sie sich davon?
P.R.: Wir sollten auf die UNO-Konvention zum Klimawandel von 1992 zurückgreifen, die weiter geht als das Kyoto-Protokoll. Die Konvention verpflichtet uns, die Emissionen auf einem ungefährlichen Niveau zu stabilisieren.
Wenn wir das erreichen wollen, müssen wir aber viel weiter gehen als die im Kyoto-Protokoll vereinbarten Ziele. Die Industrieländer müssen ihre Emissionen um 80% reduzieren. Das bedeutet einen völlig neuen Lebensstil und grossen technologischen Fortschritt.
Nach Kyoto gilt es, die Ziele für die nächsten zehn Jahre zu definieren. Wir müssen uns aber nach neuen Ideen umsehen, denn einige grosse Länder wollen von solchen Zielen nichts wissen.
Wir sollten dabei zwei Wege verfolgen: den technologischen Fortschritt und unseren Lebensstil, wobei das zweite viel schwieriger ist. Ich sehe aber keine Alternative, als dass wir eine neue Verantwortung gegenüber der Umwelt und den nachfolgenden Generationen wahrnehmen.
Die Politik allein kann das nicht schaffen, wir müssen in der Gesellschaft selber aktiv sein, um dies zu ändern.
swissinfo-Interview: Morven McLean
(Übertragung aus dem Englischen: Jean-Michel Berthoud)
Das Schweizer Parlament ratifizierte das Kyoto-Protokoll im Juni 2003.
Darin verpflichtet sich die Schweiz, den CO2-Ausstoss von fossilem Brennstoff bis 2012 auf 10% unter dem Wert von 1990 zu senken.
Zwischen 2008 und 2012 soll der CO2-Ausstoss um 1,8 Mio. Tonnen pro Jahr reduziert werden.
Deshalb wurde Heizöl mit einer Abgabe belegt, und ab 1. Oktober wird auf Benzin und Diesel der so genannte Klimarappen erhoben.
Philippe Roch tritt auf Ende September als Direktor des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft zurück.
Er war seit 1992 im Amt. Nachfolger ist Bruno Oberle, sein bisheriger Stellvertreter.
Roch ist ein überzeugter Umweltschützer: Vor seinem Amtsantritt war er Direktor der Umweltorganisation WWF Schweiz.
Gegenwärtig prüft er ein Angebot der Universität Genf, ein neues Institut für Umwelt und nachhaltige Entwicklung aufzubauen.
Auf internationalem Parkett hat er mehrere Anfragen erhalten, in Beratergremien in Umweltschutz-Fragen Einsitz zu nehmen.
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