Unangemeldete Kontrollen gegen Schwarzarbeit
Schwarzarbeit schädigt Fiskus und Sozialwerke und setzt Arbeiter ungeschützt Berufsrisiken aus. In einigen Kantonen verfolgen Behörden, Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam die Schattenwirtschaft.
swissinfo begleitete einen Zürcher Baustellenkontrolleur bei der Arbeit.
Othmar Frick* stellt seinen Wagen in einiger Distanz zur Baustelle ab. Seine Augen registrieren drei Arbeiter, welche auf dem Dachgeschoss eines Wohnblocks Fassaden-Isolationen anbringen. Ein weiterer Arbeiter steht auf einem Gerüst. Mit einem «Helm noch nicht aufsetzen» von Frick machen wir uns auf den Weg.
Frick entgeht nichts: Da balanciert ein Arbeiter in rund 3 Metern Höhe ungesichert auf einem schmalen Mäuerchen, dort hantieren zwei andere ohne Helm. Vor dem Eingang ins Treppenhaus kreuzen wir einen bärtigen Arbeiter, der einen Kübel hinausträgt.
Oben angekommen, steckt Frick den Kopf rasch in jeden Raum. Er zählt die Arbeiter und prägt sich die Gesichter ein. Beim Bauleiter braucht er seinen Ausweis nicht zu zücken, denn die letzte Kontrolle liegt erst einen Monat zurück. Damals wurde Frick fündig.
Freundlich, aber sehr bestimmt weist Frick den Bauleiter an, alle Arbeiter auf der Terrasse zusammenzutrommeln.
An Unternehmer herankommen
Othmar Frick arbeitet bei der Baustellenkontrolle (BSK). Er besucht im Kanton Zürich unangemeldet Baustellen und überprüft, ob die Handwerker mit gültigen Arbeitsbewilligungen und gemäss den Bedingungen der Gesamtarbeitsverträge (GAV) arbeiten.
Weitere Kontroll-Kriterien sind die Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer, wie Severino Cassani, Vorsitzender des Kommissionsbüros der BSK, sagt. «Wir sind aber keine Statistikjäger, sondern wollen den Fällen von Schwarzarbeit näher auf den Grund gehen, um effizienter dagegen reagieren zu können.»
Die BSK habe es dabei nicht auf die ausführenden Schwarzarbeiter abgesehen. «Vielmehr wollen wir an deren Arbeitgeber herankommen, was aber nur via die Arbeiter möglich ist», so Cassani. Mit einer «Menschenjagd», wie ihnen am Anfang vorgeworfen wurde, habe die Tätigkeit der BSK nichts zu tun.
Klare Worte schaffen Respekt
Auf der Dachterrasse lässt Frick die vier Arbeiter, die aus Bosnien stammen, einen Fragebogen ausfüllen. Darin müssen sie Angaben zu Identität und Beruf, Arbeitgeber, Dauer der Anstellung sowie Arbeitszeiten, Entlöhnung und Spesenentschädigungen machen. Ihre Unterschrift verleiht dem Papier Beweis-Charakter, falls sich Unstimmigkeiten ergeben sollten.
Wer diese Pause bezahle, fragt ein Arbeiter in gebrochenem Deutsch. Damit ist er aber bei Frick an den Falschen geraten. «Wenn die Polizei kommt, dann stehen und warten Sie zwei Stunden!», gibt er zurück. «Ich bin da, um Leute wie Sie zu schützen, damit Sie von Ihrem Arbeitgeber nicht ausgenützt werden», macht er dem Mann klar.
«Ich lasse mich auf keine Diskussionen und Streitereien ein, das bringt nichts», so Fricks Grundsatz. «Man muss ein gutes Verhältnis schaffen, denn auf der Baustelle sind alles Leute, die arbeiten, und die muss man anständig behandeln.» Worte, die nicht von ungefähr kommen, hat doch Frick selber über 40 Jahre als Gipser auf dem Bau gearbeitet.
Insistieren
Das Ausfüllen jedes Bogens dauert nur zwei oder drei Minuten. Danach fordert Frick die Männer auf, sofort wieder an die Arbeit zu gehen. Einen Arbeiter, der vom Nebendach eine Ladung Abfall hinunterwirft, weist er scharf zurecht: «Das ist verboten!»
Frick ist aber noch nicht fertig. «Wo ist der Mann mit dem schwarzen Pullover, den ich unten gesehen habe?», fragt er den Bauleiter. Dieser führt uns ins Magazin im Kellergeschoss, wo wir den Mann tatsächlich antreffen. Auch er muss einen Bogen ausfüllen.
Jetzt ist Fricks Job hier erledigt. Diesmal scheint in Uster auf den ersten Blick alles mit rechten Dingen zuzugehen. Schwarzarbeit ist aber dennoch nicht ausgeschlossen. «Ein Arbeiter kann als arbeitslos oder bei der Invalidenversicherung gemeldet, krankgeschrieben sein oder einen anderen Arbeitgeber haben», so Frick.
Es ist nun Sache der Paritätischen Kommission (Arbeitgeber und Arbeitnehmer), beim Arbeitgeber die in den Fragebogen gemachten Angaben zu prüfen. Liegen Verstösse gegen die GAV-Bestimmungen vor, werden gegen den Unternehmer Sanktionen verhängt.
Spiegel der kriselnden Bauwirtschaft
Die Zunahme der Schwarzarbeit sei eine direkte Folge der schlechten Wirtschaftslage, so Severino Cassani. Dadurch habe in der Bauwirtschaft ein Kampf ums Überleben eingesetzt. «Durch Kurzsichtigkeit und Irregularitäten wird so aber der Futternapf ausgehöhlt.»
Das Hauptproblem sind für den ehemalige Unternehmer Cassani die Sub-Unternehmer. «Grosse und mittlere Schweizer Firmen, welche sich selber keine Irregularitäten leisten, geben die Aufträge an in- und ausländische Sub-Unternehmer oder so genannte Unter-Akkordanten weiter», erklärt er.
«Dabei wissen die Hauptauftragnehmer oft, dass die Sub-Unternehmer gar nicht nach den gesetzlichen Bestimmungen arbeiten können, um überhaupt etwas verdienen zu können», erklärt Cassani. Aufträge würden oft bis zu drei- oder viermal weitergegeben. Aufgrund der Gesetzeslage könnten dann Hauptauftragnehmer nicht mehr belangt werden.
Halt in Wetzikon
Wieder am Steuer seines Wagens, hält Othmar Frick weiter Ausschau. Hat er sich kein konkretes Gebiet vorgenommen, dann fährt er den «Baukränen nach». In Wetzikon ist es eine unfertige Wohnüberbauung direkt an der Strasse, die seine Aufmerksamkeit erweckt. «Diesmal ohne Helm», lautet die Order an den Begleiter.
Frick schreitet das Innere einer Wohnung im Erdgeschoss rasch ab und zählt fünf Gipser, welche den weissen Verputz die Wände hochziehen. Beim Ausfüllen der Personalbogen sind plötzlich nur noch vier anwesend. «Wo ist der rund 50-jährige Mann, der im Raum dort drüben gearbeitet hat?», hakt er bei dessen Kollegen nach.
«Wir kennen ihn nicht, er arbeitet erst seit heute hier», antworten die Gipser aus dem Kosovo unisono. Ein solches «Verschwinden» von Arbeitern ist für den Kontrolleur keine Überraschung. Besonders hier nicht, hat er doch den Arbeitgeber der Männer schon länger im Verdacht, Landsleute schwarz zu beschäftigen.
Für heute lässt es Frick gut sein. «Rennt einer davon, renn ich ihm nicht nach», lautet seine Devise.
«Denken Sie daran, dass Sie allein unterwegs sind, und dass wir Sie und Ihre Arbeit sehr brauchen», zitiert Frick nicht ohne Stolz den Ratschlag, den ihm die Polizei einmal mit auf den Weg gegeben habe.
Die Polizei informiert Frick, wenn er einen Verdacht auf Schwarzarbeit in grossem Stil hat. Wie damals, als schliesslich 18 Beamte einen Bauplatz umstellten. «Der Einsatz hat dann gezeigt, dass mein Verdacht mehr als begründet war, und die Aktion war sehr erfolgreich», sagt er. Solche Einsätze seien in der Schweiz die Ausnahme, nicht aber in Deutschland.
Als Baustellenkontrolleur lerne er immer wieder Neues kennen und müsse sich über politische Entwicklungen wie beispielsweise die Bilateralen oder die EU-Osterweiterung auf dem Laufenden halten.
Daneben gebe es aber «nicht so viel», das ihm an seiner Tätigkeit gefalle, sagt Frick. «Da stehen sehr viele Schicksale dahinter.» Motivation sei aber immer wieder, «Leuten, die illegal beschäftigt und so ausgenützt werden», zu helfen.
«Sehen sie diese Einfamilienhäuser?», fragt er den Begleiter auf der Rückfahrt. «Dort wurde schwarz gearbeitet, dass einem schwindlig wurde.» Der Generalunternehmer habe dann Konkurs gemacht. Und kurz darauf ein neues Unternehmen eröffnet.
Morgen wird Frick wieder unterwegs sein. Sein Weg führt ihn dann vielleicht ins Weinland. Oder ins Zürcher Unterland. Auch dort wird es wieder Arbeiter geben, die plötzlich verschwinden.
swissinfo, Renat Künzi
*Name von der Redaktion geändert
Die Baustellenkontrolle Kanton Zürich (BSK) startete 2001 als private Initiative. Arbeitgeber und Arbeitnehmer waren an der BSK paritätisch beteiligt (Paritätische Kommission).
Seit Oktober 2003 ist die BSK eine so genannte tripartite Kommission, weil sich auch der Kanton Zürich daran beteiligt, und zwar mit 180’000 Franken pro Jahr (Gesamtetat gut 350’000 Franken).
2002 hat die BSK 1019 Baustellen kontrolliert. Auf mehr als einem Viertel (284 Baustellen, 28%) stellten die Kontrolleure Gesetzesverstösse fest (2001: 22%).
Die meisten Beanstandungen betrafen die Arbeitssicherheit, Verdacht auf Schwarzarbeit und Verstösse gegen die GAV-Bestimmungen.
Baustellenkontrollen gibt es ausser im Kanton Zürich vor allem in der Waadt, in Basel-Stadt, Bern und Freiburg.
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