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«Unser Planet ist ein verletzliches Raumschiff»

Nicolas Hayek - ein Mann mit einer Mission. pixsil

Zwei Dekaden, nachdem er die serbelnde Schweizer Uhrenindustrie vor dem Kollaps gerettet hat, erklärt Nicolas Hayek im Gespräch mit swissinfo, weshalb er heute seine Aufmerksamkeit auf die Umwelt richtet.

Der Konzernchef der Swatch-Group hat ein neues Unternehmen für erneuerbare Energien gegründet. Belenos Clean Power soll die Nutzung von Sonnenenergie zur Produktion von Wasserstoff ohne Ausstoss von Treibhausgasen erforschen.

Hayek glaubt, dass eine neue Generation von Autos, die mit Wasserstoff betrieben werden, innerhalb von drei Jahren auf den Markt gelangen kann.

swissinfo: Was hat Ihr Umweltbewusstsein geweckt?

Nicolas Hayek: Ich habe schon vor langer Zeit realisiert, dass ich bloss eine kleine Ameise auf einem sehr kleinen Planeten in einem sehr kleinen Sonnensystem in einem riesigen Universum bin.

Unser Planet Erde ist ein verletzliches Raumschiff. Wir schiessen Löcher in das Raumschiff, treten seine Türen ein und tun alles, es zu zerstören. Als einer der Passagiere an Bord versuche ich zu helfen.

swissinfo: Sind Sie frustriert darüber, dass nicht genug Menschen konkret etwas unternehmen gegen diese Probleme?

N.H.: Jeder will etwas tun, aber nur wenige Leute wissen, wie man Dinge konkret umsetzt. Das Grundlegende in der Natur des Menschen ist, dass wir alle ganz unterschiedliche Leute sind – mit unseren eigenen jeweiligen Stärken.

Wenn Sie mich auffordern würden, bei den nächsten Olympischen Spielen die Goldmedaille im Stabhochsprung zu gewinnen, wäre ich nicht eben erfolgreich.

Aber wenn Sie mir sagen, ich solle etwas Praktisches für die Umwelt in die Tat umsetzen, werde ich wahrscheinlich einen Erfolg vorweisen können. Es gibt nicht allzu viele Leute, die wissen, wie man neue Dinge hervorbringt, aber ich verstehe das als meine Aufgabe.

swissinfo: Helfen Politiker bei der Lösung der Umweltprobleme?

N.H.: Wie kann ein Politiker, der nicht allzu viel Kenntnis der Wissenschaft hat, Probleme wie die Frage umweltfreundlicher Autos lösen? Wenn Sie der Präsident der Schweiz wären, was könnten Sie tun, um dieses Problem zu lösen?

Wenn Sie 200 Mio. Franken in Forschung und Entwicklung stecken möchten, würde das Parlament Nein sagen. Wenn Sie der Hälfte der Schweizer Bevölkerung verbieten möchten, jeden Tag selber Auto zu fahren und sie verpflichten würden, Autos zusammen mit anderen zu nutzen, würden Sie nicht mehr gewählt. Wenn Sie den Ölpreis verdoppeln würden, so würden die Unternehmen der Presse gegenüber erklären, dass die Regierung verrückt geworden ist.

Ich kritisiere Politiker nicht dafür, dass sie in diesem Bereich nichts tun, denn dies ist nicht ihre Aufgabe. Das ist, als ob ich einen sehr guten Maler fragen würde, wieso er mich nach meinem Herzanfall nicht operiert habe. Die Politiker der Schweiz gehören zu den besten der Welt, aber auch sie können diese Probleme nicht lösen.

swissinfo: In welchem Entwicklungsstadium befindet sich denn heute die Technologie für mit Wasserstoff betriebene Autos?

N.H.: Mit den heute zur Verfügung stehenden Systemen kann man einen Motor, der zwischen 50’000 und 70’000 Franken kostet, während etwa 500 Stunden betreiben, bevor man ihn ersetzen muss.

Wenn man pro Tag im Schnitt zweieinhalb Stunden fährt, kommt man auf etwa sieben Monate. Niemand wird in solch kurzen Abständen 70’000 Franken für einen neuen Motor und 30’000 Franken für die Arbeit hinblättern.

Für den Durchbruch dieser Technologie braucht es einen Motor für etwa 18’000 Franken, mit einer Betriebsdauer von mindestens 5000 Stunden.

swissinfo: Was halten Sie heute von Biotreibstoffen?

N.H.: Auf Biotreibstoffe zu setzen war ein Fehler. Als wir damals mit der Entwicklung des Smart begannen, luden wir ein Unternehmen ein, das die Möglichkeiten von Biotriebstoff-Motoren erforschen sollte. Als ich die Garage besuchte, wo wir die Tests durchführten, stiess mir ein angenehmer Geruch in die Nase, es roch einfach nach Pommes-Frites.

Inzwischen ist klar geworden, dass bei der Herstellung von Biotreibstoffen weiterhin CO2 produziert wird. Man löst also dieses Problem in keiner Hinsicht. Der einzige Vorteil von Biotreibstoffen ist, dass man kein teures Erdöl mehr kaufen muss.

Und was man damals, vor einigen Jahren, nicht bedachte, ist, dass heute [wegen der Verknappung von Nahrungsmittel durch die Produktion von Biotreibstoffen] Menschen an Hunger sterben würden.

swissinfo-Interview: Matthew Allen
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Der 1928 im Libanon geborene Nicolas Hayek machte sich seinen Namen in den 1980er-Jahren durch die Rettung der Schweizer Uhrenindustrie vor dem drohenden Kollaps. Er ist der Gründer der Swatch Group und heute noch deren Konzernchef.

Vor 20 Jahren baute Hayek, der auch als Berater der Automobil-Industrie tätig war, das Solarauto «Spirit of Biel».

Zudem entwarf er die Pläne für den Smart, der ursprünglich mit einem Hybridmotor ausgestattet werden sollte. Als diese Idee aufgegeben wurde, zog er sich von dem Projekt zurück, bevor der Wagen auf den Markt kam.

Er ist auch Konzernchef der Hayek Group.

Der Name Belenos Clean Power geht auf den Sonnengott der Kelten zurück. Das Unternehmen wurde im vergangenen Jahr gegründet. Im Verwaltungsrat sitzen unter anderem der Schauspieler George Clooney und der Schweizer Astronaut Claude Nicollier.

Partner von Belenos sind der Freiburger Energiekonzern Groupe E, die Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH) Zürich und Lausanne, das Paul Scherrer Institut und andere weltweit tätige Firmen.

Für die Produktion von schadstoffarmen, mit Wasserstoff betriebenen Autos befasst sich Belenos mit der Entwicklung von leistungsfähigen und günstigen Brennstoffzellen sowie mit der Herstellung von Wasserstoff mit Hilfe von Sonnenenergie, der Entwicklung von leistungsfähigeren Batterien und Solarzellen.

Das Unternehmen plant, seine Forschungsresultate zu patentieren und Lizenzen an die Automobilindustrie zu verkaufen. Hayek geht davon aus, dass sein neues Unternehmen innerhalb von fünf Jahren Profit abwerfen kann.

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