Verbotener US-Genreis auch in der Schweiz aufgetaucht
Die beiden Grossverteiler Migros und Coop haben Reis aus dem Verkauf genommen, der Spuren des in der Schweiz verbotenen US-Gentech-Reises LL 601 enthielt.
Die Entdeckung dieses Reises ist eine Premiere. Sie betrifft einen grossen Teil der europäischen Länder.
Die Migros hat die Verunreinigungen bei Labortests nachgewiesen. Unternehmenssprecherin Monica Glisenti bestätigte am Dienstag eine Meldung der «Tagesschau» von Schweizer Fernsehen SF.
Die gemessene Konzentration betrage 0,01%, die gesetzliche Toleranz für gentechnisch veränderte Organismen 0,9%, sagte sie.
Allerdings ist in der Schweiz kein gentechnisch veränderter Reis zugelassen, somit hat auch der Toleranzwert keine Bedeutung. Laut Glisenti hat der Detailhändler Migros die betroffene Ladung von rund 1500 Tonnen darum sofort gesperrt. Langkornreis aus anderen Ladungen wird dagegen vorläufig weiter verkauft.
Verkaufsstopp bei Coop
Die Kontrollen seien intensiviert worden. Dies sei systematisch erst seit dieser Woche möglich, weil die Tests vorher gar nicht zur Verfügung gestanden hätten. Es kann laut Glisenti darum auch nicht ausgeschlossen werden, dass der verbotene Reis in der Schweiz bereits verkauft worden ist.
Coop, der seinen Reis vom gleichen Lieferanten wie die Migros bezieht, konnte noch keinen Gentech-Reis nachweisen. Trotzdem wird ab sofort kein Langkornreis aus den USA mehr verkauft, wie Coop am Dienstag per Communiqué mitteilte. Zu dem Verkaufsstopp hat sich Coop entschlossen, weil «Verunreinigungen nicht vollständig ausgeschlossen» werden könnten.
Anderer Lieferant
Keine Verkaufsstopps gibt es bisher bei Denner und Aldi Suisse. Denner hat sich nach einer Anfrage von Greenpeace bereits vor einigen Wochen versichert, dass der Reis ihrer Eigenmarke nicht aus dem amerikanischen Raum stammt, wie Sprecherin Eva-Maria Bauder sagte.
Keine restlose Klarheit gebe es bisher bei Reis der Marke «Uncle Ben’s». Denner sehe derzeit jedoch keinen Anlass, etwas aus dem Sortiment zu nehmen.
Auch Aldi Suisse hat laut Sprecher Sven Bradke keinen entsprechenden Reis im Sortiment. Dies im Gegensatz zu Aldi Deutschland, die ihren amerikanischen Reis aus den Regalen geräumt hat.
Gesetzliche Null-Toleranz
Die Grossverteiler in der Schweiz wollen das weitere Vorgehen mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) absprechen. Erwartet würden auch Entscheide aus der EU.
Beim BAG sagte der wissenschaftliche Mitarbeiter Martin Schrott, bei dieser nicht zugelassenen Sorte gebe es keinen Toleranzbereich. Wenn Spuren nach der gültigen Referenzmethode nachgewiesen würden, dürfe der Reis nicht in den Verkauf.
Es gebe aber keine Vorschriften, was mit dem Reis passieren müsse. Grosse Vernichtungsaktionen würden nicht verlangt. Denkbar sei der Re-Export, aber das bleibe den betroffenen Abnehmern überlassen.
Die Behörde setzt vor allem auf die Selbstkontrolle. Den Importeuren empfiehlt das BAG, sich mit einem Zertifikat bestätigen zu lassen, dass ihr Reis gentechfrei ist. Die EU verlangt bereits einen entsprechenden Nachweis.
In EU nachgewiesen
Der Skandal zieht auch in der EU weitere Kreise: In US-Reislieferungen an Frankreich und Schweden sind Spuren der EU-weit nicht zugelassenen Genreis-Sorte gefunden worden, wie die Nachrichtenagentur AFP am Dienstag aus EU-Kommissionskreisen erfuhr. Die Ergebnisse der Tests aus Frankreich und Schweden müssen demnach aber noch durch EU-Analysen bestätigt werden.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte am Montag erklärt, der beim deutschen Discounter Aldi erhältliche Langkornreis der Marke Bon-Ri aus den USA enthalte Spuren von genmanipuliertem Reis.
Kein Gefahrentest
Sehr wahrscheinlich handle es sich dabei um die Sorte LL 601, die in keinem Land für den kommerziellen Anbau und Verkauf zugelassen ist. Er sei nicht abschliessend auf Gefahren für Gesundheit und Umwelt getestet worden sei, erklärte die Organisation.
Europaweit stützen sich die Behörden bei ihren Risikobeurteilungen auf Angaben aus den USA. Dort geht die Lebensmittelbehörde (FDA) aufgrund von Abschätzungen aus anderen Gentech-Pflanzen davon aus, dass von LL 601 keine Gefährdung der Konsumenten ausgeht.
swissinfo und Agenturen
Der gentechnisch veränderte Reis LL601 (Liberty Link Rice601) trägt ein zusätzliches Gen. Daraus geht ein Protein namens PAT hervor.
Dieses kann den Wirkstoff Gluphosinat entgiften, den das Pflanzengift «Liberty Link» von Chemiehersteller Bayer enthält.
Gemäss dem Fabrikant wird dieser Reis weder vermarktet noch angebaut.
Bereits wenige in einem Lastwagen oder einer Kornmühle zurückgebliebene gentechnisch veränderte Körner können als Verunreinigung gemessen werden.
Am 27. November haben mehr als 55% der Stimmbürger und alle Kantone die Volksinitiative «für Nahrungsmittel ohne genetisch veränderte Organismen (GVO)» angenommen, die von den Umweltschützern und Konsumenten lanciert wurde.
Dieser Beschluss bestimmt, dass die Schweizer Landwirtschaft während 5 Jahren keine genmanipulierten Organismen – weder Pflanzen noch Tiere – benutzen darf.
Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) hat ein nationales Forschungsprogramm lanciert, das Nutzen und Risiken der Einführung von genmanipulierten Organismen in die Landwirtschaft und die Nahrungskette untersucht.
Die Gesetzgebung der EU über genetisch veränderte Organismen (GVO) geht auf 1998 zurück. Ein Moratorium hat die Zulassung von neuen GVO-Produkten in Europa blockiert.
Erst im Mai 2004 wurde der Handel mit GVO erlaubt. Vier Monate später wurden verschiedene Maissorten in den gemeinsamen Katalog der landwirtschaftlichen Arten in der EU aufgenommen.
Um auf den Markt zu gelangen, muss ein genetisch veränderter Organismus eine wissenschaftliche Prüfung der möglichen Risiken für Gesundheit oder Umwelt durchlaufen.
Die europäische Regelung sieht auch eine obligatorische Bezeichnung für alle Nahrungsmittel vor, die mehr als 0,9% GVO enthalten.
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