Volatiles erstes Börsenhalbjahr 2004
Nach einem börsenmässig freundlichen Winter sind ab Ende März sowohl die Schweizer als auch die US-Börse wieder abgestürzt - obwohl sich die Konjunktur verbessert hatte.
Seither dümpelt die Börse dahin, geplagt von Zins-, Öl- und Irak-Ängsten. Im US-Präsidentenwahljahr gelten besondere Regeln.
Noch bis Ende des ersten Quartals 2004 hatte sich an der Schweizer Börse der Wachstumstrend des vergangenen Jahrs ungebremst fortgesetzt: Der Swiss Market Index (SMI) stieg von 4700 Punkten im Juli 2003 auf über 5900 Punkte im März 2004.
Bruch seit Mitte März
Ab März verlor er dann brüsk an Terrain: Mit etwas über 5400 Punkten fiel er fast wieder auf das Kursniveau vom Jahreswechsel zurück. Seither geht es bei den Kursverläufen recht volatil zu und her: Der Aufwärtstrend vom Jahresbeginn liess sich bisher nicht fortsetzen (SMI auf 5680 am 25. Juni).
«Aber zumindest hat sich der SMI im ersten Halbjahr 2004 besser entwickelt als der Dow Jones Industrial (DJI), nachdem die Entwicklung 2003 umgekehrt verlaufen war», sagt Lorenz Burkhalter von der Berner Burkhalter Asset Management gegenüber swissinfo.
Seit Mitte März läuft die Börse nicht mehr parallel zur Konjunktur, die sich weiterhin verbessert. Dieser gegensätzliche Verlauf ist nichts Ungewöhnliches. Noch zeigen die Wirtschafts-Indikatoren weiter nach oben, die Börse hingegen tendiert seit April in der Schweiz eher seitwärts. In Europa wird der Wirtschafts-Aufschwung nicht als solid eingestuft.
Zins- und Inflationsängste
Zinsängste, Ölpreise und geopolitische Gefahren sind sicher mit Gründe für die zögernde Börse. Ein Aufschwung ohne viel neue Arbeitsplätze ist den Anlegern in der Regel lieber, denn eine steigende Nachfrage nach Arbeitskräften zieht meist auch höhere Löhne nach sich.
Dies ruft Inflationsängste wach. Doch Globalisierung (Arbeitsplatz-Verlagerung), Wettbewerb und Technologie dürften die Teuerung laut gängiger Börsenmeinung vorerst noch tief halten.
Auf und ab wegen Furcht vor steigenden Zinsen
Umgekehrt zum SMI-Verlauf entwickelten sich die Renditen bei langfristigen Obligationen (Bonds): Im ersten Quartal fielen sie bis auf 2,25% (10-Jahres-Benchmark-Obligationen). Seither wachsen sie in Richtung der 3%-Marke. In der Regel bewegen sich Bond- und Aktienmärkte in entgegengesetzter Richtung.
Während also im zweiten Quartal die Anleihensrenditen stiegen und die Schweizerische Nationalbank Mitte Juni sogar überraschend die Leitzinsen anhob, zeigte der Aktienkursverlauf ein Auf und Ab: Aktionäre fürchten sich vor steigenden Zinsen.
Die Furcht ist vor allem im Dollarbereich begründet: Der Leitzins liegt dort auf dem niedrigsten Niveau seit 1958. Darum wird erwartet, dass Fed-Chef Alan Greenspan am 30. Juni diesbezüglich Signale setzt.
Bei den Wechselkursen hat sich der Euro gegenüber dem Franken von einem Höchst von 1.58 im Winter in Richtung 1.50 Franken entwickelt.
Umgekehrt beim Dollar: Nach seinem Fall 2003 gegenüber dem Franken auf 1.25 zum Jahreswechsel bewegte sich der Dollar im 1. Quartal wieder in Richtung 1.30 Franken. Seither ist er jedoch wieder tiefer gerutscht.
Guter Geschäfts-, schlechter Kursverlauf
Viele der im Frühling publizierten Jahresabschlüsse 2003 der grossen kotierten Unternehmen fielen ausgezeichnet aus. UBS und Credit Suisse Group präsentierten sogar Rekordabschlüsse. Dennoch sackte der Kursverlauf an der Börse ab.
«Die Finanzwerte stiegen im ersten Quartal noch, doch dann gaben sie nach», sagt Burkhalter. «In der Chemie und allgemein in der Industrie war das erste Halbjahr uneinheitlich. Es hat sich nicht viel getan in der Gesamtbranche, aktienmässig ergab sich ein Nullsummenspiel.»
Roche, Adecco, Swiss, Swiss Life, Holcim
Unter den Einzelaktien im Pharmabereich fiel im ersten Halbjahr Roche positiv auf, wegen dem Krebsmedikament einer Tochterfirma, das auch neue Arbeitsplätze in Basel schafft.
Negative Börsen-Schlagzeilen produzierte hingegen der Temporärarbeits-Konzern Adecco. Der Personalvermittler konnte seine Bilanzen nicht zur Zeit veröffentlichen und verlor so viel Goodwill, obschon grobe Fehler ausblieben, wie sich später zeigte.
Auch der Turnaround der Fluggesellschaft Swiss lässt auf sich warten: Der Rücktritt von CEO André Dosé im März, die Frage des Betriebskredits, der überstürzte Optionsverkauf bei der Ölpreisabsicherung, das Auf-Eis-Legen von Kooperationen und die jüngste Gewinnwarnung beeinflussten den Aktienkurs negativ.
Auch Swiss Life, wo eine zusätzliche zweite Kapitalerhöhung anstand, fiel negativ auf.
Demgegenüber entwickelte sich Holcim (Zementproduktion) seit Jahresbeginn fast dreimal so gut wie der SMI. Grund: Zement wird in den Emerging Markets viel gebraucht, Asiens Baumärkte boomen.
US-Wahlfieber: auch Börsenfieber?
2004 ist ein US-Wahljahr – börsenmässig also etwas Besonderes. Seit hundert Jahren pflegt der Dow Jones Industrial Index (DJI) in solchen Jahren statistisch signifikant ab Sommer zu einer Hausse zu starten.
«Wenn die Börse gut läuft, wachsen die Chancen des jeweils amtierenden Präsidenten», erklärt Burkhalter diese Börsenregel. Wirtschaftspolitisch lasse sich das etwas lenken.
Unklare Aussichten für das 2. Halbjahr
Credit Suisse Private Banking (CSPB) gibt sich optimistisch und sieht Mitte Juni den SMI am Jahresende auf einem Niveau von 6000 bis 6200 Punkten. Beat Kunz von der UBS ist skeptischer. Er tippt auf 5900 Punkte.
Dazwischen liegt die Zürcher Kantonalbank mit ihren Schätzungen. Demnach sollten sich die höheren Zinsen nicht auf mögliche Kurserhöhungen auswirken.
swissinfo, Alexander Künzle
Am 30. Juni dürfte Fed-Chef Alan Greenspan nach allgemeiner Einschätzung die Leitzinsen für den US-Dollar etwas erhöhen.
In Vorausnahme dieses Entscheides verhalten sich Anleger in den USA schon seit Jahresbeginn ängstlich.
In der Schweiz nahm die Nationalbank Mitte Juni bereits eine Zinserhöhung vor.
Schweizer Börse (SWX Swiss Exchange) mit sog. Hauptwerten:
1. Swiss Performance Index (SPI) umfasst 227 SWI-Titel aus 13 Branchen.
2. Schweizer Blue Chips: Swiss Market Index (SMI) umfasst 26 Titel.
Nichtkotierte Aktien mit sog. Nebenwerten:
Ausser-Börsen-Index (ABI) umfasst 60 Schweizer Aktien (sog. Nebenwerte)
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