Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Vom Buhmann zum Liebling der Deutschen

Keystone

Der Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann hat allen Grund zu feiern. Just an seinem 60. Geburtstag konnte er einen Rekordüberschuss vermelden, den seine Bank 2007 erzielt hatte.

Lange galt Ackermann in seiner Wahlheimat als Inbegriff eines profitgierigen Managers. Die Gratulationen zum Jubeltag zeigen, wie schnell sich sein Image gewandelt hat.

Die Dramaturgie ist perfekt. Just an seinem 60. Geburtstag präsentiert Josef Ackermann die Jahreszahlen seiner Bank. Der Chef der Deutschen Bank hatte damit am Donnerstag gleich zweimal Grund zum Feiern. Denn die Deutsche Bank legt einmal mehr eine glänzende Bilanz vor.

So stieg der Überschuss unter dem Strich um sieben Prozent auf 6,5 Milliarden Euro. Ihren Aktionären will das Finanzinstitut für das Jahr 2007 eine Dividende von 4,50 Euro ausschütten und damit 12,5 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die deutschen Medien finden denn auch seit Tagen nur lobende Worte für den gebürtigen St.Galler.

Die «Börsenzeitung» widmete Ackermann anlässlich seines Geburtstags eine ganzseitige Lobeshymne, «FAZ online» wünschte an prominenter Stelle «Happy Birthday, Mr. Ackermann», und die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» druckte sogar die persönlichen Glückwünsche einer Reihe prominenter Weggefährten – von Emil Steinberger bis zum Ex-Citigroupchef Sandy Weill.

Erstaunliche Wende

Kennt man Ackermanns Image in Deutschland allerdings genauer, ist man erstaunt über das plötzliche Wohlwollen, das der smarte Banker erfährt. Denn Ackermann, der 1996 nach Frankfurt kam und 2002 die Leitung der Deutschen Bank übernahm, galt bis vor kurzem als einer der kaltblütigsten Vertreter der Managergarde – entsprechend unbeliebt war er in seiner Wahlheimat.

Unvergessen bleibt sein Auftritt im Mannesmann-Prozess im Januar 2004. Ackermann und fünf weiteren Top-Managern wurde vorgeworfen, Mannesmann durch überhöhte Prämienzahlungen geschädigt zu haben.

Am ersten Verhandlungstag reckte der Schweizer siegessicher zwei Finger in die Höhe und machte das «Victory»-Zeichen. Die Geste vor laufenden Kameras ging um die Welt und wurde zum Symbol eines menschenverachtenden Kapitalismus.

Geldbusse in Millionenhöhe

Für die Profitmaximierung, so der Eindruck der Deutschen, schien der Landarztsohn über Leichen zu gehen. Zumindest symbolisch: Anfang 2005 verkündete «Joe» Ackermann einen Rekordgewinn und informierte gleichzeitig über einen Abbau von 6400 Stellen. Über die medialen Prügel, die er dafür bezog, soll er sich gewundert haben.

Negative Schlagzeilen machte der Schweizer auch, als der Mannesmann-Prozess im Herbst 2006 wieder aufgenommen wurde. Auf Antrag seiner Verteidiger stimmte die Staatsanwaltschaft der Einstellung des Prozesses zu. Der Deutsche Bank-Chef soll eine Geldbusse von 3,2 Millionen Euro gezahlt haben.

Singt unter der Dusche «La Traviata»

Nach dem Freispruch begann Ackermann an seinem Image zu arbeiten. Der Vater einer Tochter zeigte sich bei gesellschaftlichen Anlässen, sass in Talkshows und plauderte in Interviews aus seinem Privatleben. So wissen die Deutschen heute, dass der Arztsohn Opern liebt, unter der Dusche Arien aus «La Traviata» singt und kein Freund von Statussymbolen ist.

Ackermanns Ansehen stieg erheblich, als er sich vergangenen September als erster deutscher Banker zur US-Hypothekenkrise äusserte. In der ZDF-Talkshow von Maybrit Illner gestand er ein, auch die Deutsche Bank habe Fehler gemacht und müsse Abschreibungen tätigen. In den Medien wurde seine Offenheit gelobt, die im Gegensatz zum betretenen Schweigen anderer Banker stand.

Angela Merkel gratuliert

Da Ackermann die Finanzkrise früh heraufziehen sah, fuhr die Deutsche Bank eine geschickte Strategie und stand die Krise bislang vergleichsweise glimpflich durch. «Aus Ackermann, dem Stellenkürzer, wurde Ackermann, der Krisen kennt und meistert», heisst es nun.

Ganz ohne Sturmschäden kommt die Deutsche Bank allerdings auch nicht davon, wie die Jahresbilanz zeigt. Im traditionell stärksten Bereich, dem Investmentbanking, muss sie wegen der Krise deutliche Einbussen hinnehmen. Doch unter dem Strich bleibt ein hervorragendes Ergebnis.

Kein Wunder, hat auch das Kanzleramt angekündigt, dass Angela Merkel Ackermann zu seinem Geburtstag anrufen werde. Der Schweizer, so scheint es, hat sich vom Buhmann zum Lieblingskind der Deutschen gemausert.

swissinfo, Paola Carega, Berlin

Josef Ackermann wurde am 7. Februar 1948 in Mels (Kanton St.Gallen) geboren.

Nach der Matura studierte der Arztsohn an der Hochschule St. Gallen HSG Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. 1973 schloss er sein Studium im Fach Bankwirtschaft ab und arbeitete als wissenschaftlicher Assistent an der HSG.

1977 promovierte Ackermann über den Einfluss des Geldes auf das reale Wirtschaftsgeschehen.

Danach begann sein beruflicher Werdegang und Aufstieg bei der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA), deren Vorsitzender er 1993 wurde. In seine Amtszeit fiel die Übernahme der Schweizerischen Volksbank, die wenig später in die Credit Suisse Group aufging.

Nach Meinungsverschiedenheiten mit dem Verwaltungsrat verliess Ackermann 1996 die Credit Suisse und wurde Vorstandsmitglied und später auch Sprecher und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank.

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft