Vom Milchpulver zum Functional Food
Die Erfolgsgeschichte von Nestlé begann vor 140 Jahren in Vevey. Geboren in einem Labor eines Apothekers, ist der Konzern heute ein Global Player.
Nestlé, die Nummer Eins der Nahrungsmittelindustrie beschäftigt 250’000 Personen auf fünf Kontinenten.
Der grösste Nahrungsmittelkonzern der Welt hat 2005 mit 91 Mrd. Franken einen neuen Umsatzrekord erzielt. Dieser Betrag entspricht dem doppelten Budget der schweizerischen Eidgenossenschaft.
Mit diesem Resultat bleibt Nestlé das weltweit bedeutendste Schweizer Unternehmen. Eine fast unglaubliche Erfolgsgeschichte, wenn man bedenkt, dass die Schweiz nicht zu den grossen Landwirtschafts-Produzenten gehört.
Die Erfindung des Milchpulvers
Die Geschichte des Industriegiganten beginnt 1860. In seinem kleinen Laboratorium in Vevey erfand der deutsche Apotheker Henri Nestlé die erste Säuglingsnahrung. Sein «Milchmehl» war eine Mischung aus Milch, Getreide und Mineralsalzen.
Das war eine Revolution, denn Kuhmilch ist ein sehr schwierig konservierbares Nahrungsmittel und war zu dieser Zeit in Europa vor allem in den Städten wenig verbreitet. Zudem war der Mangel an Muttermilch-Ersatzprodukten einer der Hauptgründe für die Kindersterblichkeit.
Einige Jahre später rettete das Milchmehl einem zu früh geborenen Säugling, der die Muttermilch verweigerte, das Leben. Die Neuigkeit verbreitete sich in der ganzen Region und wenige Jahre später eroberte die Kondensmilch zuerst den Schweizer und später den europäischen Markt.
Schokolade und Kaffee
Bereits 1875 verkaufte Henri Nestlé sein florierendes Unternehmen. Doch der Name Nestlé blieb genauso bestehen wie das Logo mit dem Vogel-Nest. (Henri Nestlé hiess ursprünglich Heinrich Nest)
1905 fusionierte Nestlé mit der «Anglo-Swiss Condensed Milk Company» aus Cham und erreichte so eine Grösse, die es dem Unternehmen erlaubte, auf dem amerikanischen Markt Fuss zu fassen.
1929 fusionierte Nestlé mit der Schokoladegruppe «Peter, Cailler, Kohler». Dieser Schritt ist nicht erstaunlich, denn das Nestlé-Milchpulver stand auch am Anfang der Schweizer Schokoladeindustrie Ende des 19. Jahrhunderts.
Doch noch mehr als mit Schokolade wurde das Schweizer Unternehmen mit Kaffee zum Weltkonzern. Nescafé, das sprühgetrocknete, später gefriergetrocknete und lösbare Pulver, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum grössten Erfolg der Firma.
Seither ist der Konzern, der zurzeit mit den Nespresso-Kapseln neue Erfolge feiert, der grösste Kaffeeröster der Welt.
Das angeschlagene Image
Nestlé war lange bevor man überhaupt von Globalisierung sprach ein weltweit tätiges Unternehmen. In den 1970er-Jahren kam es wegen seinen Produktionsmethoden und seinem Geschäftsgebaren in die Kritik.
Das Image der Firma litt vor allem unter einer weltweiten Kampagne gegen die Vermarktung ihres Babymilch-Pulvers in der dritten Welt. Die Kritiker warfen Nestlé vor, das Marketing habe zahlreiche Mütter ermuntert, auf das Stillen zu verzichten, was die Abwehrkräfte ihrer Kinder geschwächt habe.
Doch die Kampagne hinderte den Konzern nicht daran, immer grösser zu werden, sei es durch organisches Wachstum oder durch Akquisitionen so bekannter Firmen wie Vittel, Perrier, San Pellegrino, Maggi oder Buitoni.
Diversifikations-Strategie
Damit hat sich der Konzern zu einem Anbieter in verschiedenen Nahrungsmittel-Bereichen gewandelt und produziert heute Milchprodukte, Schokolade, Mineralwasser und Glacé.
Mit dem Vorwurf konfrontiert, Nestlé verkaufe zu viele Fettmacher – wie Glacé oder Schokolade – setzt das Unternehmen seit zehn Jahren auch auf leichtere Produkte und so genannten Functional Food.
In den vergangenen Jahren hat Nestlé ein jährliches Wachstum von zwischen 3 und 7% ausgewiesen. Im stabilen und hart umkämpften Lebensmittelmarkt-Markt ist das ein bemerkenswertes Resultat.
Nestlé gehört heute umsatzmässig zu den weltweit vierzig grössten Unternehmen. Der Schweizer Konzern, der seit Jahren auf eine Langzeitstrategie setzt, kann also mit Optimismus in die Zukunft blicken. Die demographische und die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern wie China werden die Nachfrage weiter steigern, namentlich auch im Bereich des Wassers, das weltweit immer rarer wird.
swissinfo, Armando Mombelli
Die Firma Nestlé wurde 1866 in Vevey gegründet, um das im Labor des deutschen Apothekers Heinrich Nest (Henri Nestlé) erfundene und produzierte Milchpulver auf den Markt zu bringen.
Heute ist das Schweizer Unternehmen der weltgrösste Nahrungsmittel-Konzern, vor Unilver, Kraft und Danone.
Unter dem Gesichtspunkt der Marktkapitalisierung gehört Nestlé zu den 30 führenden Unternehmen weltweit.
Zum Schweizer Multi gehören unter anderem Cailler, Maggi, Thomy, Perrier, San Pellegrino, Perrier, Vittel, Contrex, Mövenpick (Glacé), Buitoni und Railston Purina.
Kennzahlen 2005:
Umsatz: 91 Mrd. Franken (7,5% mehr als im Vorjahr)
Nettogewinn: 7,9 Mrd. Franken (20,7% mehr als im Vorjahr)
EBITA (Betriebsgewinn vor Zinsen, Ertragssteuern und Abschreibungen): 11,720 Mrd. Franken (plus 8,9%)
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