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Vor Kahlschlag bei der Swiss

Swiss: Wackeliges Fussfassen mit der Hälfte der Belegung? Keystone

Am Dienstagnachmittag gibt die Führung der Fluggesellschaft einen Massnahmenkatalog bekannt. Bei der Airline sollen 3000, bei Zulieferern rund 2000 Stellen gestrichen werden.

Wirtschaftsprofessor Thomas Von Ungern beurteilt gegenüber swissinfo die Zukunftschancen der Swiss.

Die Fluggesellschaft plant im Rahmen ihres neuen Business-Plans den Abbau von rund 3000 Stellen. Weitere 2000 Jobs sollen bei den flugverwandten Betrieben gestrichen werden. Die Mittel- und Langstreckenflotte soll um rund einen Drittel verkleinert werden.

Dies sagte Daniel Vischer von der Gewerkschaft VPOD gegenüber der SF DRS-Nachrichtensendung «10 vor 10», nachdem das Swiss-Management am Montagabend die Personalvertreter und Gewerkschaften über den neuen Business-Plan informiert hatte.

Thomas von Ungern, Professor an der Handelshochschule der Universität Lausanne, präsentierte am Montag in einem Gespräch mit swissinfo seine Vorschläge zur Rettung der Swiss.

Flotte halbieren – Destinationen kippen

Swiss hat gegenwärtig rund 9000 Angestellte unter Vertrag. Gemäss Thomas Von Ungern müsste die Swiss den Mut aufbringen, ihre Flotte um die Hälfte zu kürzen.

Alle Destinationen, die nicht rentieren, sollen fallengelassen werden, lautet Von Ungerns knallharte Remedur. Und bei diesen handle es sich oft um Langstrecken-Ziele.

«Wenn ich sehe, dass Swiss täglich einen Flug nach Peking vorsieht», sagt der Lausanner Uni-Professor, «ist dies klar zuviel. Eine oder zwei Verbindungen pro Woche sollten genügen.»

Falls Swiss ihr Verkehrsnetz nicht um die Hälfte zu kürzen vermag, so Von Ungern, werde sie in den kommenden Jahren direkt auf einen Konkurs zusteuern.

Swiss-Absturz wäre kein Drama

Der Professor geht sogar noch weiter: Würde die Swiss eines Tages vom Himmel verschwinden, büsste die Schweiz kaum Verkehrsverbindungen ein.

Er verweist auf Belgien, das heute verkehrsmässig nicht schlechter bedient sei als vor dem Konkurs der Sabena.

«Im Airline-Transport geht man heute auf jeden Fall von Überkapazitäten aus», so Von Ungern. «Zeigt sich eine Destination als rentabel, so stürzen sich die Airlines auf sie, um sie zu bedienen.»

«Als die Swissair Cointrin teilweise aufgab, fand man in Genf relativ problemlos und schnell andere Gesellschaften, die sie ersetzten. Und dasselbe wird mit Zürich-Kloten passieren.»

Keine weitere Staatshilfe

«Die Regierung hat schon viel zuviel für die Swiss getan», sagt Von Ungern. Für ihn ist klar, dass Swiss, falls sie vom Bund neue Kredite erhielte, diese nicht zurück zahlen könnte. Und dann käme wiederum der Steuerzahler zur Kasse.

Nach dem Swissair-Grounding, so der Lausanner Professor, schien die Regierung nicht gerade mit Klarsicht gesegnet gewesen zu sein. Die damals getroffenen Entscheide waren in grosser Hast oder ohne viel Überlegungen umgesetzt worden. Und die Konsequenzen sind, wie sich voraussehen liess, katastrophal.

Insider-Handel vorbeugen

Die Swiss-Aktie wurde am Montag an der Schweizer Börse vorübergehend aus dem Handel gezogen. Dieser Schritt ist für den Experten weder überraschend noch beunruhigend.

Es müsse verhindert werden, dass Personen, welche wissen, was am Dienstag mitgeteilt wird, von Insider-Geschäften profitieren können, so von Ungern.

Was ihn dagegen beunruhigt, ist die Tatsache, dass die Swiss-Aktie heute praktisch wertlos sei.

Vom Traum zum Albtraum

Seit der Lancierung von Swiss wird der Traum einer eigenen Schweizer Airline für Thomas von Ungern immer mehr zum Albtraum. Nach seiner Meinung wird sich eine grosse schweizerische Fluggesellschaft niemals in eine Allianz eingliedern können.

Die Schweiz habe also nur die Wahl zwischen einer kleinen, unabhängigen Airline oder einer kleinen Fluggesellschaft, die Mitglied einer grossen Allianz ist. «Aber auf jeden Fall muss sie klein sein», sagt Thomas von Ungern.

swissinfo, Marc-André Miserez
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander P. Kuenzle)

1. Quartal 2003: 200 Mio. Fr. Reinverlust

Die Swiss fliegt täglich 3 Mio. Fr. Verlust ein

Seit Ende 2002: Abnahme der Liquidität um 343 Mio. Fr.

Per Ende März 2003: Flüssige Mittel und kurzfristige Geldanlagen in der Höhe von 913 Mio. Fr.

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