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Wachsender Unmut bei Schweizer Konsumenten

Medikamentenpreise: Dauerbrenner auf dem Tisch des Monsieur Prix. Keystone

Schweizer Konsumenten begehren immer mehr auf: 2005 ging beim Preisüberwacher eine absolute Rekordzahl von Beschwerden ein.

Die 1395 Reklamationen bedeuten gegenüber 2004 eine Zunahme um 50%, gegenüber 2003 gar eine solche von 100%.

Die Konsumentinnen und Konsumenten der Hochpreis-Insel Schweiz werden immer preisbewusster. Zumindest, wenn man die Zahl der Beschwerden betrachtet, die im vergangenen Jahr beim Schweizer Preisüberwacher eingegangen sind.

2005 gingen bei der Preisüberwachung 1395 schriftliche Publikumsmeldungen ein, so viele wie noch nie zuvor und fast doppelt so viele wie 2004, wie «Monsieur Prix» Rudolf Strahm am Freitag bei der Präsentation seines Jahresberichts sagte.

Dauerbrenner sind die Preise für Medikamente, Bücher, Kabelfernsehen, Telekommunikation, Energieversorgung und für den öffentlichen Verkehr. Die Beschwerden aus dem Publikum seien ein Fiebermesser für das gestiegene Preisbewusstsein von Privaten und Unternehmen, sieht es Strahm.

Jede Beschwerde werde von der «Klagemauer des helvetischen Geldbeutels», wie die Neue Zürcher Zeitung die Preisüberwachungs-Stelle bezeichnet hat, einzeln bearbeitet und individuell beantwortet, so Strahm weiter. Ebenso wichtig sei es aber, gegen die preistreibenden Importbehinderungen anzugehen.

Für Parallelimporte

Am stärksten beschäftigten die Preisüberwachungsstelle derzeit Klagen über überhöhte Elektrizitätstarife, beispielsweise von Biel, Thun, Interlaken oder Zug. Regionale Monopolisten und Hochspannungs-Zulieferer scheuten keine Mühe, die Preisüberwachung bei ihrer Untersuchung zu behindern.

Bei den Medikamentenpreisen habe der letztjährige Alarm der Preisüberwachung etwas erreicht. Entwarnung könne er aber noch nicht geben. Die erleichterte Zulassung von Parallelimporten billigerer Medikamente aus dem Ausland müsse nun vorangetrieben werden.

Überregulierung

Die Preisüberwachung werde sich im laufenden Jahr vor allem mit den Preissprüngen bei neuen Medikamenten ohne bewiesenen therapeutischen Mehrwert befassen. Überprüft würden auch die Gebühren für die Medikamentenzulassung der Kontrollbehörde Swissmedic. Prüfaufwand und Kosten entwickelten sich in einer Spirale nach oben.

Die 20 Verordnungen zur Heilmittelgesetzgebung umfassten jetzt 1,5 Kilogramm Ausführungsbestimmungen mit 300 Seiten Verordnungstexten, 600 Verordnungsartikeln und 30 Anhängen, illustrierte Strahm. Das sei eine Regulierungsdichte, die marktzutrittsbehindernd, marktabschottend und preistreibend wirke.

Geschenk ans Ausland

Der Marktauftritt der deutschen Discounter Aldi und Lidl und seine Folgen für die Detailhandelspreise in der Schweiz sei statistisch noch nicht nachweisbar, fuhr er fort. Doch die neue Konkurrenz für die Grossverteiler Migros, Coop und Denner habe «heilsame und disziplinierende» Effekte gezeitigt.

Über alle Einzelfälle hinweg wird sich Strahm weiter mit der Überteuerung der Warenimporte gegenüber dem Ausland um durchschnittlich 20 bis 30% beschäftigen. Das mache eine Kostenerhöhung von 25 bis 30 Mrd. Franken pro Jahr aus. Das komme einem «Geschenk ans Ausland» gleich.

swissinfo und Agenturen

Die Schweiz ist das einzige Land Europas, das seit 1985 einen Preisüberwacher hat. Er geht auf eine Volksinitiative zurück, die 1982 angenommen worden war.

Er überwacht die Preise von Gütern und Dienstleistungen, die von Kartellen oder durch Absprachen gemacht wurden.

Gemäss Gesetz sind Preise dann missbräuchlich, wenn sie nicht durch den Markt bestimmt worden sind.

Der Preisüberwacher hat keine Sanktionsmöglichkeit, aber er kann Empfehlungen abgeben.

Ausnahme: Kommt es mit Privatunternehmen zu keiner Einigung, kann er die Erhöhung ganz oder teilweise verbieten oder gar den Preis senken.

Trotz seiner Überwachung sind die Preise in der Schweiz im Schnitt 25 bis 40% höher als im Ausland.

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