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Wakker-Preis nützt dem Wein

Fläsch im Norden von Graubünden: 2008 wurden die Obst- und Rebzonen bis ins Dorf hinein zurückgezont, um das einmalige Ortsbild zu erhalten. Keystone

Mitte Woche hat das Bündner Winzerdorf Fläsch den Wakker-Heimatschutzpreis für 2010 erhalten. Der Wein aus dieser Region wird sogar im Ausland konsumiert, was für die Schweizer Weinproduktion eine seltene Ausnahme ist.

Wenn es ein traditionelles Produkt des Exportlandes Schweiz gibt, das jenseits der Grenzen kaum je konsumiert wird, ist es der Wein. Die Gründe sind zahlreich. Sei es, weil er zu teuer, zu ungeschickt vermarktet, qualitativ zu schlecht ist oder in zu kleinen Mengen produziert wird – «der Schweizer Wein hat im Ausland weder ein gutes noch ein schlechtes Image, sondern überhaupt keines. Swissness ist beim Wein gar nie ein Qualitätsmerkmal gewesen, wie zum Beispiel beim Käse», sagt Stephan Wehrle, ehemaliger Wein-Publizist, gegenüber swissinfo.ch.

Eine Weinregion scheint aber eine Ausnahme zu machen: Die ‹Bündner Herrschaft›, wie das Gebiet bei Bad Ragaz im Rheintal heisst. Sie umfasst Weindörfer wie Maienfeld, Fläsch, Jenins oder Malans. Fläsch hat vom Schweizer Heimatschutz den diesjährigen Wakkerpreis erhalten: Für seine spezifische Ortsplanung, die Reb- und Obstgärten bis in den Dorfkern erhält, ohne eine bauliche Weiterentwickung zu verhindern.

Von der gesamten Rebfläche der Schweiz liegen zwar nur 2% im Bündner Rheintal. Doch werden auf diesen rund 420 Hektaren über 40 Traubensorten angebaut. Die bekannteste Sorte der Region ist der Pinot noir (Blauburgunder).

Die Wohltat des Subventions-Wegfalls

Nach der Reduktion der Wein-Subventionen haben viele Schweizer Winzer ihre Politik der Mengenmaximierung aufgeben müssen. Die ‹Bündner Herrschaft› beschränkte 1993 die Traubenmenge pro Quadratmeter auf maximal 900 Gramm. «Gleichzeitig wurden die Märkte schweizweit geöffnet», so der Fläscher Winzer Hansruedi Adank gegenüber swissinfo.ch. Und die Schweizer mussten nun nicht mehr Schweizer Weine trinken – sie durften, wenn sie wollten.

Weshalb aber trinken so viele Ausländer Wein aus der ‹Bündner Herrschaft›? Michael Pilman, ehemaliger Chef tournant im Bad Ragazer Quellenhof, nennt verschiedene Gründe: Die touristisch günstige Lage als Durchgangsregion in die Alpen und nach Italien, die regionalen Bündner Küchen, die regionale Weine bevorzugen, die Unvoreingenommenheit der deutschen Gäste, die anders als andere Landsleute auch im Ausland den eigenen Wein bevorzugen, der Support der einheimischen Spitzengastronomie an Luxusorten wie Bad Ragaz oder dem Engadin.

So haben es die Nordbündner Winzer geschafft, gemäss den Schätzungen von Adank rund 10% ihrer Produktion zu exportieren. Ein Schweizer Rekord, denn laut Wehrle führt die Schweiz im Landesdurchschnitt nicht einmal 1% ihrer Weinproduktion aus.

Bis ein Drittel der Produktion ins Ausland

Wobei diese Rekord-Anteile wiederum relativ sind: «Eigentlich könnten wir heute von der Nachfrage her unsere gesamte Produktion ausführen», sagt die Fläscher Winzerin Martha Gantenbein. Auf die Frage, weshalb es der Schweizer Wein nie bis in die Weltmärkte gebracht habe, sagt sie:

«Viele Betriebe produzieren vorwiegend Basiswein und Top-Qualität in kleinen Mengen, die aber verschwinden, bevor sie überhaupt exportiert werden könnten. Wir dagegen versuchen, nur einen einzigen Wein zu machen. So können wir auch als Kleinbetrieb grössere Mengen exportieren.»

Ein Drittel von Gantenbeins selbstgekeltertem Wein geht ins Ausland, «überallhin ein wenig», nicht nur nach Europa, auch in die USA und nach Russland. «Und zwar zum grossen Teil in die Gastronomie. Dort ist unser Wein dann sichtbarer», so Martha Gantenbein gegenüber swissinfo.ch.

Die Nachbestellung ist die Herausforderung

Beim Exportieren bestehe die Herausforderung nicht im einmaligen Ausführen: «Denn erst im Jahr darauf zeigt sich, ob die Käufer nachbestellen oder nicht.»

Die Profiwinzer Gantenbein sind im Premiumbereich angesiedelt. Viele andere Schweizer Weinproduzenten, die sich auch gerne im Premiumbereich sähen, seien aber der Ansicht, sie hätten den Export nicht nötig, sagt Branchenkenner Wehrle. «Was dabei verloren geht, ist die Einsicht, dass eine Distribution in internationalen Kanälen unumgänglich ist, um im Premiumbereich dabei zu sein: zum Beispiel in Hotelketten mit Namen, oder über weltweit bekannte Retailer.»

Das sei einer der Gründe, weshalb es Schweizer Produzenten nicht gelinge, international ein Swiss-Weinimage aufzubauen. Gantenbeins hingegen wissen dies und handeln entsprechend, aber eben in Eigenregie, weil sie sich nicht auf die grossen Vermarktungsstrukturen verlassen.

Wakkerpreis eigentlich für die gesamte Region

«Liest man den Bericht zum Preis genau, sieht man, dass es die Kombination von Dorfstruktur und Weinbau ist, die zu erhalten bleibt», sagt Adank. «Ich denke, dass der Preis auch für uns Winzer positive Folgen haben wird.»

Fläsch sei zwar innerhalb der ‹Bündner Herrschaft› die kleinere Weinproduktions-Gemeinde als das bekanntere Maienfeld, so der Winzer, aber er denke, dass der Preis der ganzen Region zu Gute komme.

Adank verweist auch auf den engen Bezug der Weinwirtschaft zum Tourismus. Auch da wirke der Wakkerpreis als Qualitätssiegel. Ausserdem werde die Traubensorte, Pinot noir, weltweit nicht in grossen Mengen angebaut. Bei internationalen Degustationen hätten die Pinots der ‹Bündner Herrschaft› in den vergangenen Jahre sehr gute Resultate erzielt.

Alexander Künzle, swissinfo.ch

Diese Region ist die nördlichste Ecke Graubündens, eine kleine Ferien- und Weingegend, die sich von der rechten Rheinseite bis zum Fürstentum Liechenstein erstreckt.

Zentrum ist Maienfeld, wo die berühmteste Bündnerin, Heidi, wohnte. Johanna Spyri liess sich vor 120 Jahren von der ‹Bündner Herrschaft› inspirieren.

Die Gegend mit den Gemeinden Fläsch, Maienfeld, Jenins und Malans ist das wichtigste Weinbaugebiet des Kantons.

Die ‹Bündner Herrschaft› gilt als wärmste Weinbauregion der Deutschschweiz, denn das Rheintal ist ein Föhntal. Und der warme Südwind tut den Reben gut und treibt den Öchslegrad hoch.

Die Rebberge liegen geschützt vor Nordwinden am Fuss des Rhätikon-Massivs auf 500 – 600 müM.

45 Rebsorten werden angebaut, die 50 verschiedene Weine ergeben.

Doch dominiert mit fast 80% der Produktion der Pinot noir (Blauburgunder).

Je nach der Art der Kelterung entstehen entweder fruchtige Landweine oder farbintensive und gehaltvolle Rotweine.

Weitere bekannte Bündner Rebgemeinden sind Zizers, Trimmis, Chur und Felsberg.

Der Wein im Misox (Melsocina) zählt zum Weinbaugebiet des Tessins (Merlot-Traube).

Der Schweizer Heimatschutz verleiht diesen Preis jährlich an politische Gemeinden für beispielshaften Ortsbildschutz.

Der Name kommt von von Henri-Louis Wakker. Dieser hatte dem Heimatschutz einen Teil seines Vermögens vermacht.

Letzte Preisträger: Fläsch (2010), Yverdon-les-Bains (2009), Grenchen (2008), Altdorf (2007), Delémont (2006).

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