WEF macht Davos wieder zur globalen Schnittstelle
Globalisierung, Börsenkrise und Klimawandel sind zentrale Themen der 38. Auflage des World Economic Forum (WEF). Dies sagt Vizedirektor André Schneider im Gespräch mit swissinfo.
In Davos werden ab Mittwoch 2500 Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erwartet. Die Tagung dauert bis am kommenden Sonntag.
Alle Jahre wieder wird Davos im Januar zur Festung in den Bündner Bergen, denn Schweizer Polizei- und Armeekräfte müssen die hochrangigen WEF-Teilnehmer aus aller Welt beschützen.
Die erste Veranstaltung findet am Mittwochmorgen statt. Die offizielle Eröffnung erfolgt am Mittwochabend durch den Schweizer Bundespräsidenten Pascal Couchepin und US-Aussenministerin Condoleezza Rice.
Kurz vor dem Auftakt des Grossereignisses in der Bündner Alpenstadt sprach swissinfo mit WEF-Generaldirektor André Schneider.
swissinfo: Werden die von der Hypothekenkrise ausgelösten US-Rezessionsängste nicht andere wichtige Themen wie Klimawandel oder Menschenrechte verdrängen?
André Schneider: Unser Programm zeigt, dass wir diese Fragen nicht vergessen haben. Auf der Teilnehmerliste figurieren beispielsweise die beiden Träger des Friedensnobelpreises 2007, Al Gore und Rajendra Pachauri, Präsident des Internationalen Klimarates (IPCC).
Dieses Jahr versuchen wir, den grossen Führern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu zeigen, wie alle diese Fragen zusammenhängen. Da kann man nicht einzelne Bereiche ausklammern.
Nehmen wir die Energiefrage: Wenn man auf Biotreibstoffe setzt, hat das Folgen für die Nahrungsmittelpreise. Darüber muss man sprechen.
Oder natürlich die US-Hypothekenkrise: Internationale Investitionsvehikel und Hedge Funds führen heute dazu, dass eine Krise grosse Teile der Weltwirtschaft in Gefahr bringen kann.
Es braucht Transparenz und Regeln, damit eine begrenzte Krise nicht wie im Spiel mit Dominosteinen auf andere Bereiche übergreift. In dieser Diskussion werden wir Fortschritte erzielen. Die Hypothekenkrise, die auch die Schweizer Bank UBS schmerzlich trifft, hat ihren Ursprung in der problematischen Vergabe von Hypotheken in den USA.
swissinfo: Die Kritik der Globalisierungsgegner am WEF scheint zu erlahmen. Freut Sie das oder beunruhigt es Sie?
A.S.: Grosse Teile der langjährig geäusserten Kritik war durchaus gerechtfertigt, etwa an der ungerechten Verteilung der Güter in der Welt. Aber wir haben auch Lösungen erzielt. Denn das ist unsere Aufgabe: Diskutieren, um gute Lösungen zu finden.
Wir sehen die Abnahme der kritischen Stimmen auch als Anerkennung unserer Dialog-Plattform, mit dem Jahrestreffen in Davos, aber auch allen regionalen Tagungen.
swissinfo: 2008 finden in den USA und Russland Präsidentenwahlen statt. Das WEF findet aber ohne künftigen Figuren an der Spitze der beiden Grossmächte statt – ein Zeichen der Schwäche?
A.S.: Keineswegs. Seitens der USA haben wir sozusagen einen Rekord, was die Zahl der teilnehmenden Vertreter von Regierung, Ministerien, Senat und Repräsentantenhaus betrifft. Allen voran natürlich Staatssekretärin Condoleezza Rice.
An mehreren Veranstaltungen diskutieren wir über die anstehenden Wahlen und mögliche Forderungen an den neuen US-Präsidenten.
Was Russland betrifft: Noch nie war die russische Wirtschaft in Davos so präsent wie dieses Jahr. Es kommt auch eine starke Delegation aus der Politik, angeführt von Vize-Premier Kudrin.
Zwar sind die Präsidenten der USA und Russlands nicht in Davos, aber die Schlüsselfiguren für die Wahlkämpfe. Für die Qualität der Diskussionen ist also gesorgt.
swissinfo-Interview: Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)
Das World Economic Forum wurde 1971 von Klaus Schwab unter dem Namen Management Symposium in Davos gegründet.
Der Sitz ist in Cologny im Kanton Genf. Das WEF beschäftigt mehr als 290 Personen.
Das Jahresbudget übersteigt 100 Mio. Franken. Dieses wird unter anderem von 1000 Unternehmen beigesteuert.
Laut Eigendefinition ist das WEF die erste Dialogplattform der Welt, die Verantwortliche aller Bereiche an einem Tisch versammelt.
Das WEF organisiert Symposien in aller Welt, unterstützt Initiativen und Arbeitsgruppen und führt Studien durch. Es bietet auch ein Master-Programm an.
Das WEF 2008 in Davos dauert von 23. bis 27. Januar. Es steht unter dem Motto The Power of collaborative innovation (Innovation durch Zusammenarbeit).
Erwartet werden 27 Staats- und Regierungschefs, 113 Minister, Leiter diverser internationaler Organisationen, 1370 Unternehmensführer, darunter 74 der 100 grössten Unternehmen der Welt. Die Zivilgesellschaft wird durch 340 Vertreter aus Religion, Kultur und NGO repräsentiert.
Die Schweizer Regierung ist mit allen Mitgliedern, mit Ausnahme der neuen Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, am WEF anwesend.
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