«Weiter Weg zur Bankenregulierung»
In Folge der Finanzkrise kommt das Thema Bankenregulierung einmal mehr auf die politische Agenda. Bis zur Umsetzung einschneidender Massnahmen sei es noch ein weiter Weg, sagen die Ökonomen Charles Wyplosz und Sergio Rossi.
«Es ist schon unglaublich, drei Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise diskutiert man immer noch über Lösungsvorschläge», sagt Charles Wyplosz, Professor für internationale Wirtschaftspolitik am Institut des Hautes Etudes Internationales in Genf.
In den USA hat US-Präsident Barack Obama kürzlich mit einer Reihe von Vorschlägen die Reglementierungsmaschinerie angeworfen. Vorschläge, welche die internationale Debatte beeinflussen – auch jene in der Schweiz.
Obama fordert etwa, dass den Banken riskante Geschäfte auf eigene Rechnung verboten werden sollen. Zudem sollen die klassischen Sparten wieder strikt vom Investmentbanking getrennt werden. Obama will die Grösse der Banken beschränken, das heisst verhindern, dass sie «too big to fail» sind.
Die amerikanische Regierung wolle damit aus den Finanzinstituten wieder Banken machen, so Wyplosz. Das höre sich in der Theorie zwar gut an, sei aber schwierig umzusetzen.
«Kosmetische Forderungen»
Mit den beiden Bankenriesen UBS und Credit Suisse befinde sich die Schweiz in einer «sehr heiklen Situation», so Wyplosz. Mit der UBS-Krise sei das Land an einer Katastrophe vorbeigeschlittert.
Es stelle sich damit die politische Frage, ob sich die Schweiz zwei so grosse Banken leisten könne.
Was die neuen Regelungen betrifft, stehe die Schweiz besser da als andere Länder, sagt Sergio Rossi, Wirtschaftsprofessor an der Universität Freiburg.
So hat etwa der Bund kürzlich eine Erhöhung der Eigenkapital-Vorschriften für die UBS und Credit Suisse angeordnet.
Trotzdem glaubt Rossi nicht, dass – hätte man die neuen Eigenkapitalvorschriften und die restriktivere Boni-Politik vor fünf oder zehn Jahren eingeführt – die aktuelle Krise hätte verhindert werden können.
Für Rossi schiessen die vorgeschlagenen Regulierungen mit Ausnahme von Obamas strukturellen Massnahmen am Ziel vorbei. «Es handelt sich im Allgemeinen um populistische, kosmetische Forderungen. Das Problem wird nicht im Kern angepackt, sei es aus Unverständnis oder aus Eigeninteresse.»
Eine Bankenregulierung über eine Boni-Begrenzung bringe wirtschaftlich nicht viel, sagt Charles Wyplosz. «Das Volk verlangt Rache, doch die Boni sind ein Symptom und nicht die Ursache des Systems. Zudem würden die Banker zahlreiche Wege finden, um eine Boni-Begrenzung zu umgehen.»
Aufgeschlüsselte Buchhaltung
Eine Bank könne Risiken auf eigene Rechnung eingehen, sagt Sergio Rossi. «Es gilt jedoch zu verhindern, dass die Banken das ganze Finanzsystem ins Straucheln bringen, und zwar mit einer Politik, welche die Strukturen und nicht nur das Verhalten anvisiert.»
Die Banken sind Geldanleger und Kreditgeber. Zur Zeit können die Aufsichtsbehörden diese beiden Tätigkeitsfelder jedoch nicht aufsplitten, da dies von der Buchhaltung verunmöglicht wird.
«Auf diese Weise kann der überschüssige Kredit der Banken nicht identifiziert werden. Diesen gilt es jedoch zu verhindern, weil er nicht auf der Wertschöpfung basiert und früher oder später zu einer Blase auf dem Immobilien- oder Finanzmarkt führt», so Rossi.
Er plädiert deshalb für ein neues Buchhaltungssystem für die Banken, das eine Aufschlüsselung der Bereiche «Geldanlage» und «Kreditvergabe» ermöglicht. Dadurch könnte man im Missbrauchsfall juristisch eingreifen, wie er sagt. Eine solche Reform sei in England bereits 1844 für die Zentralbank durchgeführt worden.
Mehr Kompetenzen für Finanzpolizei
Dass es eine gewisse Bankenregulierung braucht, darüber sind sich Charles Wyplosz und Sergio Rossi angesichts der Finanzkrise einig. Doch für sie sind nicht zwingenderweise internationale Regulierungen notwendig, da sich diese eher bremsend auswirken könnten.
Laut den beiden Ökonomen gilt es insbesondere, die Finanzpolizei mit mehr Kompetenzen auszustatten und in gewissen Ländern auch deren Unabhängigkeit von der Regierung zu stärken.
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) sei in der Schweiz «dramatisch unterdotiert». Die Finma benötige mehr finanzielle Mittel und Ökonomen sowie höhere Löhne. Nur so könne sie ein Gegengewicht zu den Banken darzustellen.
Pierre-François Besson, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Corinne Buchser)
Die Schweiz habe die globale Rezession bislang besser überstanden als manch anderer OECD-Staat, schrieb die OECD anfangs Jahr in ihrem Länderbericht. Es sei jedoch eine bessere Aufsicht über den Finanzsektor nötig.
Diese soll laut OECD schlagkräftiger werden: Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Nationalbank müssten enger mit den Pendants anderer Länder zusammenarbeiten.
Die Finma sollte überdies mehr Personal erhalten und systemische Risiken bei ihren Modellen stärker berücksichtigen, heisst es im Bericht weiter.
Verringern sollte die Schweiz aus Sicht der OECD auch das Klumpenrisiko, welches die beiden Grossbanken für die Wirtschaft bilden: Es brauche Verfahren, wie die Institute im Krisenfall aufgelöst werden könnten.
Zudem sollten die Eigenkapitalvorschriften für die UBS und Credit Suisse noch höher sein, als es der Bund erst kürzlich angeordnet hat, finden die OECD-Ökonomen.
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