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Weiterhin Finanzplatz für anspruchsvolle Kunden

Alfredo Gysi sieht zuversichtlich in die Zukunft des Finanzplatzes Schweiz. BSI

Alfredo Gysi ist CEO der Banca Svizzera Italiana und Präsident des Verbands der Auslandbanken in der Schweiz. swissinfo.ch sprach mit ihm über die Bedeutung des Bankgeheimnises und das Image der Schweiz nach der UBS-Affäre.

swissinfo.ch: In der Schweiz wurde namentlich im Zusammenhang mit der Steueramnestie in Italien immer wieder betont, dass die Schweizer Finanzinstitute mehr zu bieten hätten als das Bankgeheimnis. Welche Trümpfe haben sie?
Alfredo Gysi: Die Schweiz hat zahlreiche Wettbewerbsvorteile. Die Schweiz ist ein demokratisches Land, das Rechtssicherheit und Schutz der Privatsphähre garantiert.

Die Schweiz verfügt zudem über ein Bankensystem, bei dem die Bankkunden und nicht die Produkte im Vordergrund stehen.

Es ist kein Zufall, dass zahlreiche grosse Unternehmen ihr Kompetenzzentrum für die private Vermögensverwaltung in der Schweiz haben.

Nicht zu vergessen ist auch der internationale Aspekt: Die Schweiz treibt weltweit auf allen Finanzplätzen Handel. Das Personal auf dem Finanzplatz Schweiz ist sehr gut ausgebildet und international ausgerichtet.

Fällt das Bankgeheimnis weg, so verlieren wir an Attraktivität für jene Kunden, die ihr Geld am Fiskus vorbeischleusen wollen. Doch für Kunden, die beste Dienstleistungen erwarten, bleiben wir auch in Zukunft der bevorzugte Finanzplatz.

swissinfo.ch: Wie geht es in Sachen Bankgeheimnis Ihrer Meinung nach weiter?

A.G.: Der Begriff «Bankgeheimnis» ist verwirrend. Er umfasst zwei verschiedene Aspekte: Einerseits geht es um den Schutz der Privatspähre, auf die jedes Individuum ein Recht hat und die ein Schweizer Grundrecht darstellt.

Andererseits geht es um internationale Bestimmungen und Abkommen, welche der Bund ausgearbeitet hat, um den Missbrauch der Privatspähre für unlautere Zwecke zu verhindern.

Bisher ist es der Schweiz gelungen, die Modalitäten der internationalen Zusammenarbeit anzupassen, so etwa beim Insiderhandel.

In Bezug auf die Steuerflucht braucht es eine Lösung, die sowohl einen Schutz der Privatspähre garantiert als auch ein effizienteres Vorgehen gegen Missbräuche ermöglicht.

In diese Richtung geht die Anpassung an die OECD-Standards, respektive die Ausweitung der Amtshilfe in Steuerfragen, sowie der Vorschlag einer Abgeltungssteuer.

swissinfo.ch: Hat sich Ihrer Ansicht nach das Image der Schweiz im Ausland nach der UBS-Affäre verschlechtert?

A.G.: Die UBS-Affäre hat die Schweizer stark in ihrem Stolz verletzt. Sie fällt aber weniger ins Gewicht, was das Image der Schweiz im Ausland betrifft.

Die Schweiz bezahlt im Grunde heute die Zeche dafür, dass sie ein Spezialfall ist. Wir haben das Anderssein mit berechtigtem Stolz kultiviert und verteidigt: Die Schweiz hat seit dem Zweiten Weltkrieg einen stärkeren wirtschaftlichen Aufschwung erlebt als die anderen europäischen Länder und gleichzeitig eine gutes soziales Gleichgewicht mit einem funktionierendem Föderalismus aufrechterhalten.

Dies alles entfernte die Schweiz jedoch von länderübergreifenden Projekten wie der EU. Während sich die Beziehungen im Rest der Welt tiefgreifend veränderten, blieb die Stellung der Schweiz nach dem Kalten Krieg praktisch unverändert.

Die kleine Schweiz wird auch dafür benieden, dass es ihr gelang, in verschiedenen Wirtschaftssektoren, wie der Finanz-, Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie, eine starke Stellung aufzubauen. Die Haltung der Schweiz wird manchmal als arrogant angesehen, weil wir überzeugt sind von unserem Modell und dies auch gerne betonen. Am liebsten möchten wir, dass es andere Länder übernehmen.

Andrea Clementi, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Corinne Buchser)

Die dritte, bis Ende April verlängerte italienische Steueramnestie für Kapitalfluchtgelder, hat sich auf den Tessiner Finanzplatz weniger schlimm ausgewirkt als befürchtet. Der Abfluss von italienischen Kundengeldern konnte mit rund 25 Mrd. Euro in Grenzen gehalten werden.

Laut der italienischen Nationalbank legalisierten die Italiener bis Mitte Februar Schwarzgeld im Umfang von rund 85 Mrd. Euro. Davon stammten rund 60 Milliarden aus der Schweiz, ein Grossteil davon aus dem Tessin. Von diesen 60 flossen insgesamt 25 Milliarden effektiv nach Italien zurück.

Beim Rest handelt es sich um eine so genannte juristische Rückführung; physisch bleibt das Vermögen in der Schweiz. Viele Banken konnten einen Grossteil der legalisierten Gelder über ihre Filialen in Italien oder über eine juristische Repatriierung wieder auffangen.

Dies sagte Franco Citterio, Direktor der Tessiner Bankiervereinigung (ABT) gegenüber dem Radio- und Fernsehen der italienischen Schweiz (RSI). Zwar sei es schwierig, exakte Zahlen zu liefern, aber die ABT stütze sich auf Angaben der italienischen Nationalbank.

Der italienische Finanzminister Giulio Tremonti hatte vor einem Jahr verkündet, er wolle den Bankenplatz Lugano trocken legen.

Trotz den Auswirkungen dieser dritten Steueramnestie seit 2001 konnten Banken im Tessin ihren Reingewinn für das vergangene Geschäftsjahr erhöhen. Die Banca della Svizzera Italiana (BSI) um 1,8% auf 103 Mio. Franken. Grund: Die abgeflossenen Kundengelder seien durch Neugeldzuflüsse und einen besseren Markt wettgemacht worden.

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