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Wenn Reiche ein Haus suchen

Die Villa Horten: Nur für einige wenige erschwinglich. wetag.ch

Es ist bekannt, dass sich reiche Ausländer gerne in der Schweiz niederlassen. Aber was erleben sie, wenn sie sich nach einer standesgemässen Bleibe umsehen? swissinfo.ch hat sich für ein paar Stunden auf die Suche gemacht.

Wir sind auf dem Weg zu einer Liegenschaft im Südschweizer Kanton Tessin.

Kurz nach Ponte Tresa erreichen wir nach wenigen Minuten ein grosses Tor, durch das man in einen Park von 100’000 Quadratmetern fahren kann.

Am Ende der Allee steht das Haus. Oder eher: die drei Häuser. Das Hauptgebäude allein bietet eine Wohnfläche von 1400 Quadratmetern.

In diesem stolzen Anwesen residierte während 20 Jahren der deutsche Geschäftsmann Helmut Horten, der sich in den späten 1960er-Jahren entschieden hatte, sich südlich der Alpen niederzulassen. Nun steht die gesamte Anlage, nach einigen Handwechseln, zum Verkauf.

Die Villa besuchen kann allerdings nicht jedermann. «Bevor wir einen potenziellen Käufer durch die Anlage begleiten, führen wir eine genaue Überprüfung durch», sagt Ueli Schnorf, Inhaber von Wetag, einer Immobilienagentur in Lugano und Locarno, die auf Luxusgüter spezialisiert ist und in der Schweiz die Agentur Christie’s Great Estates vertritt.

«Kurz, wir wollen wissen, mit wem wir es zu tun haben und ob die Person auch über die notwendigen Mittel verfügt, das Objekt zu erwerben.»

Sind diese Fragen erst geklärt, erhält der Kunde eine ausführliche Dokumentation über den Besitz, Strassenanschlüsse, Schulen, den Kanton und das rechtliche Umfeld in der Schweiz. «Wir können das Risiko nicht eingehen, dass ein Interessent hinfliegt und dann sagt: ‹Ach so, aber das hat man mir nicht gesagt›.»

Kunden ändern sich

Im Verlauf des letzten Jahrzehnts ist die Agentur von Personen aus 69 verschiedenen Ländern kontaktiert worden, die sich für eine Liegenschaft im Kanton Tessin interessierten. Auch wenn es nicht möglich ist, die genaue Zahl der erfolgreichen Abschlüsse zu eruieren, kann doch festgestellt werden, dass viele gefunden haben, was sie suchten. Viele stammten aus Italien, Russland, Skandinavien und nordischen Ländern.

Während der Jahre hätten sich die Kunden in verschiedenen Bereichen verändert, stellt Ueli Schnorf fest. «Früher waren reiche Leute, die sich hier niederlassen wollten, eher älter. Heute verfügen viele Familien über die finanziellen Mittel, um überall in der Welt leben zu können. Und sie wählen die Schweiz, besonders das Tessin.»

Warum? «Weil sie hier optimale Lebensqualität finden, ein freundliches Klima, effiziente Dienstleistungen und vor allem Sicherheit», sagt Schnorf. «Hier können die Kinder zur Schule gehen, ohne dass sie von vier Bodyguards begleitet werden müssen. Ganz zu schweigen von den attraktiven steuerlichen Bedingungen.»

In fast allen Kantonen der Schweiz haben reiche Ausländer, die keiner Erwerbstätigkeit im Land nachgehen, die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung, die auf Basis der Lebenshaltungskosten des Besteuerten und seiner Familie berechnet werden.

Auch wenn der Preis bei solchen Kunden meist keine Rolle spielt, seien sie heute doch erfahrener im Umgang mit Immobilien: «In den Jahren nach der Krise suchen die Leute nach Objekten, die keinen Wertverlust riskieren und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten», so Schnorf. «Sie wollen, zusammengefasst, ein gutes Geschäft machen und sind nicht bereit, einen dreimal höheren Preis als den effektiven Wert zu berappen.»

Eine Frage des Preises

Womit wir beim Preis wären: Wer die Ex-Horten-Liegenschaft sein Eigen nennen will, muss bereit sein, dafür rund 20 Millionen Franken auszugeben, ohne Möbel eine Million weniger. Die Kosten der Anlage seien, erklärt der Wetag-Vertreter, von drei unabhängigen Experten und im Einverständnis mit dem Eigentümer festgelegt worden.

Sind die Verhandlungen einmal abgeschlossen, wird meist mit einer einzigen Transaktion bezahlt: «Die Banken sind wenig interessiert, Hypotheken für diese Art von Eigentum zu gewähren, weil sie – im Falle eines Scheiterns des Eigentümers – Mühe hätten, die Immobilie wieder zu verkaufen», sagt Schnorf.

In der Zwischenzeit haben wir die palastartige Villa betreten dürfen. Alles ist makellos: Der Garten ist gepflegt, die Bar aufgefüllt, kein Staubkorn ist im Haus zu finden. «Eine Liegenschaft dieser Art muss immer gut gepflegt werden. Dafür braucht man Angestellte. Die Fixkosten für dieses Anwesen belaufen sich auf rund 200’000 Franken pro Jahr. In der Regel muss man mit 1% des Kaufpreises als Fixkosten rechnen.»

Laut der Statistik von Wetag wird eine Liegenschaft im Durchschnitt innerhalb von 14 Monaten verkauft, so Schnorf. «Handelt es sich jedoch um sehr grosse Objekte, kann es bis zu einigen Jahren dauern. Auch wenn ein Haus in einem Jahr von sechs bis acht Interessenten besucht wird, ist ein Kaufentscheid keine schnelle Sache. Zudem verfügen interessierte Parteien oft über viele weitere Möglichkeiten, die sie prüfen müssen.»

Laut dem Immobilien-Experten kann trotz gestiegener Preise auf dem Wohnungsmarkt im Kanton Tessin nicht von einer Immobilienblase gesprochen werden: «Eines der deutlichsten ‹Symptome› für Spekulation ist der Kauf von mehreren ähnlichen Häusern, ohne dass sie bewohnt werden. All jene Objekte hingegen, die wir verkauft haben, werden von jenen bewohnt, die sie auch gekauft haben.»

Was Frauen wollen

Das letzte Wort beim Hauskauf haben oft die Frauen: «Wie in allen Dingen des Lebens haben die Frauen auch in diesem Bereich eine grosse Bedeutung», sagt der Verantwortliche der Wetag lächelnd.

So habe sich beispielsweise eine Amerikanerin gegen den Hauskauf im Tessin entschieden, weil sie die Region – nach einem Spaziergang mit ihrem Mann an einem Regentag in Lugano – zu langweilig fand. Ein anderes Paar habe die ehemalige Horten-Residenz nicht gekauft, weil diese für die Ehefrau zu abgelegen sei.

Ein kleiner Psychologe

Häuser an reiche Ausländer zu verkaufen ist nicht so einfach, wie man sich das vielleicht vorstellen mag. «Man muss mehrere Sprachen sprechen, aber zuallererst muss man zuhören können, um zu verstehen, was die Person genau sucht. Man muss ein kleiner Psychologe sein», sagt Schnorf.

Nötig sei auch «eine grosse kulturelle Neugier. Man verhält sich anders, wenn man einen Kunden aus einem arabischen Land, begleitet von zehn Personen, empfängt, als mit einem jungen russischen Interessenten oder einer holländischen Familie.»

Zum Job gehört aber auch, dass Kunden nicht, oder nicht sofort, das finden, wonach sie gesucht haben. «Daher ist es wichtig, dass man diese Arbeit zu einem festen Gehalt macht; so muss man nicht um jeden Preis etwas an den Mann oder die Frau bringen.»

Für einen Immobilienmakler muss laut Schnorf folgende Regel, die neben dem Kunstmarkt auch den Immobilienmarkt bestimmt, stets im Hinterkopf sein: «Der Motor des Marktes sind neben dem Alter einer Person die drei berühmten D: Death, Divorce, Debt (Tod, Scheidung, Schulden)».

Aus diesen 5 Ländern stammten Ende 2010 die meisten:

Italien

289’125 (16.8%)
 

Deutschland

264’227 (15.4%)

Portugal

213’153 (12.4%)

Serbien

113’343 (6.6%)

Frankreich

95’086 (5.5%)

(Quelle: Bundesamt für Migration)

Diese Besteuerungsart steht Personen zu, die erstmals oder nach mindestens zehnjähriger Landesabwesenheit steuerrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz nehmen. Ausländern steht das Recht unbeschränkt lange zu, Schweizer Bürgern im Jahr ihres Zuzugs.

Aufwandbesteuerte Personen dürfen in der Schweiz keiner Erwerbstätigkeit nachgehen.

Als massgeblicher Aufwand für die Besteuerung gilt der Gesamtbetrag der jährlichen Lebenshaltungskosten.

Da dieser Betrag nicht einfach festzustellen ist, wird in der Praxis die Höhe der Miete oder der Eigenmietwert der bewohnten Immobilie als Bemessungsgrundlage genommen.

In den meisten Kantonen entspricht dies mindestens fünfmal dem Mietwert oder der Miete.

Pauschalbesteuerte müssen ihr Vermögen oder Einkommen im Ausland nicht angeben. Besitz und mögliche Einkommen in der Schweiz müssen jedoch deklariert werden.

Im Februar 2009 hat das Stimmvolk des Kantons Zürich eine Initiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung auf kantonaler Ebene ab 1. Januar 2010 gutgeheissen.

Auch in den Kantonen Glarus, St. Gallen, Luzern, Basel-Stadt und Thurgau sind Bestrebungen im Gange, diese Besteuerungsart abzuschaffen. Entsprechende Abstimmungen finden voraussichtlich 2011 oder 2012 statt.

Um die Akzeptanz der Pauschalbesteuerung zu fördern, hat die Eidgenossenschaft ein Bundesgesetz in die Vernehmlassung geschickt. Es sieht eine Erhöhung der Aufwandbesteuerung vor.

Im April 2011 hat das Parlament entschieden, an der Möglichkeit einer globalen Besteuerung auf Bundesebene festzuhalten.

Von einer solchen Steuer profitieren in der Schweiz derzeit zwischen 4000 und 4500 Personen, die meisten in den Kantonen Waadt, Genf, Wallis, Tessin und Graubünden.

(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

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