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Wer sind diese Schweizer Wohltäter?

Roger Federer: Einer der bekanntesten Schweizer Philantropen. Keystone

In der Schweiz gibt es über 10'000 wohltätige Stiftungen, die von Privatpersonen gegründet wurden. Eine Studie befasst sich mit ihrem Persönlichkeits-Profil.

Ein typisches Wohltäterprofil zeichnet sich nicht ab. Das Klischee des alternden, erbenlosen Milliardärs bestätigt sich in keiner Weise.

«Die Schweiz ist ein Stiftungs-Paradies. Es gibt sehr viele Stiftungen, und es werden immer mehr», sagt Bernd Helmig. Er hat zusammen mit Beat Hunziger eine Studie publiziert, die versucht, das Profil des schweizerischen Wohltäters aufzuzeichnen.

Man weiss nicht viel über das Stiftungswesen in der Schweiz und noch weniger über die Wohltäter und Philantropen. Auch Statistiken in diesem Bereich sind selten.

Zahlreich sind auch die Unternehmen und Banken, die Geld in Institutionen fliessen lassen, die wiederum Projekte in Kultur, Gesellschaft und Wissenschaft finanzieren. Doch was motiviert eine Privatperson zur Stiftungsgründung?

Die beiden Autoren befragten 148 Personen, die in den letzten zehn Jahren einer Stiftung vorstanden. Leute, denen teils grosse, aber auch mittlere und kleine Budgets zur Verfügung standen, mit denen sie altruistisch tätig wurden.

Kein einheitlicher Wohltäter-Typus

Das stereotype Bild des alternden, generös gewordenen Milliardärs, der ohne Erben geblieben ist und deshalb sein Geld in eine Stiftung anlegt, wird durch die Studie relativiert.

«Überraschend haben wir dagegen festgestellt, dass Stifter aus allen Gesellschaftsschichten stammen», erklärt Helmig. «Und sie werden immer jünger.» Oft seien es Jungunternehmer, die dank Börse in kurzer Zeit ein Vermögen gemacht haben – meist in der Technologie- oder Biotechnologie-Branche.

«In den letzten 10 bis 15 Jahren waren auch viele Frauen darunter», so Helmig. Umso mehr, als das Vermögen für eine Stiftungsgründung nicht astronomisch hoch sein müsse. «Die Basissumme zur Gründung beträgt 50’000 Franken.»

Das Gesetz sieht nicht vor, dass das Eigenkapital zur Gründung einer Stiftung substanziell sein muss. Es kann auch in Form von Immobilien oder Wertgegenständen eingebracht werden.

Tue Gutes und spare Steuern

Der Grossteil der Stiftungen ist deshalb auch keine Millionen-Institution. Oft genug sind Stiftungen auch gezwungen, ihre Ausgaben mit Sammelspenden zu bestreiten.

Etwas Gutes tun, der Gesellschaft etwas zurückzugeben – darin besteht ja die Motivation des Wohltäters oder Philantropen. Spielt aber dabei nicht auch der Gedanke mit, einfach Steuern einzusparen?

«Erstaunlicherweise scheint das Steuerargument kein wichtiger Faktor zu sein», so Helmig. «Der Grossteil der Philantropen will einfach die ganze Kontrolle über die Gelder behalten, die sie der Gesellschaft zur Verfügung stellen.»

«Fiscogate»

In der Schweiz gab es auch immer wieder Fälle von fraglichen Stiftungen. Eine, die besonders viel Staub aufwirbelte, war die Familien-Stiftung der Masonis, «Villalta dell’Argine».

Während der Regierungswirren im Tessin rund um Finanzministerin Marina Masoni löste diese Stiftung, im Fiskalparadies Kanton Schwyz und nicht im Niederlassungskanton der Masonis gelegen, den Skandal um «Fiscogate» aus.

Kunstmäzene

Sehr bekannt ist der Fall des Zentrums Paul Klee in Bern. Hier kamen ebenfalls gewisse Polemiken auf, wenn auch nicht steuerlicher Art. Zur Realisierung des Projekts des Architekten Renzo Piano trugen der Berner Arzt Maurice Müller und seine Frau insgesamt 40 Millionen bei.

Das Museum in Burgdorf, das die Werke des Schweizer Künstlers Franz Gertsch beherbergt, geht ebenfalls auf das Mäzenatentum einer Einzelperson zurück. Willy Michel, der sich mit Disentronic ein Vermögen geschaffen hatte, zweigte dafür aus seiner Stiftung 20 Mio. Franken ab.

Es ist auch denkbar, dass in den Antworten der Wohltäter auf die Fragen von Helmig und Hunziker nach ihren weniger wohltäterischen Motiven ein gewisses Understatement mitschwingt.

Für die Generosität der Wohltäter spreche jedoch der Umstand, so Helmig, dass in einem grossen Teil der Stiftungen die Gründer selbst mitarbeiten und einen gewichtiger Teil ihrer Zeit dafür investieren.

«Viele Stifter nehmen direkt Einsitz im Stiftungsrat oder der Direktion. So sind sie aktiv an der Akquisition und Auswahl der Projekte beteiligt.» Damit soll die Effizienz der puren Geldvergabe mit dem persönlichen Engagement untermauert werden.

swissinfo, Raffaella Rossello
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)

Studie von Bernd Helmig und Beat Hunziker: «Stiften in der Schweiz».

VMI-Forschungsreihe, Bd 3, Freiburg 2006.

In der Schweiz gibt es 11’000 bis 12’000 Stiftungen.

Das Gesamtvermögen dieser Institutionen beläuft sich auf rund 40 Mrd. Franken.
Jedes Jahr wird davon rund eine Millarde ausgegeben.

Auch viele Ausländer nutzen die Schweiz als Sitz für eine ihrer Stiftungen.

Aus der Studie geht hervor, dass es wenige Stiftungen für religiöse Zwecke gibt.

In der Herbstsession 2004 hat das Parlament die Revision des Stiftungsrechts angenommen.

Es trat im Januar 2006 in Kraft.

Die Neuerungen betreffen vor allem die Möglichkeit, den Stiftungszweck zu ändern, und die Steuerabzugsfähigkeit der Donationen zu erhöhen.

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