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Wichtige Etappe zwischen Schweiz und EU

Calmy-Rey (l.) und Plassnik zeigten sich nach der Unterzeichnung zufrieden. Keystone

Bundesrätin Micheline Calmy-Rey und die EU-Spitze haben am Montag in Brüssel die Vereinbarung zur Schweizer Solidaritäts-Milliarde unterzeichnet.

Bereits am Montagmorgen hat der EU-Ministerrat die anstehenden Abkommen Personenfreizügigkeit, MEDIA, Umwelt und Statistik ratifiziert.

Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sprach bei der Unterzeichung von einer «wichtigen Etappe». Denn auch die Schweiz profitiere von der EU-Erweiterung. Zudem äusserte sie sich zufrieden über die Deblockierung der bilateralen Abkommen.

In der Vereinbarung (Memorandum) bestimmen die Schweiz und die EU die allgemeinen Modalitäten des Schweizer Solidaritätsbeitrags von einer Milliarde Franken an die 10 neuen EU-Länder, verteilt auf fünf Jahre.

Personenfreizügigkeit auf 1. April in Kraft

Bereits am Montagmorgen hatte der EU-Ministerrat die anstehenden Abkommen mit der Schweiz ratifiziert. Bern will die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit und die flankierenden Massnahmen sowie die Abkommen Media-Filmförderung und Umwelt auf den 1. April in Kraft setzen.

Das ebenfalls ratifizierte Statistik-Abkommen kann erst auf Anfang 2007 in Kraft treten. Noch ausstehend sind die Ratifizierungen von Schengen/Dublin und der Betrugsbekämpfung.

Für die österreichische Aussenministerin Ursula Plassnik markierte die Unterzeichnung des Memorandums und damit der Abschluss der Bilateralen II einen «wichtigen Meilenstein». Sie verwies auf die Bilateralen I, die 1998 ebenfalls unter österreichischer EU-Präsidentschaft abgeschlossen worden waren.

Im März im Nationalrat

Der Bundesrat (Landesregierung) hatte dem «Memorandum of Understanding» vergangene Woche zugestimmt. Auf Grundlage des neuen Osthilfegesetzes wird er in einem nächsten Schritt mit den 10 Partnerstaaten bilaterale Rahmenabkommen abschliessen.

Das vom Ständerat (kleine Kammer) bereits gebilligte Gesetz kommt Mitte März in den Nationalrat (grosse Kammer).

Schlusspunkt

Die Unterschrift Calmy-Reys in Brüssel markiert einen Schlusspunkt. Denn aus Sicht der Europäischen Union war die Schweizer Milliarde Teil des Gesamtkompromisses, mit dem im Mai 2004 die Bilateralen II abgeschlossen worden waren.

Wegen des monatelangen EU-internen Feilschens um das Schweizer Geld verzögerte sich die Umsetzung der Abkommen. Erst jetzt ist das Ganze wieder auf der Schiene.

Nächste Etappen: Elektrizität & Galileo

Noch ausstehend ist die Ratifizierung der Abkommen zur Betrugsbekämpfung sowie zu Schengen/Dublin. Doch bereits seit Herbst 2004 ist die Schweiz im Gemischten Schengen-Ausschuss mit dabei.

Somit können sich Bern und Brüssel den neuen Themen von beidseitigem Interesse zuwenden. Dabei geht es beispielsweise um eine Schweizer Beteiligung am europäischen Satelliten-Navigationssystem GALILEO und um Verhandlungen über ein Elektrizitäts-Abkommen.

Wermutstropfen Steuerprivilegien

Aus Sicht der EU-Kommission liegt das derzeit schwierigste Problem zwischen Bern und Brüssel bei den Steuerprivilegien, welche verschiedene Kantone gewissen ausländischen Holdings gewähren.

Um die europäischen Sitze von multinationalen Unternehmen anzulocken, bieten Kantone wie Zug, Schwyz, Ob- und Nidwalden Unternehmenssteuersätze an, die zu den tiefsten der Welt gehören.

Für die EU entspricht diese Praxis nicht dem Abkommen über den Freihandel zwischen der Schweiz und der EU, das seit 1972 in Kraft ist. Kürzlich haben sich Vertreter der Schweiz und der EU getroffen, um die Differenzen auszuräumen. Es blieb beim Versuch.

Eine ausführliche Erklärung der Schweiz soll demnächst folgen. Doch sie dürfte Brüssel kaum zufrieden stellen. So wird die Schweiz die von der EU-Kommission verlangte vollständige Liste derjenigen Unternehmen, welche von den Steuerbegünstigungen profitieren, nicht mitliefern.

swissinfo und Agenturen

Nach dem Nein des Schweizer Stimmvolks zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992 setzte die Schweiz auf bilaterale Abkommen mit der Europäischen Union (EU), die im Dezember 1994 aufgenommen wurden.

Im Mai 2000 stimmte die Schweiz mit Zweidrittels-Mehrheit den «Bilateralen I» zu.

Mit der Erweiterung der EU am 1. Mai 2004 wurden diese Abkommen automatisch auf die neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt. Ausnahme bildete das Personenfreizügigkeits-Abkommen, bei dem Vertragsanpassungen mit der EU ausgehandelt werden mussten. Diese nahm das Stimmvolk im September 2005 an.

Die Verhandlungen über das zweite bilaterale Paket Schweiz-EU begannen im Juli 2001. Unterzeichnet wurden die Verträge Ende Oktober 2004.

Die einzelnen Dossiers unterlagen dem fakultativen Staatsvertrags-Referendum, das einzig gegen Schengen/Dublin ergriffen wurde. Das Stimmvolk hiess das Dossier im Juni 2005 gut.

Verteilung der Schweizer Kohäsionsgelder (Beträge auf 1 Mio. Fr. gerundet):
489 Mio. Franken sollen nach Polen, 131 Mio. nach Ungarn und 110 Mio. nach Tschechien fliessen.
Litauen erhält 71 Mio., die Slovakei 67 Mio., Lettland 60 Mio., Estland 40 Mio., Slowenien 22 Mio. Fr.
Schliesslich sollen Zypern 6 Mio. und Malta 3 Mio. Fr. erhalten.
Zwei Mio. Franken sollen als Restbetrag für spätere hochprioritäre Projekte reserviert bleiben.

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