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Wieso der WTO-Kompromiss akzeptabel ist

Für Joseph Deiss ist das Dokument von Hongkong "ein Papier, das sich zeigen kann". Keystone

Der Schweizer Wirtschafts-Minister Joseph Deiss zieht im swissinfo-Gespräch Bilanz über die wichtigsten Punkte der WTO-Konferenz in Hongkong.

Die Minister der Mitgliedländer der Welthandels-Organisation haben sich auf eine weitere Liberalisierung der Landwirtschaft geeinigt.

swissinfo: Wie beurteilen Sie den in Honkong gefundenen Kompromiss?

Joseph Deiss: Zuerst einmal ist es positiv, dass wir überhaupt dieses Resultat haben. Noch am Sonntag-Morgen waren wir nicht sicher, ob es überhaupt soweit kommen würde. Die Diskussionen waren hart.

Schlussendlich haben wir jetzt ein Dokument, welches sich zeigen kann. Wir haben jetzt einen Text, der weitergeht, als das, was wir vorher hatten. Wir können also zufrieden sein.

swissinfo: Welches sind denn die herausragenden positiven Aspekte des Dokuments?

J.D.: Zuerst einmal der Fortschritt im Agrarbereich. Hier haben wir ein Datum für die Aufhebung der Exportsubventionen.

Über die Industrie-Produkte haben wir mindestens ausgiebig diskutiert und gewisse Fortschritte erzielt. Für die ärmsten Länder haben wir eine Spezialprogramm auf die Beine gestellt.

swissinfo: Gibt es auch Dinge, die Sie enttäuschen?

J.D.: Sicherlich. Wir haben nicht überall Recht bekommen. Wir sind immer noch nicht zufrieden in der Frage der sensiblen Produkte. Die Schweizer Delegation hat gute Arbeit geleistet. Doch unsere Position geht im Schlussdokument etwas unter.

Wir sind enttäuscht vom Widerstand gegen die geographischen Ursprungsbezeichnungen. Der europäische Kontinent ist reich an landwirtschaftlichen Produkten und an Ernährungs-Traditionen. Die Europäische Union hat jedoch grosse Mühe mit der Idee der Ursprungsbezeichnungen.

Aber auch hier gab es einen leichten Fortschritt zu verzeichnen. Indien – auch ein Land mit vielen regionaltypischen Produkten – hat sich für diese Idee stark gemacht.

Nach und nach zeigt sich, dass es sich hier nicht lediglich um die Sorge der entwickelten Länder handelt. Allen Ländern ist es ein Anliegen, ihr Erbe zu schützen und daraus Vorteile zu ziehen.

swissinfo: Zu Beginn war es ihr Ziel, dass die Verhandlungen besonders im nicht-landwirtschaftlichen Bereich vorwärts kommen. Ihr Kommentar?

J.D.: Wir konnten bei den industriellen Produkten vorwärts kommen, indem wir uns auf eine Formel einigen konnten – die «Schweizer Formel», die von der Schweiz in der Uruguay-Runde entwickelt wurde.

Diese Formel hat einen gewissen Effekt auf Zollgebühren. Genaugenommen werden die höchsten Zölle stärker gesenkt als die tiefsten. Für die Schweiz, die offensive Interessen in Sachen industrielle Produkte vertritt, ist das eine gute Sache.

swissinfo: Was halten sie vom «Hilfspaket», das von der Schweiz unterstützt wurde?

J.D.: Es ist gut, dass wir ein Programm für die 49 ärmsten Länder verabschiedet haben, das diese von jeglichen Zollbeschränkungen und Kontingenten enthebt. Das heisst, ihnen wird ein privilegierter Martkzugang gewährt.

Das geht nicht ohne Probleme. Vor allem nicht in den industrialisierten Ländern. Besonders die USA haben darauf bestanden, das Hauptziel des Programms abzuschwächen.

Die Schweiz hatte einen Kompromiss-Vorschlag mit 99% gemacht (1% der Produkte wäre vom zollfreien und kontingentfreien Zugang ausgenommen). Unser Modell wurde angenommen, allerdings werden nur 97% der Produkte erfasst.

Anders gesagt, 3% der Produkte, besonders die sensibelsten, werden vom Programm ausgeschlossen. Das ist schade. Es ist ein Element, das uns ein wenig enttäuscht. Dennoch können wir zufrieden sein, dass dieses Programm durchgekommen ist.

swissinfo: Welches Signal gibt die Erklärung von Hongkong und wie sehen Sie die Fortsetzung der Verhandlungen?

J.D.: Dieses Resultat zeigt, dass wir fähig sind, einander zuzuhören. Wir haben eine grosse Debattier- und Konfliktfähigkeit bewiesen.

Wir konnten damit zeigen, dass wir, wenn die Debatte einmal begonnen hat und die Meinungen bekannt sind, Lösungen finden konnten, die für alle akzeptabel sind. Ein Element, das zu Hoffnung für die Fortsetzung Anlass gibt.

Natürlich muss man sehen, dass der Grossteil der Arbeit noch ansteht. Es geht besonders darum, die Abstufung der Protektions-Massnahmen festzulegen. Da werden wir uns an einem Tisch wiederfinden, an dem die Akteure sehr kämpferisch sein werden.

swissinfo-Interview: Pierre-François Besson, Hongkong

Die 6. Ministerkonferenz der Welthandels-Organisation (WTO) in Hongkong ist am Sonntag zu Ende gegangen.
Zwischen den Ministern der 150 anwesenden Länder wurde ein Kompromiss gefunden.
Hauptsächlich haben sich die Teilehmer darauf geeinigt, bis 2013 alle Exportsubventionen für Agrarprodukte abzuschaffen.

Die Schweiz verteidigt eine Ausweitung des Schutzes für die Herkunftsbezeichnung auf weitere Produkte als nur Wein und Spirituosen.

Sensible Produkte sind in diesem Bereich vor allem solche, auf denen Staaten ihre Zollrechte reduzieren dürfen (In der Schweiz: Fleisch, Früchte und Gemüse, Zucker, Milchprodukte).

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