Wirtschaftshimmel stark bewölkt oder aufgehellt?
Nach Ansicht der G-8-Staatschefs befindet sich die schwer angeschlagene Weltwirtschaft auf Erholungskurs. Für die Schweiz allerdings machen hiesige Ökonomen düstere Prognosen.
Viele sprechen von Stagnation.
In der Abschlusserklärung des Treffens zeigten sich die Staats- und Regierungschefs der G-8-Länder überzeugt, dass die schwache Weltkonjunktur noch in diesem Jahr wieder spürbar anzieht.
Optimistisch gaben sich auch die EU-Finanzminister an ihrer Sitzung vom Dienstag: Der Vorsitzende der Ministerrunde, der griechische Ressortchef Nikos Christodoulakis, sagte, ein Aufschwung im Euroland sei von der zweiten Jahreshälfte an wahrscheinlich. 2004 solle dann das Wachstum deutlich anziehen.
Für die Schweiz allerdings sind das vorerst nichts als schöne Worte. So rechnet der Internationale Währungsfonds für 2003 in der Schweiz mit einem Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent.
Schweizer Fachleute sind jedoch pessimistischer, die Schweizer Wirtschaft dümpelt weiter vor sich hin: Das Bruttoinlandprodukt (BIP) dürfte im ersten Quartal 2003 nach einer leichten Erholung wieder gesunken sein. Genaue Zahlen liefert das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) am Donnerstag.
Die von der Nachrichtenagentur sda befragten Ökonomen rechnen mit einem schwachen ersten Quartal und erstellen trübe Prognosen. «Die Tendenz ist derzeit eher rezessiv», sagt Janwillem Acket, Chefökonom der Bank Julius Bär.
Er geht davon aus, dass das BIP in den ersten drei Monaten 2003 gegenüber dem Vorquartal um 0,6 Prozent zurückgegangen ist. Im Vergleich zur Vorjahresperiode könne jedoch ein Plus von 0,4 Prozent resultieren. Für das gesamte Jahr deuten seine Berechnungen auf Stagnation hin.
Arbeitslosigkeit und Konsumflaute
Andreas Höfert, Chefökonom von UBS Warburg, weist zudem auf die schweizweit steigende Arbeitslosigkeit hin (3,9 Prozent im April gegenüber 2,8 Prozent im September). Er rechnet für das erste und das zweite Quartal 2003 mit einem rückläufigen BIP. Genaue Zahlen nannte er aber keine.
Die Angst vor weiterem grossflächigen Stellenabbau drückt auf die Konsumentenstimmung. Mit einem Anteil von 60 Prozent am BIP stellt der Konsum aber eine wichtige Stütze der Wirtschaft dar. Schon deshalb könnte das Wachstum im ersten Quartal leicht negativ gewesen sein, sagt Frederic Methlow, Leiter Makroanalyse Schweiz bei der Credit Suisse.
Zur Konsumflaute gesellten sich die geschwächte Exportwirtschaft und der Anlagesektor, von dem «nichts Grossartiges zu erwarten» sei. Für das ganze Jahr rechnet Methlow mit einem BIP-Wachstum von höchstens 0,5 Prozent. Einen leichten Aufschwung sieht er erst im nächsten Jahr.
Warten auf bessere Zeiten
Bernard Lambert von der Bank Pictet & Cie erwartet, dass das BIP im ersten Quartal 2003 zum Vorquartal um 0,2 Prozent zurückgegangen ist. Auch er spricht für das ganze Jahr von Stagnation.
Damit geht das Warten auf den Aufschwung, der ursprünglich für dieses Jahr prognostiziert worden war, weiter. Schon 2002 hatte das Schweizer BIP-Wachstum stagniert (+0,1 Prozent).
Rezession gestreift oder reingerutscht?
Im Vergleich zur Vorjahresperiode waren die zwei ersten Quartale 2002 negativ gewesen: Das BIP war um 0,7 und 0,4 Prozent gesunken. Damit steckte die Schweiz definitionsgemäss in einer Rezession. Die zwei letzten Quartale 2002 schnitten mit +0,6 und +0,8 Prozent etwas besser ab.
Da die Ökonomen kein Wirtschaftswachstum für die ersten drei Monate 2003 erwarten, sprechen manche bereits vom sogenannten «Double Dip»: Es folgt der zweite Taucher nach einer kurzen Phase des leichten Wirtschaftsaufschwungs.
swissinfo und Agenturen
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