WTO: Kopfzerbrechen über Landwirtschaft
Die 6. Ministerkonferenz der WTO hat am Dienstag in Hong Kong begonnen. Härtester Knackpunkt für die Schweiz: das Dossier Landwirtschaft.
Für die Schweizer Delegation, angeführt von Wirtschaftsminister Deiss, geht es darum, mit den andern 149 Staaten ein akzeptables Abkommen zur Liberalisierung des Welthandels zu erreichen.
Bis zum 18. Dezember beherbergt Hong Kong die Spitzen der Welthandels-Organisation WTO. Weiter 11’000 Teilnehmer, 6000 Delegierte, 3000 Journalisten und 2000 Vertreter der Nichtregierungs-Organisationen (NGO).
Tagungsziel: Nicht abweichen vom multilateralen Weg der Liberalisierung des Welthandels. Genauer: Eine Schlussvereinbarung zur Doha-Runde, in der zum Beispiel die Entwicklungsländer einen besseren Zugang zu den Agrarmärkten der Industrieländer fordern.
Diese Vereinbarung muss vor Mitte 2007 unter Dach und Fach sein. Ab diesem Datum tritt für die USA das so genannte Trade Promotion Authority-Abkommen in Kraft. Es erteilt dem amerikanischen Präsidenten eine Verhandlungsvollmacht bei Handelsabkommen. Der Kongress kann das Ergebnis dann nur komplett annehmen oder total ablehnen.
Eigentlich hätte die Doha-Runde Ende 2004 abgeschlossen sein sollen. Sie zielte auf eine Liberalisierung der Märkte zu Gunsten der Entwicklungsländer hin.
In der Schweiz und auch anderswo haben vor allem die NGO’s verlangt, dass zu den Zielen der Doha-Runde zurückgekehrt wird.
Als ein erstes positives Zeichen wurde gewertet, dass die WTO noch vor Hong Kong für bestimmte Entwicklungsländer eine vorläufige bevorzugte Einfuhr von Generika erlaubte.
Doch die Verhandlungen in Hong Kong werden sich vor allem auf dem Gebiet der Landwirtschaft auf dünnem Eis bewegen. Einer Landwirtschaft, die lediglich 10% des Welthandels ausmacht.
In allen Dossiers vorankommen
Einerseits wollen Länder wie Brasilien (einer der G20-Staaten, die 80% des Welthandels repräsentieren) oder Australien (Cairns-Gruppe) mehr Freihandel und bessern Zugang zu den Märkten.
Ihnen gegenüber steht die G10, die Gruppe der führenden Industrieländer, darunter auch die Schweiz.
Gerade die Schweiz will ihre kleinräumige Landwirtschaft in Hong Kong schützen. Ihr zugute kommt, dass die Staaten der EU der Position der Schweiz sehr nahe stehen, die USA demgegenüber auf eine weitere Liberalisierung der Landwirtschaft drängen.
So wies die Schweizer Landwirtschaft die Unterhändler in Hong Kong an, nicht unter das gegenwärtige Verhandlungsangebot zu gehen, das die einheimische Landwirtschaft um die 2 Mrd. Franken kosten wird.
Wirtschaftsminister Deiss versicherte, «wenn auch die Landwirtschaft im Zentrum der Diskussion steht, so ist sie doch nicht der einzige Verhandlungsgegenstand».
Deiss präzisiert und macht deutlich, dass ohne Fortschritte in den übrigen Dossiers (nichtlandwirtschaftliche Produkte, Dienstleistungen und Handelsregeln) sich die Schweiz im Dossier Landwirtschaft auch nicht bewegen werde.
Zusammenstösse befürchtet
Die wichtigste Dachverband der Schweizer Wirtschaft, economiesuisse, ruft die Schweizer Unterhändler auf, die «richtigen Prioritäten» für die Schweiz zu setzen: eine Liberalisierung im Sinne der Industrie.
Viele sehen die Dinge etwas anders und demonstrieren. Angesichts der Zusammenstösse bei den WTO-Treffen in Seattle (1999) und Cancun (2003) wiederholen die NGO, dass Gewalt kontraproduktiv sei.
Die chinesischen Behörden erwarten rund 10’000 Manifestanten und rechnen mit dem Schlimmsten. Bereits wurde Hunderten von Liberalisierungsgegnern, die als gewaltbereit eingestuft werden, der Aufenthalt in Hong Kong untersagt.
Unter ihnen Landwirte aus Südkorea, von denen sich bei früheren Gelegenheiten einige selbst angezündet haben.
swissinfo, Pierre-François Besson, Hong Kong
(Übertragung aus dem Französischen: Urs Maurer)
Die Landwirtschaft ist aus Schweizer Sicht das kniffligste Dossier der Doha-Runde.
Bei den übrigen Dossiers will die Schweiz eine offene Haltung einnehmen.
Beim WTO-Treffen geht es generell um eine weitere Liberalisierung des Welthandels: Zölle und milliardenschwere Subventionen sollen zugunsten der Entwicklungsländer gesenkt werden.
Die Welthandels-Organisation (WTO) legt seit 1995 verbindliche Regeln für den weltweiten Handel mit Waren und Dienstleistungen fest.
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