WTO-Treffen endet in der Sackgasse
Der Volkswirtschaftsminister der Schweiz, Joseph Deiss, bezeichnete den fehlenden Fortschritt beim Ministertreffen der Welthandels-Organisation als "frustrierend".
Den Ministern gelang es nicht, an der dreitätigen Sitzung in Genf einen Kompromiss im Agrarbereich zu finden. Ein globales Handelsabkommen scheint zu scheitern.
Eine Einigung über die Liberalisierung des Welthandels lässt weiter au sich warten. Das Ministertreffen bei der WTO in Genf endete am Samstag ohne Ergebnisse.
Der Handelskommissar der Europäischen Union, Peter Mandelson, warnte vor einem Scheitern der gesamten Doha-Runde, wenn nicht noch in diesem Sommer Fortschritte erzielt würden.
Der indische Handelsminister Kamal Nath erklärte die Gespräche indessen schon jetzt für gescheitert.
Streit um Prozente
Die Doha-Runde – benannt nach der Hauptstadt von Katar, wo sie vor fünf Jahren initiiert wurde – zielt auf einen weiteren Abbau protektionistischer Hürden im Welthandel ab.
Das bisherige Angebot der Europäischen Union sieht vor, die Einfuhrzölle auf landwirtschaftliche Produkte aus Nicht-EU-Staaten um durchschnittlich 39% zu reduzieren.
Eine von Indien und Brasilien angeführte Gruppe von 20 Entwicklungs- und Schwellenländern, genannt G-20, verlangt jedoch eine Absenkung der Importzölle um 54%.
In der Frage einer möglichen Annäherung an die Forderungen der Entwicklungsländer ist es auch innerhalb der EU zum Streit gekommen. Die WTO hat davor gewarnt, dass der Weltwirtschaft bei einem Scheitern der Verhandlungen Verluste in Milliardenhöhe entstünden.
Deiss enttäuscht
Der Schweizer Volkswirtschaftsminister Joseph Deiss begrüsste die Tatsache, dass am Samstagvormittag auf Einladung der EU ein Treffen von 21 Ländern zur weiteren Liberalisierung von Dienstleistungen stattfand, an dem erstmals Entwicklungsländer teilnahmen.
Deiss betonte, die Agrarprodukte importierenden Länder (G-10) hätten durch die Liberalisierung im Landwirtschaftsbereich Einbussen zu verzeichnen. Daher sei es wichtig, dass sie im Gegenzug bei den Industriegütern und Dienstleistungen etwas erhielten.
«Persönlich fühle ich mich etwas frustriert. Wir hatten uns auf Forschritte eingestellt, doch die Unbeweglichkeit der Grossen hat dies verhindert», sagte Deiss.
Schweizer Bauern dagegen
«Die Entwicklungen der WTO laufen in eine gefährliche Richtung, bei der einzig den grossen Agrarexporteuren Gehör geschenkt wird», kritisierte kürzlich Jacques Bourgeois, Direktor des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV).
Die Schweizer Bauern fürchten um die Existenz des Familienbetriebes. «Auch die Bauern wollen eine Einigung der WTO-Verhandlungen», so SBV-Präsident Hansjörg Walter. Allerdings seien klare und transparente Handelsregeln nötig, «welche in der Schweiz die Produktion von Nahrungsmitteln nicht verunmöglichen.»
Jedes Land habe ein Anrecht auf Ernährungs-Souveränität, heisst es dazu in einer von den Bauernverbänden gemeinsam verabschiedeten Erklärung.
Seit Jahren erfolglos
Die 2001 in Doha gestartete Handelsrunde ist seit Jahren festgefahren und hinkt dem Zeitplan mittlerweile zwei Jahre hinterher. In den Gesprächen in Genf sollten von den Regierungs-Vertretern wichtiger Handelsnationen erneut die Einigungschancen ausgelotet werden.
Bei der Welthandelsrunde geht es darum, dass Industriestaaten Entwicklungsländern den Verkauf von Agrarprodukten erleichtern und im Gegenzug bessere Konditionen für den Export von Industrieprodukten erhalten.
Umstritten sind vor allem die Subventionen der USA für Landwirte und die Agrar-Zölle der Europäischen Union.
Zurück zum Anfang
Die entwicklungspolitische Organisation «Erklärung von Bern» (EvB) verlangt einen Neuanfang der Welthandelsdiskussion. Die WTO-Verhandlungen der vergangenen Tage in Genf hätten mit der Doha-Entwicklungsrunde nichts mehr zu tun, schreibt die Organisation.
Im Urteil der EvB spiele die Schweiz eine klägliche Rolle und die Industrieländer und auch einige grosse Entwicklungsländer hätten ihren Blick bloss noch auf strikte Zollabbauformeln verengt.
swissinfo und Agenturen
Die 149 Mitgliedstaaten der Welthandels-Organisation (WTO) verhandeln über eine Liberalisierung des Welthandels im Rahmen der Doha-Runde von 2001.
Die Verhandlungen, die Anfang 2007 mit einem Abkommen abgeschlossen werden sollten, sind zur Zeit wegen Divergenzen im Agrarsektor blockiert.
Im vergangenen Dezember verständigten sich die Minister der WTO-Staaten auf die Aufhebung der Exportsubventionen für Agrarprodukte ab 2013.
Die Industriestaaten haben sich ausserdem dafür engagiert, 97% der aus armen Ländern kommenden Produkte von Steuern und Kontingentierungen zu befreien.
Die Schweiz nimmt im Agrardossier eine zurückhaltende Position ein, kämpft aber für eine Liberalisierung der Dienstleistungen und eine Senkung der Industriezölle.
Die Schweizer Bauern kämpfen gegen eine Liberalisierung im Agrarsektor. Sie fürchten, dass dadurch die Existenz ihrer Betriebe bedroht würde.
In den letzten 15 Jahren haben 30’000 Betriebe ihre Tätigkeit aufgegeben.
Heute arbeiten 120’000 Personen im Agrar-Bereich. In den 1960er-Jahren waren es noch 420’000.
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