Zinsbesteuerung: Banken sind vorbereitet
Mit dem Zinsbesteuerungs-Abkommen zwischen der Schweiz und der EU tritt am 1. Juli ein wichtiges und zäh verhandeltes Dossier der Bilateralen II in Kraft.
Es lässt das Schweizer Bankgeheimnis unangetastet. Wie viel Zinserträge in die EU fliessen werden, ist nicht klar.
«Zum ersten Mal in ihrer Geschichte wird die Schweiz für andere Staaten Steuergelder einziehen. Für die Banken ist das mit einem erheblichen Aufwand verbunden», sagt Thomas Sutter, Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung, gegenüber swissinfo.
In diesem Sinn stelle das Zinsbesteuerungs-Abkommen ein grosszügiges Angebot an die Europäische Union (EU) dar. «Die Banken mussten ihre IT-Systeme anpassen und ihre Kunden aus dem EU-Raum anschreiben», so Sutter.
Branchenvertreter schätzen den Aufwand der Banken im Vorfeld auf zwischen 100 und 300 Mio. Franken.
Dividenden und Firmen nicht betroffen
Die Kunden können ihre Schweizer Zinserträge in ihrem Steuerdomizil freiwillig deklarieren. Falls sie dies nicht ausdrücklich wünschen, behalten die Schweizer Finanzinstitute einen Steuerrückbehalt auf den Erträgen und liefern diesen an das entsprechende Land.
Der Rückbehalt beträgt zunächst 15% und wird bis ins Jahr 2011 auf 35% steigen. Der Ertrag geht zu 75% an die betroffenen EU-Länder. Der Rest wird auf die Eidgenossenschaft und die Kantone verteilt.
Unter die EU-Richtlinie fallen lediglich Zinsen (keine Dividenden), nur natürliche Personen (keine Firmen), nur neue Obligationen (Stichmonat: März 2001) und nur Zahlungen aus Partnerregionen, also beispielsweise nicht von Banken aus Singapur.
Schlupflöcher
Dazu kommt: Beim aktuell tiefen Zinsniveau mit Renditen von weniger als 3%, fällt der Steuerrückbehalt relativ bescheiden aus. «Wir können auch das Verhalten der Bankkunden nicht voraussagen», erklärt Veronique Humbert von der Eidgenössischen Steuerverwaltung. «Die Kunden können zudem ihr Konto nach Singapur verlegen.»
Weitere denkbare Schlupflöcher sind auch alte Obligationen, Aktien oder Fonds oder das Zwischenschalten von Firmenkonstrukten. Die Kosten für einen Geldtransfer sind in vielen Fällen jedoch höher als der Zinsabschlag von 15%. So weist etwa ein Vermögensverwalter darauf hin, dass die Kosten für alte Obligationen gestiegen seien.
Die aus dem Zinsbesteuerungs-Abkommen zu erwartende Summe will oder kann zurzeit niemand beziffern. Laut der Depotstatistik der Schweizerischen Nationalbank für das Jahr 2003 dürfte das Steuersubstrat – grosszügig geschätzt – jährlich zwischen 2 und 3 Mrd. betragen. Das ergäbe bei einem Steuersatz von 15% zwischen 300 und 450 Mio. Franken Steuerertrag.
EU wollte Bankgeheimnis aufheben
«Das Schweizer Bankkunden-Geheimnis bleibt absolut unangetastet, und das war ja unsere Hauptbedingung», betont Thomas Sutter. Nur bei Steuerbetrug (Fälschung von Dokumenten und Unterschriften) leistet die Schweiz Amtshilfe, was zu einer richterlichen Einsicht in Konten führen kann. Bei Steuerhinterziehung ist sie dazu nicht verpflichtet.
Dem Abkommen über die Zinsbesteuerung waren langjährige, teilweise zähe Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU vorausgegangen. Diese beharrte lange auf der Aufhebung des Bankgeheimnisses bei Steuerhinterziehung. Schliesslich konnte sich die Schweiz durchsetzten.
Im Dezember 2004 verabschiedete das Schweizer Parlament die Bilateralen II und damit auch das Zinsbesteuerungs-Abkommen.
swissinfo, Andreas Keiser
Das Zinsbesteuerungs-Abkommen tritt als drittes der neun bilateralen Abkommen II zwischen der Schweiz und der EU in Kraft.
Seit dem 30. März ist das Abkommen über die verarbeiteten Landwirtschafts-Produkte in Kraft.
Am 31. Mai folgte das Abkommen über die Ruhegehälter ehemaliger EU-Beamter in der Schweiz, das aber erst ab 2006 angewendet werden soll.
Auch die EU-Migliedstaaten Österreich, Luxemburg und Belgien führen an Stelle
des automatischen Informationsaustauschs einen Steuerrückbehalt ein. Auf diese Weise wahren die drei Staaten das Bankgeheimnis.
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