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Zölle kosten die Schweiz viel Geld

Zollformalitäten kosten vier mal mehr als Einnahmen resultieren Keystone

Die Zollschranken an der Grenze kosten die Schweizer Wirtschaft rund 3,8 Mrd. Franken pro Jahr. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Avenir Suisse.

Demnach würde das Schweizer Bruttoinlandprodukt um fast 1% steigen, wenn mit der EU eine Zollunion bestünde. Die Zollbehörde widerspricht den Aussagen.

Die Studie von Avenir Suisse, dem 1999 von 14 internationalen Schweizer Firmen ins Leben gerufene Schweizer “Think Tank”, sagt, dass die Zollschranken die Schweizer Wirtschaft jährlich 3,8 Mrd. Franken kosten.

Nur durch eine Zollunion mit der EU erhielten die Schweizer Unternehmer gleich lange Spiesse wie die europäische Konkurrenz, schreibt Avenir Suisse.

Wegen der Zollgrenzen würden die Exporte um 1,9% und die Importe gar um 2,3% verteuert, hiess es an einer Tagung von Avenir Suisse, an der die Studie veröffentlicht wurde.

Würden sämtliche Warenkontrollen wegfallen, würde das Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) um 0,85% ansteigen, sagten die beiden Wirtschafts-Professoren Ruedi Minsch und Peter Moser an der Tagung.

Die volkswirtschaftlichen Kosten der Grenze beliefen sich auf jährlich 3,8 Mr. Franken, so Minsch und Moser. Kostentreibende Faktoren seien Zollformalitäten, Wartezeiten, Ursprungslandregel sowie Fragen der Produktezulassung.

Teure Formalitäten

Allein die Kosten für die Zollabfertigung und die Mehrwertsteuer-Abrechnung an der Grenze machen rund die Hälfte der Mehrkosten für die Schweizer Unternehmen aus. Am stärksten würden dabei die kleinen Unternehmen belastet, heisst es in der Studie.

Deutlich verteuert würden Transportkosten zudem durch die Wartezeiten an den Grenzübergängen. Dass die Zollämter in der Nacht und an Sonn- und Feiertagen geschlossen sind, verunmögliche sogar gewisse Geschäftstätigkeiten ganz – wie etwa schnelle Ersatzteillieferungen aus der Schweiz heraus.

Weitere Kosten verursacht der Ursprungsnachweis: Um zollbefreit in die EU exportieren zu können, müssen Schweizer Unternehmen nachweisen, dass ein Produkt zu mindestens 50% in der Schweiz hergestellt ist. Und auch für die Zulassung ihrer Produkte in der EU haben die Schweizer Firmen zusätzliche Kosten zu tragen.

Cassis-de-Dijon-Prinzip einführen

Die Kosten der Grenze stünden in keinem Verhältnis zu den Einnahmen, heisst es in der Studie von Avenir Suisse. Jeder aus Zöllen eingenommene Franken verursache volkswirtschaftliche Kosten von vier Franken. Die Zollkosten seien auch ein Grund für das hohe Preisniveau in der Schweiz.

Eine vollständige Beseitigung der zollbedingten Mehrkosten im Vergleich zur Konkurrenz in der EU sei nur durch eine Zollunion mit der EU möglich, schreiben die Autoren. Eine Zollunion würde allerdings weit reichende wirtschaftspolitische Anpassungen der Schweiz voraussetzen.

Doch gerade der Wirtschaftsdachverband économiesuisse lehnt in seiner jüngsten europapolitischen Standortbestimmung eine solche Zollunion mit der EU ab.

Als weitere Option nennen die Autoren die einseitige Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips durch die Schweiz. Dadurch würden die Importe billiger, die Nachteile der Exportindustrie aber nicht beseitigt. Die Kosten der Grenze könnten auch durch weitere bilaterale Verträge mit der EU gesenkt werden.

Zollverwaltung widerspricht

Die Eidgenössische Zollverwaltung kritisierte die Studie als einseitig. Die Autoren fokussierten fast ausschliesslich auf die Kosten von Import- und Exportfirmen und vernachlässigten die Vorteile.

So profitiere die Schweiz beim Import aus Drittländern von tieferen Zöllen als in der EU. Die sicherheitspolizeilichen Aufgaben des Grenzwachtkorps und der volkswirtschaftliche Nutzen aus dem Sicherheitsgewinn blieben in der Studie ausgeblendet.

Die Gesamteinnahmen des Zolls beliefen sich auf 20 Mrd. Franken jährlich, 20 Mal mehr als in der Studie behauptet, schreibt die Zollverwaltung.

Zudem würden mit der Zollabwicklung auch weitere gesetzliche Bestimmungen vollzogen, so die Zollverwaltung: Etwa die Erhebung der Mehrwertsteuer und weiterer Abgaben.

swissinfo und Agenturen

Avenir Suisse wurde 1999 von 14 internationalen Schweizer Firmen, darunter UBS, Credit Suisse, Nestlé und Novartis, gegründet.

Als Modell dienten die angelsächsischen “Think Tanks”

Avenir Suisse will – nach eigenen Angaben – frühzeitig relevante Themen definieren, aber auch Lösungsvorschläge und Denkanstösse aufzeigen.

So beauftragt Avenir Suisse wissenschaftliche Institute und Fachleute im In- und Ausland mit Analysen oder organisiert Tagungen, Debatten und Foren aller Art.

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