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Zu grosse Interessenkonflikte in der Weko

Walter Stoffel, Präsident der Wettbewerbskommission (Weko). Keystone

Nach anhaltender Kritik an der Wettbewerbs-Kommission (Weko) über zu enge Verbindungen ihrer Mitglieder zu Wirtschaftskreisen steigt der Druck für eine Umbesetzung.

Weko-Präsident Walter Stoffel räumt gegenüber swissinfo ein, dass die Kommission Glaubwürdigkeitsprobleme habe. Doch es gebe strikte Regeln, um potentielle Interessenkonflikte zu vermeiden.

Kritik an der Zusammensetzung der Weko gibt es schon seit langem. Aber erst dieses Jahr hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) das Problem genauer unter die Lupe genommen.

In einem im April veröffentlichten Bericht schreibt die OECD, dass einige der so genannten unabhängigen Mitglieder in den Verwaltungsräten von mehreren Unternehmen sitzen würden.

«Angesichts der Tatsache, dass zahlreiche Mitglieder Interessengruppen vertreten und sogar Unternehmensleiter Mitglieder sein können, ist es für die Weko schwierig, bei ihren Entscheiden volle Unabhängigkeit zu garantieren», schreibt die OECD.

7 der 15 Mitglieder der Weko – alle vom Bundesrat ernannt – sitzen in Verwaltungsräten oder vertreten Interessengruppen aus Handel und Industrie.

So sitzt etwa Klaus Hug bei mehr als 12 Unternehmen im Verwaltungsrat, darunter eine Kasino-Gruppe und die Fernmelde-Gesellschaft Cablecom. Auch beim Schweizer Wirtschaftsverband economiesuisse ist er in leitender Funktion.

Reformen sind nötig

Der OECD-Bericht veranlasste im Mai eine Gruppe von Parlamentariern, vom Bundesrat eine Restrukturierung der Kommission zu fordern. Doch die Antwort im vergangenen Monat fiel vage aus.

Der Bundesrat sagte, dass jede Reform der Zusammensetzung der Weko eine Änderung im Kartell-Gesetz voraussetze. Dieses wurde 2003 revidiert.

Einzelne Bundesräte betonten, dass das Gesetz kürzlich geprüft wurde und dass dies zur Bildung einer Arbeitsgruppe führen könnte, die die Möglichkeit einer Restrukturierung der Weko untersuche. Ein Zeitrahmen wurde nicht gesetzt.

Alexander Baumann, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) hatte das Thema im Parlament aufgebracht. Dies scheine zumindest ein Beginn zu sein, das Problem der Interessen-Klubs anzugehen, sagte er gegenüber swissinfo.

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Weko

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Wettbewerbskommission (Weko) ist dafür zuständig, dass die Schweizer Wettbewerbsregeln nicht missbraucht werden, beispielsweise von Kartellen. Sie wird von einem ständigen Sekretariat in Bern unterstützt, das verdächtige Kartelle prüft und Untersuchungen für die Kommission vornimmt. Die Weko besteht aus 15 vom Bundesrat (Landesregierung) ernannten Mitgliedern. Ihre Aktivitäten sind in drei Kammern aufgeteilt: Produktemärkte, Dienstleistungen und…

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«Nicht genug»

Laut Kartell-Gesetz müssen die Weko-Mitglieder in den Ausstand treten, wenn sie sich in einem Interessenkonflikt befinden. Neu müssen die Mitglieder ihre Interessenverflechtungen in einem besonderen Register vermerken.

Doch das genüge nicht, meint Christian Bovet, Vizepräsident der Eidgenössischen Kommunikationskommission (ComCom).

«Es gab mehrmals echte Probleme, wenn unabhängige Mitglieder sich zurückziehen mussten, weil sie im Verwaltungsrat einer Bank oder eines Handelsunternehmens sassen», sagt Bovet, Experte für das Wettbewerbsgesetz.

«Ich möchte betonen, dass mehrere Mitglieder inzwischen völlig unabhängig sind», fährt Bovet fort. «Es geschieht ein Wandel, der die Empfehlungen der OECD einbezieht. Aber es gibt immer noch zu viele Mitglieder, deren Gehalt zumindest teilweise von der Wirtschaft bezahlt wird.»

Die Antwort des Bundesrats im vergangenen Monat sei nicht «völlig zufriedenstellend» ausgefallen, so Bovet. Immerhin habe er während der Beratungen über das Kartell-Gesetz 2003 vorgeschlagen, die Weko auf sieben Mitglieder zu verkleinern und Vertreter von Interessengruppen auszuschliessen.

Fragezeichen

Weko-Präsident Walter Stoffel räumt ein, dass die Zusammensetzung der Kommission in der Öffentlichkeit Fragen aufgeworfen habe, die geprüft werden müssten.

Er betont aber, dass diese die tägliche Arbeit der Kommission nicht beeinträchtigt hätten, da es strikte Regeln für Interessenkonflikte gebe.

«Ich glaube, unser Hauptproblem ist das der Glaubwürdigkeit in der Schweiz, und zwar nicht bei der Wirtschaft, sondern bei einer grösseren Öffentlichkeit, auch im Ausland. Das geht klar aus dem OECD-Bericht hervor», sagt Stoffel.

«Zusammen mit der fälligen Verfahrensreform sollte die ganze Frage vom Gesetzgeber überarbeitet werden.»

swissinfo, Adam Beaumont, Genf
(Übersetzung aus dem Englischen: Susanne Schanda)

Die Wettbewerbskommission (Weko) besteht aus 15 Mitgliedern, die vom Bundesrat gewählt werden.

Drei Mitglieder bilden die Präsidentschaft. Das eidgenössische Kartell-Gesetz verlangt, dass die Mehrheit der Mitglieder der Weko unabhängige Experten sind – normalerweise Rechts- und Wirtschaftsexperten.

Die übrigen Mitglieder sind Vertreter von Wirtschafts- und Konsumentenverbänden.

Die Weko hat ein Vollzeit-Sekretariat, welches verdächtige Kartelle unter die Lupe nimmt und Entscheide für die Kommission vorbereitet.

1. Roger Zäch: Verwaltungsrat in fünf Firmen, darunter Denner, die Nummer drei der Schweizer Grossverteiler.
2. Rudolf Horber: leitendes Kommissionsmitglied des Verbands der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).
3. Klaus Hug: Verwaltungsrat in über 12 Firmen und Organisationen, darunter eine Kasino-Gruppe, Cablecom und im Vorstand des Wirtschaftsverbands economiesuisse.
4. Martial Pasquier: Verwaltungsrat in zwei Firmen und Kommissionmitglied im Schweizerischen Werbeverband.
5. Daniel Lampart: Verwaltungsrat eines Zürcher Verlagshauses.
6. Jürg Niklaus: Verwaltungsrat eines Unternehmens und Anwalt für den Schweizer Bauernverband.
7. Thomas Pletscher: Mitglied der Geschäftsleitung des Wirtschaftsverbands economiesuisse.

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