Zwei Schmähpreise für Roche
Der Schweizer Pharmagigant Roche hat beim "public eye award" in Davos zwei Schmähpreise erhalten. Die Organisatoren werfen Roche vor, Studien mit Menschen zu machen, denen ein Organ unbekannter Herkunft transplantiert wurde.
Während am «World Economic Forum» Wirtschaftsführer und Staatsmänner Diskussionen über Grundwerte führen, werden ihre Handlungen von Nichtregierungsorganisationen kritisch durchleuchtet. Die so genannten Schmähpreise, die «public eye awards», werden jedes Jahr von der Erklärung von Bern (EvB) in Davos verliehen, zum zweiten Mal beteiligt sich auch Greenpeace an der Verleihung.
Die Pharmafirma Roche hat den Schmähpreis gleich doppelt erhalten: Einerseits wurde sie durch die Jury als Gewinnerin des «public eye swiss award» bestimmt, andererseits hat sie auch bei den über 20’000 Abstimmenden via Internet den schlechtesten Eindruck hinterlassen.
Schon auf dem Markt
Roche führt in China seit 2008 zwei klinische Studien an mehreren Kliniken zu dem Medikament CellCept durch. CellCept wird bei Organtransplantationen zur Unterdrückung der Abstossungsreaktion verwendet. «Das Medikament ist bereits seit Jahren auf dem Markt, es stellt sich die Frage, warum es nun noch an Chinesen getestet werden muss», sagt Arne Schwarz gegenüber swissinfo.ch.
Schwarz hat den «Fall Roche» für die EvB recherchiert. Er vermutet, dass der Konzern diese Studien vor allem aus Marketinggründen durchführt. So werde das Produkt bei den chinesischen Transplantationsspezialisten bekannter.
Das Medikament ist in China bereits auf dem Markt zugelassen und wird den Menschen dort laut der EvB in gleichen Dosen verabreicht wie Nicht-Chinesen.
Organe von exekutierten Häftlingen
Als skandalös empfinden die Jury und die Internetabstimmenden, «dass die Firma keine Angaben darüber machen kann, woher die verwendeten Organe stammen», wie Schwarz ausführt.
Die chinesischen Behörden haben gemäss EvB zugegeben, dass mehr als 90% der transplantierten Organe in China von exekutierten Häftlingen stammen. China ist das Land, das die Todesstrafe weltweit am häufigsten vollstreckt.
Ausschliessen könne Roche nicht, dass auch die Organe, mit denen die Studien gemacht werden, von zum Tode verurteilten Häftlingen stammen, sagte Julia Jentsch, die deutsche Schauspielerin, die die Verleihung der «public eye awards» moderierte.
Dies widerspreche nicht nur ethischen Prinzipen, meint die EvB, sondern auch den internationalen Richtlinien, wie etwa denen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Internationale Richtlinien
Die WHO-Leitlinien sehen vor, dass die Herkunft eines Organs rückverfolgbar sein muss. Die Transplantation Society, eine internationale Organisation, die sich mit der Regelung von Organtransplantationen befasst, spricht sich gegen die Organentnahme von Häftlingen aus, da die Gefangenen keine wirklich freie Entscheidung treffen können.
Er sei auf einer Reise in China eher per Zufall auf den Sachverhalt gestossen, dass in China Organe von Häftlingen transplantiert würden, erzählt Schwarz, der evangelische Theologie studiert hat. Danach habe er begonnen, weiter nachzuforschen und sei auf den Zusammenhang mit den Studien gestossen. Dass in China Organe von Häftlingen verpflanzt werden, wurde von NGOs schon 2006 thematisiert.
Preis wurde nicht abgeholt
Von der Firma Roche war niemand anwesend, um den Schmähpreis entgegen zu nehmen. Als Antwort auf die Nominierung für den Preis habe das Basler Unternehmen festgehalten, es sei nicht für die Herkunft der Organe verantwortlich und es sei sein Recht, darüber nicht Bescheid zu wissen. Es respektiere die chinesischen Gesetzesvorschriften.
Der Schweizer Komiker Patrick Frei, der neben dem Rapper Greis und dem Sänger und Schauspieler Carlos Leal die Preisverleihung mitgestaltete, liess es sich nicht nehmen, als fiktiver Roche-Lobbyist seine Kommentare zum vorliegenden Fall abzugeben.
Mit der Auszeichnung von Roche wolle die EvB daran erinnern, dass multilaterale Konzerne auch in Entwicklungs- und Schwellenländern Verantwortung übernehmen müssten, meinte Oliver Classen von der EvB abschliessend. Die Missachtung von Menschenrechten zugunsten kommerzieller Interessen sei schlicht inakzeptabel.
Eveline Kobler, swissinfo.ch, Davos
Träger des «public eye global award» ist die nichtstaatliche Royal Bank of Canada. Sie wurde von der Jury ausgewählt, weil sie 20 Milliarden US-Dollars, mehr als jede andere Bank, in Unternehmen investiert, die in der kanadischen Provinz Alberta Rohöl aus Teersand fördern. Im Gewinnungsprozess wird auf einer Fläche, die so gross ist wie England, ökologischer Kahlschlag betrieben. Starke Luft- und Wasserverschmutzungen belasten vor die hauptsächlich indigene Bevölkerung und haben laut EvB zu einem deutlichen Anstig der Krebsrate geführt.
Den neu geschaffenen «Greenwash Award» hat die Fachjury dem im Rahmen des Global Compact lancierten UNO-Wassermandates verliehen. Die von Wasser als primäre Ressource finanziell profitierenden Konzerne wie Nestle, Coca Cola oder Dow Chemical gäben vor, in diesem Klub gemeinsam mit UNO-Organisationen und Hilfswerken die Wasserkrise zu bekämpfen. Stattdessen betrieben sie unter dem UN-Signet ihre Politik der Wasserprivatisierung systematisch weiter, ohne Berücksichtigung existierender, verbindlicher Öko- und Sozialstandards, schreibt die EvB.
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