Freisprüche für alle Swissair-Verantwortlichen
Das Bezirksgericht Bülach hat 19 ehemalige Swissair-Verantwortliche frei gesprochen. Sie waren angeklagt, die Pleite der Swissair durch strafbare Handlungen verursacht zu haben.
Zu den vollumfänglichen Freisprüchen wurden den Angeklagten Entschädigungen in der Gesamthöhe von rund 3 Millionen Franken zugesprochen.
Die Anklageschrift der Staatswanwaltschaft im Swissair-Prozess hat vor dem Gericht nicht stand gehalten. Deshalb sind in Bülach alle Angeklagten freigesprochen worden. Punkt für Punkt begründete das Gericht das Urteil.
Nicht Gründe für den Untergang der Swissair oder die Zuweisung von Schuld daran hatte das Gericht zu beurteilen, sondern ausschliesslich die in der Anklageschrift aufgeführten Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft. Diese erachtete das Gericht als nicht gegeben oder durch die Staatsanwaltschaft nicht bewiesen.
Die Staatsanwaltschaft hatte für Corti als einzigen Angeklagten eine unbedingte Gefängnisstrafe von sechs Monaten gefordert. Das Bezirksgericht Bülach sprach den letzten Chef der Swissair aber vollumfänglich von der Anklage auf Gläubigerschädigung, mehrfache ungetreue Geschäftsbesorgung und Misswirtschaft frei. Corti, der bei der Urteilseröffnung abwesend war, erhält eine Entschädigung von rund einer halben Million Franken.
Das Gericht sprach auch den für die verhängnisvolle Hunter-Strategie verantwortlichen ehemaligen Konzernchef Philippe Bruggisser sowie die beiden ehemaligen Finanzchefs Georges Schorderet und Jacqualyn Fouse vollumfänglich frei.
Bruggisser erhält eine Entschädigung von rund 80’000 Franken, Fouse rund 230’000 Franken.
Verwaltungsräte: Nichtschuldig und Entschädigungen
Nicht schuldig lautete das Verdikt auch im Falle des ehemaligen SAirGroup-Verwaltungsratspräsidenten und Konzernchefs Eric Honegger, auch zum Nebenvorwurf des Steuerbetrugs. Der frühere Zürcher FDP-Regierungsrat erhält eine Entschädigung in der Höhe von rund 100’000 Franken.
Auch die früheren Verwaltungsräte Thomas Schmidheiny, Vreni Spoerry, Lukas Mühlemann, Andres Leuenberger, Benedict Hentsch, Antoine Hoefliger, Gaudenz Staehelin und Gerhardt Fischer wurden vom Gericht vollumfänglich freigesprochen. Sie erhalten Entschädigungen zwischen 150’000 und 230’000 Franken.
Rekurs?
Die Zürcher Staatsanwaltschaft – für sie sind die Freisprüchen eine Niederlage auf der ganzen Linie – hat noch nicht über einen allfälligen Weiterzug der Urteile entschieden. Dies sagte Staatsanwalt Christian Weber am Donnerstagnachmittag.
Er werde das schriftliche Urteile zunächst genau analysieren. Erst dann will Weber über den Weiterzug ans Zürcher Obergericht entscheiden. Befriedigt zeigte er sich über die Aussage des Gerichts, dass zu Recht Anklage erhoben worden sei. Für einige Anklagepunkte sieht er gute Chancen bei der nächsten Instanz.
Allgemeine Erleichterung
Nach dem Urteil im Swissair-Strafprozess haben die allesamt freigesprochenen Angeklagten mit zurückhaltender, aber spürbarer Erleichterung reagiert. «Das Gericht liess sich von niemandem unter Druck setzen, sondern hat in Würdigung aller Umstände entschieden», kommentierte Corti aus den USA seinen Freispruch.
Ex-Verwaltungsrätin Vreni Spoerry erklärte gegenüber Journalisten vor dem Bezirksgericht in Bülach ZH: «Ich bin erleichtert und erfreut, dass wir so klar freigesprochen wurden. Von mir aus gesehen musste es so herauskommen.»
Die Richter hätten bestätigt, dass der Verwaltungsrat «nie, nie» mit böswilliger oder krimineller Absicht, sondern mit bestem Wissen und Gewissen im Interesse des Swissair-Konzerns gehandelt habe.
Nicht überrascht
«Ich habe immer gesagt, dass die Anklage unbegründet sei», sagte seinerseits Bénédict Hentsch. Für den Bankier und ehemaligen Swissair-Verwaltungsrat sind die Freisprüche «keine Überraschung».
Auch der ehemalige Swissair-Verwaltungsrat Thomas Schmidheiny zeigte sich «froh darüber, dass das Gericht zur Erkenntnis kam, dass ich keine strafbare Handlungen begangen habe».
«Mit Befriedigung» hat auch Eric Honegger, der 2001 kurzzeitig Konzernchef war, vom Freispruch Kenntnis genommen. «Für mich ist der Fall aber noch lange nicht abgeschlossen», sagte er. Vielmehr werde ihn die Sache noch bis an sein Lebensende verfolgen.
swissinfo und Agenturen
Der Zusammenbruch der Swissair ist die grösste Pleite in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte und eine der grössten auch auf europäischem Niveau.
Die Bemühungen, die Flug-Gesellschaft zu retten, verschlangen rund 4 Mrd. Franken – private und öffentliche Mittel. Daraus resultierte die Gründung der Nachfolge-Gesellschaft Swiss.
Rund 9000 Arbeitsplätze gingen wegen des Konkurses verloren. Ein Teil der ehemaligen Swissair-Angestellten wurd von der Swiss übernommen.
In der Liquidationsphase haben über 13’000 Gläubiger Entschädigungen von fast 49 Mrd. Fr. gefordert. Der Liquidator hat Forderungen von 9,7 Mrd. Fr. zugelassen. Nur 1,6 Mrd. Fr. standen zur Deckung zur Verfügung.
Alle 19 in Bülach vor Gericht gestandenen Ex-Verantwortlichen der zusammengebrochenen Fluggesellschaft sind freigesprochen worden.
Mario Corti wurde ausserdem eine Entschädigung von 488’000 Franken zugesprochen.
Jacquelin Fouse: 230’000 Franken.
Lukas Mühlemann: 196’000 Franken.
Bénédict Hentsch: 192’000 Franken.
Vreni Spoerry: 187’829 Franken.
Eric Honegger: 99’000 Franken.
Philippe Bruggisser 80’000 Franken (Er muss sich aber an den Prozesskosten beteiligen).
Jan Litwinski: 32’256 Franken.
Andreas Simmen: 18’000 Franken.
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