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Galápagos-Inseln: Das Ende eines Paradieses?

Am Tag fliegen die Albatrosse über 1000 km bis zur peruanischen Küste. Nachts lassen sie sich von der Humboldtströmung auf die Inseln zurücktragen. VFGIS

Während auf der berühmten Inselgruppe die Bevölkerung, der Tourismus und die industrielle Fischerei zunehmen, vermindert sich die Vielfalt einheimischer Tierarten besorgniserregend.

In der Schweiz schwimmt der Verein Freunde der Galápagos-Inseln (ASAIG) gegen den Strom, um die Artenvielfalt zu retten, die Charles Darwins Evolutionstheorie inspirierte.

Eine Sisyphus-Arbeit? ASAIG-Präsident Hendrik Hoeck, vermeidet eine direkte Antwort. Als Meeresbiologe und ehemaliger Direktor der Forschungsstation Charles Darwin in Puerto Ayora (Hauptort der Insel Santa Cruz) konnte er den langsamen Niedergang des zweitgrössten Meeresreservats der Welt aus der Nähe beobachten.

Um nur ein Beispiel zu nennen: In den 70er-Jahren gab es 40’000 Seelöwen, heute sind es noch knapp 6000. «Tierarten, die auf Meeresressourcen angewiesen sind, vermindern sich», stellt Hoeck fest.

Eine der Ursachen ist für ihn klar: «In den vergangenen zehn Jahren hat die Bevölkerung von 15’000 auf 50’000 zugenommen, offiziell allerdings nur auf 25’000. Die Mehrheit wohnt in der Tourismus-Enklave der Insel Santa Cruz. Anfänglich waren 97% der Inseloberflächen Nationalpark und nur 3% für Siedlungen bestimmt.»

Doch vor zwei Jahren beschloss die Regierung, 70 Hektaren des Parks für das neue Siedlungsprojekt «El Mirador» freizugeben, weil in Puerto Ayora kein Bauland mehr zur Verfügung stand, berichtet Hoeck gegenüber swissinfo.ch weiter.

Die Bevölkerung nimmt rasant zu, da Ecuadorianer vom Festland auf den Inseln nach neuen Arbeitsmöglichkeiten suchen. Mit 170’000 Touristen pro Jahr sind die Galápagos-Inseln das wichtigste Tourismusziel des Landes. Doch Touristen schleppen auch Pflanzen, exotische Tiere, Krankheiten und Abfall ein, die einheimische Tierarten bedrohen.

«Eingeschleuste Ratten und Hunde bedrohen zwei Vogelarten, den Mangroven-Fink und die Spottdrossel der Insel Floreana, die für die Evolutionstheorie ausschlaggebend waren», erklärt Hoeck.

Tölpel und Leguane finanzieren den Staat

Laut dem Biologen bringt der Tourismus auf den Galápagos-Inseln dem Staat jährlich 500 Millionen Dollar ein, doch weniger als die Hälfte wird dort reinvestiert. Das heisst, dass jede Meerechse oder jeder Blaufusstölpel die Wirtschaft Ecuadors mitfinanziert.

«Tourismus ist nicht an sich schlecht», meint Hoeck , «aber er muss kontrolliert werden und über die entsprechende Infrastruktur und qualifiziertes Personal verfügen.»

Industrielle Fischerei und Kokainhandel im Naturreservat

Für Hoeck ist die industrielle Fischerei die grösste Gefahr: «Sie fängt alle Tierarten, denn die Schiffe arbeiten mit bis zu 60 km langen Fangnetzen. Es ist eine wahre Katastrophe.»

Hier übt der Biologe auch Kritik an der EU: «Richtlinien, Einschränkungen und Fangverbote hatten zur Folge, dass die spanische Fischereiflotte, die grösste Europas, sich in den Pazifik verlagert hat und dank zweifelhafter Abkommen nun dort unter ecuadorianischer Flagge fischt.»

Zudem sei es ein offenes Geheimnis, dass innerhalb der 130’000 km2 grossen Meeresreservate industrieller Fischfang betrieben werde. «Wie soll man mit kleinen Booten und mit Behörden, welche die Augen zudrücken oder Bewilligungen erteilen, ein so grosses Gebiet kontrollieren können», fragt er sich.

Hoeck kreidet weiter an, dass das Naturreservat dank Korruption nun auch ein Durchgangsort für Drogenschmuggel sei: «Für Mexiko und die USA bestimmtes Kokain wird auch über die Galápagos-Inseln ausgeführt. Schiffe, die auf Haifischfang gehen, um nur deren Flossen zu verwerten, beteiligen sich an diesem Handel. Man hat schon zwischen Haiflossen versteckte Kokainpakete gefunden.»

Gefahrenreiche Reise der Albatros

Für Hoeck waren alle Erklärungen zum Internationalen Jahr der Biodiversität (2010) nur leere Worte. «Doch wir müssen weiter kämpfen», betont Hoeck.

Eine Möglichkeit für den Schutz der Inseln in ihrem jetzigen und bereits prekären Zustand ist für ihn, auch in der Schweiz Bewusstsein für deren kulturellen und wissenschaftlichen Wert zu schaffen. Zu diesem Zweck wurde der ASAIG gegründet, der auf den Inseln auch Projekte finanziert.

«Im vergangenen Jahr haben wir verschiedenen Tierarten GPS eingesetzt. So konnten wir etwa beobachten, dass die Albatrosse auf der Insel Española nisten und tagsüber zur Futteraufnahme mehr als 1000 km an die peruanische Küste fliegen. Nachts lassen sie sich vom Humboldtstrom auf die Insel zurücktragen», erläutert Hoeck mit kaum verhaltenem Stolz über diese Entdeckung.

Doch die nächtliche Reise ist voller Gefahren: Die Albatrosse geraten in die Fangnetze der Industrieschiffe oder werden von peruanischen Fischern getötet und als Delikatessen verspeist. Dies führt zu hohen Sterblichkeitsraten und lässt Küken als hungernde Waisen zurück. Die Vogelart ist sehr gefährdet, da sie pro Jahr nur einen Nachkommen hat.

Sehenswürdigkeit im Zürcher Zoo

Auch den Riesenschildkröten wurden Satellitensender eingepflanzt. «Auf der Insel Santa Cruz begleiten sie das Schildkrötenpaar Nigrita und Jumbo und im zoologischen Garten von Zürich ihre Namensvettern. Der Zürcher Zoo ist der einzige Europas, wo bisher die Fortpflanzung dieser Tiere in Gefangenschaft gelungen ist», erzählt Hoeck.

Für den kommenden April kündigt er eine neue Sehenswürdigkeit an: «Mit einem Link und einem im ‹Haus der Schildkröten› installierten Monitor können die 2 Millionen jährlichen Besucher in Zürich Nigrita und Jumbo auf Santa Cruz und ihre Zürcher Namensvettern live sehen. Mit den neuen Kommunikationstechniken können wir dieses Wunder irgendwo auf der Welt betrachten und Bewusstsein schaffen, damit sie auch für kommende Generationen erhalten bleiben.»

Die Inselgruppe befindet sich 1000 km westlich des ecuadorianischen Festlandes.

Sie wurde 1535 vom spanischen Bischof Tomás de Berlanga entdeckt.

100 Jahre später wurde sie von Seeräubern als Versteck und von Walfängern und Fischern zum Ankern benutzt.

300 Jahre später erlangte die Inselgruppe Berühmtheit, als Charles Darwin nach einem 5-wöchigen Aufenthalt seine Beobachtungen in der Evolutionstheorie niederschrieb.

Nachdem die UNESCO den prekären Zustand einheimischer Tierarten festgestellt hatte, wurde 1959 die Stiftung Charles Darwin gegründet. Sie unterhält auf der Insel Santa Cruz eine Forschungsstation.

Im gleichen Jahr erkannte Ecuador den ausserordentlichen Wert der Inseln und bestimmte 97 % der Oberfläche (8000 km2) für ein Naturreservat.

1979 erklärte die UNESCO die Galápagos-Inseln zum Welt-Naturerbe.

1999 wurden 130’000 km2 Küstengewässer zum Meeresreservat erklärt, dem zweitgrössten der Welt.

Mit Sitz im Zoologischen Garten in Zürich wurde der Verein Freunde der Galápagos-Inseln Schweiz (VFGIS) 1994 gegründet.

Zu den 1417 Mitgliedern gehören Wissenschafter und Leute, welche die Inseln besucht haben.

Die Vereinigung ist Teil eines weltweiten Netzes von Organisationen mit dem Ziel, das zerbrechliche und bedrohte Ökosystem der Inseln zu schützen.

Bisher wurden Projekte für 1,245 Mio. Franken finanziert.

(Übertragung aus dem Spanischen: Regula Ochsenbein)

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