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Gerede um König Fahd

König Fahd bei seiner Ankunft am Flughafen Genf. Keystone Archive

Seit der saudische König und seine Entourage in Genf das Sommerquartier aufgeschlagen haben, klingeln die Kassen. Doch die Dollars haben auch ihre Kehrseite.

Wo und wann sind die Grenzen von Wünschen erreicht? Dies ist die Millionenfrage, die sich in Genf zurzeit stellt. Denn die Diplomatenstadt am Léman ist seit Mai Sommerresidenz von König Fahd und seinem Gefolge – eingeflogen mit mehreren Jumbojets aus Saudi-Arabien.

Die Frage ist Klatsch- und Tratschthema und wird je länger je öffentlicher, weil es im Sommer die Spalten der lokalen Presse zu füllen gilt. So publizierte am Mittwoch die «Tribune de Genève», dass der Monarch sich im Genfer Unispital am Auge operieren lassen könnte.

Ein halbes Spital belegen?

Dies bringt seit einiger Zeit die Belegschaft des Spitals in Aufruhr. Vor allem die zahlreichen Forderungen des Königs und seiner Gefolgschaft sorgen für Unruhe und entlocken dem Kommentator der Genfer Zeitung die Frage: «Wozu dient ein öffentliches Spital?»

Albert Nahory, Vertreter des Schweizerischen Verbands des Personals öffentlicher Dienste (vpod) im Genfer Kantonsspital, vertritt die Meinung, dass König Fahd wie alle anderen Menschen die Regeln zu befolgen habe und nicht mit ganzen Einrichtungen aufzumarschieren habe.

«Dass sich Leute aus der ganzen Schweiz, ja gar aus dem Ausland, hier behandeln lassen wollen, ist gut. Aber wir sollten nicht erlauben, dass jede Person die Art und Weise ihrer Behandlung auswählt. Es sollte keinen Präzedenzfall geben», erklärt Nahory gegenüber swissinfo.

Das Spital sei zwar eine öffentliche Einrichtung, gibt Olivier Jornot, Präsident der Liberalen in Genf, zu. «Doch es hat einen privaten Flügel und dort sind stehen Zimmer für jene zur Verfügung, die dafür bezahlen. Deshalb geht es nicht darum, dass der König Räume beschlagnahmt.» Vielleicht wäre etwas mehr Takt und Sensibilität besser gewesen, fügt Jornot hinzu.

Genf ist sich viel gewohnt

Von Behördenseite werden die Vorwürfe relativiert. Pierre-François Unger, Verantwortlicher für das Gesundheitswesen: «Wegen seiner internationalen Bedeutung ist sich Genf solche Situationen gewohnt.»

Trotzdem ist diese Episode willkommenes Klatschfutter. Vor allem, weil es nicht die einzige aussergewöhnliche Episode ist. So wurde Ende Mai mitten in der Nacht die Buchhandlung FNAC geöffnet – auf Wunsch eines Mitglieds der königlichen Familie.

Geld versus Gesetz

Dies mag in Saudi-Arabien «courant normal» sein, nicht jedoch in der Schweiz. Weil dadurch das Ladenöffnungsgesetz verletzt wurde, verlangen Gewerkschafter eine Untersuchung. Verantwortlich dafür wäre der Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Genf, Carlo Lamprecht.

Keine angenehme Situation für ihn, wie er im Wochenmagazin «L’Hebdo» zugibt. «Wenn Fahd in Genf seine Einkäufe tätigt, kann ich mich nur freuen. Wenn mir aber so was zu Ohren kommt, bin ich verpflichtet, eine Untersuchung zu eröffnen.»

Für Unternehmer ist es in den Zeiten wirtschaftlicher Stagnation schwierig, den Wünschen der potenten Kundschaft zu widerstehen. Resultat: Die 5-Sterne-Hotel sind komplett ausgebucht und die Luxusboutiquen boomen.

Täglich Millionen von Franken

Noch ist es schwierig, den – sicher hohen – wirtschaftlichen Gewinn zu beziffern. Geschätzt wird der Umsatz auf zusätzlich zwei Millionen Franken täglich. Die Tourismusbranche reibt sich die Hände und sieht zudem die Präsenz von König Fahd als willkommene Werbung für Genf.

Kommt dazu, dass der Zustrom der Touristen aus dem Nahen Osten nicht zu übersehen ist. Täglich fahren 300 Limousinen durch die Strassen Genfs, parken oft doppelreihig vor gewissen Geschäften.

Einige Einheimische zögern deshalb nicht, über diese Gäste herzuziehen, «die glauben, alles zu dürfen». Das negative Klischee der Neureichen von der arabischen Halbinsel wird oft mit politischen Argumenten unterstrichen.

Politisches Nasenrümpfen

So freut sich der Soziologe Jean Ziegler zwar über die Präsenz arabischer Touristen in Genf. Nun aber ärgert sich der sozialdemokratische Alt-Nationalrat: «Was ich nicht gerne sehe, ist die Gegenwart dieses Tyrannen.»

Es ist Tatsache, dass das saudische Königreich kein Modell vorbildhafter Demokratie ist. Immer wieder wird es beispielsweise von Amnesty International an den Pranger gestellt.

Eines jedoch ist gewiss. Die Gegenwart des Königs und seiner Hofstaat liefert alle Elemente für ein Sommertheater. Lokale Zeitungen und ihre Leser und Leserinnen freuts.

Frédéric Burnand und Ramsey Zarifeh

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