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Als Gandhi die Schweiz besuchte

Mahatma Gandhi verbrachte im Dezember 1931 fünf Tage in der Schweiz, im Haus seines Freundes, dem französischen Schriftsteller und Nobelpreisträger Romain Rolland. Zum 150. Geburtstag des indischen Führers zeichnet swissinfo.ch die Spuren nach, die dieser in der Schweiz hinterliess.

Rolland hatte die erste Biographie Gandhis verfasst, die 1924 veröffentlicht wurde. Nach einem Besuch in London, wo Gandhi an einem «Runden Tisch» teilnahm, bei dem es um die Zukunft des kolonialisierten Indiens ging, stattete er dem Verfasser seiner Biografie einen Besuch ab und verbrachte die Tage vom 6. Bis 11. Dezember 1931 in dessen Haus in Villeneuve am Genfer See in der Schweiz.  

Verantwortlich für die Reiseorganisation war Gandhis englische Schülerin Madeleine Slade, die sich den indischen Namen «Mirabehn» (Schwester Mira) gab. Sie war eine grosse Bewunderin von Rolland. Den Franzosen hatte sie besucht, bevor sie nach Indien ging, um Gandhi zu treffen. Zu den indischen Begleitern gehörten ausserdem Gandhis jüngster Sohn Devdas und die Sekretärinnen Mahadev Desai und Pyarelal Nayyar.

Rollands Tagebuch zeichnet Gandhis Ernährungsgewohnheiten im Detail auf. Um 6 oder 7 Uhr morgens trank er ein Glas frisch gepressten Orangensaft, wenig später folgte ein Glas gekochte Ziegenmilch. Um 10 Uhr trank er heisses Wasser mit Zitrone und Honig oder Zimtpulver. Das Mittagessen bestand aus Trauben und einem Glas Ziegenmilch. Zerriebene Rohkost wie Karotten, Sellerie und Äpfel gab’s zum Abendessen. Gandhi spann jeden Tag seines Schweizer Besuchs Baumwolle und reiste nur zu Fuss oder per Zug – im Drittklasse-Abteil – , wie es seiner Gewohnheit entsprach.

In der kleinen Stadt Villeneuve versammelten sich die Zuschauer, um einen Blick auf den berühmten Inder zu werfen. Rolland befürchtete, dass Gandhis Anwesenheit opportunistische Besucher – darunter auch Nudisten – anziehen würde, welche die öffentliche Aufmerksamkeit auf ihre Sache lenken wollten.

Der indische Führer hielt zwei öffentliche Vorträge in der Schweiz: einen am 8. Dezember im «Maison du peuple» in Lausanne und den zweiten am 10. Dezember in der Victoria Hall in Genf auf Einladung der Women’s International League for Peace and Freedom.

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Die Schweizer Presse war Gandhi gegenüber feindselig gesinnt, vor allem, nachdem der indische Pazifist gewisse Zeitungen wegen falscher Wiedergabe seiner Londoner-Reden kritisiert hatte. Auch Gandhis antimilitärische und antikapitalistische Bemerkungen brachten ihm viele Feinde ein.

«Der Courrier de Montreux, der sich bis dahin verpflichtet fühlte, sowohl ihm als auch mir gegenüber taktvoll zu sein, publizierte einen Leitartikel, in dem stand, dass das Beste, das Gandhi in diesen fünf Tagen in der Schweiz getan hatte, war, das Land zu verlassen. Er wurde als Instrument angeprangert, bewusst (warum nicht?) oder unbewusst, das in die Schweiz kam, um das Land zu entwaffnen und zu zerstören, um das Volk unbewaffnet in die Hände kommunistischer Aggressoren zu treiben», notierte Rolland in seinem Tagebuch.

Gandhis Gastgeber war sich fast sicher, dass die Schweizer Behörden ihn abgeschoben hätten, wenn er länger geblieben wäre, oder zumindest eine weitere öffentliche Versammlung verboten hätten.

Quellen: Archive correspondenceExterner Link (Briefe, Tagebücher, Artikel)


(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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