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Amish Songs zum Täuferjahr

Amische dürfen nicht fotografiert werden. (Zeichnung: Eugen Bachmann-Geiser) zVg

Just zum diesjährigen Täuferjahr, das an die schmerzhafte Geschichte der verfolgten Christen erinnert, ist eine Sammlung amischer Lieder erschienen.

Strenggläubige Amische in den USA, darunter viele Nachfahren der Täufer aus dem Emmental, sprechen noch heute Berndeutsch und singen nebst amerikanischen auch Berner Volkslieder.

«Der Gesang ist die einzige Musik, die den Amischen vergönnt ist, da sie keine Musik von Konserven hören dürfen. Es ist ihnen sogar verboten, Instrumente zu benutzen», sagt Brigitte Bachmann-Geiser, Berner Musikethnologin.

Jeder Gottesdienst konservativer Amischer beginnt mit einer vollen Stunde Gesang. Gesungen wird aber auch bei der täglichen Arbeit: «Beim Einseifen der Wäsche, beim Nähen, Rüsten, bei der Mais-Ernte, bei anspruchsvollen Arbeiten wird gerne gejodelt», so Bachmann.

Amisch-Jodel

Jodellieder sind auch auf der im Berner Zytglogge-Verlag erschienenen CD zu hören, gesungen von Fannie Klockner, Jahrgang 1951. Sie, die schon als Kind ausserordentlich gern jodelte, an den Swiss Days in Ohio oder Indiana immer den 1. Preis holte, trat im Alter von 32 Jahren aus der Glaubensgemeinschaft der Amischen aus.

«Wohl weil sie einfach singen musste und auch den Erfolg kassieren wollte, der ihr in der amischen Gemeinschaft versagt geblieben wäre», erklärt Brigitte Bachmann, die seit Jahren die Musik der Amischen erforscht.

Interessant ist laut der Expertin, dass die Amischen auch berndeutsche Lieder singen, die weder in gedruckten Sammlungen noch im schweizerischen Volkslied-Archiv zu finden sind.

«Mit einem gewissen Stolz bin ich mit zwei Liedern aus der neuen in die alte Welt zurückgekehrt.» Ein sehr hübsches Beispiel sei «My Vatter isch e Chäser gsi». Man könne gut verstehen, dass es nicht aufnotiert wurde: «Es ist ein erotisches Tanzliedchen.»

Exklusiv-Aufnahme

Das prominenteste Lied auf dem neuen Album ist das Haslibacher-Lied, eine 32-strophige Ballade über Hans Haslibacher aus Sumiswald, den letzten Täufer, der 1571 im Kanton Bern ermordet wurde.

Das Lied stammt vermutlich aus der Mitte des 17. Jahrhunderts und stellt die Not und Bedrängnis der verfolgten Christen dar. Enthalten ist es im so genannten «Ausbund», dem ältesten deutschen Kirchengesangbuch, das noch in Gebrauch ist.

Da Tonaufnahmen bei Amischen, die moderne Technik und Komfort ablehnen, in der Regel verboten sind, stellt sich natürlich die Frage, wie das Haslibacher-Lied, vorgetragen von Amischen in Ephrata, Pennsylvania, auf die CD kam.

«Es ist ein Geschenk von 200 gemässigten Amischen an Hans Haslebacher, den heutigen Landwirt und Nachfahren des gehängten Täuferpredigers. Weil er sich immer sehr grosszügig zeigte, wenn Mennoniten (ebenfalls Täufer) aus aller Welt den Hof des berühmten Märtyrers besuchten, wurde ihm bei einem Besuch in den USA diese Aufnahme überreicht.»

Auf dem Beitrag zum Täuferjahr 07 ist aber auch eine zweite Version des Haslibacher-Liedes zu hören, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der grössten Deutschschweizer Liedersammlung «Röseligarte» erschienen war. Interpretiert wird die Ballade von den Liedermachern Urs Hostettler, Martin Diem, Luc Mentha. Sie erreichte in den späten 1970er-Jahren in der Folk-Szene eine gewisse Popularität.

Amisch-Berndeutsch heute

Die Forschungen von Brigitte Bachmann-Geiser konzentrierten sich auf eine Gemeinde südlich von Berne, Indiana. Die aus dem Emmental stammenden konservativen «Old Order Amish», die dort leben, sprechen noch heute Amisch: «Ihr Berndeutsch ist fast gar eine Geheimsprache», sagt die Musikethnologin.

Da die Amischen nicht mehr als selbstversorgende Bauern leben könnten wie früher und ihr Geld als Zimmerleute und Schreiner verdienen müssten, nehme der Einfluss der amerikanischen Alltagskultur zu.

«Ich bin überzeugt, dass dieses Berndeutsch immer mehr zurückgehen und eines Tages ganz vergessen sein wird.»

Ob in der Zukunft die einst aufmüpfigen Täufer, die Ende des 18. Jahrhunderts dem staatlichen Zwang entflohen, bei ihren abendlichen «Singings» noch berndeutsche Lieder singen werden, um den Abend ausklingen zu lassen, darf bezweifelt werden.

Vielleicht werden sie nur noch amerikanische Hymnen und Volkslieder preisgeben – oder Konserven hören.

swissinfo, Gaby Ochsenbein

Die CD «Amische Lieder, Amish Songs» ist 2007 im Zytglogge Verlag Bern erschienen.

Auf dem Album sind neben Liedern auch Tonelemente der Jodlerin Fannie Klockner zum Leben der Amischen zu hören.

Zudem richtet der Mennonit John Eicher, ein Nachfahre von Schweizer Auswanderern, einige Worte an Schweizerinen und Schweizer.

In 22 Bundesstaaten der USA, in Kanada und Mexiko leben insgesamt 150’000 Amische. Nicht alle stammen aus dem Kanton Bern.

Die Amischen bei Berne im Bundesstaat Indiana sprechen noch heute Amisch, eine Art Berndeutsch.

Ab dem 7. Altersjahr kommen die Kinder in die Schule, wo sie Englisch lernen.

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