Ausbildung zum Imam in der Schweiz
Kirchenvertreter haben vorgeschlagen, islamische Vorbeter an Schweizer Universitäten entsprechend auszubilden.
Ueli Maurer, Präsident der Schweizerischen Volkspartei, findet hingegen, es habe «keinen Platz» für solche Lehrgänge in der christlich geprägten Schweiz.
Was vor vier Jahren wegen Schwierigkeiten der organisatorischen Einbindung zunächst verworfen worden war, kommt erneut aufs Tapet: Muslimische Vorbeter, Imame, sollen ihren Beruf an einer Schweizer Universität lernen.
Laut der «NZZ am Sonntag» führt die Universität Basel bereits Sondierungsgespräche mit der Islamischen Religionspädagogischen Akademie in Wien. Vertreter der Schweizer Katholiken (Bischofskonferenz) und des Evangelischen Kirchenbundes haben diese Predigerausbildung kürzlich vorgeschlagen.
Ursprünglich ein muslimisches Projekt
Ursprünglich vorgeschlagen wurde es allerdings von muslimischer Seite selbst. Die Koordinationsstelle Islamischer Organisationen in der Schweiz (KIOS) hatte schon vor Jahren den Universitäten Bern, Basel, Luzern und Genf entsprechende Projekte unterbreitet.
Imame sind Vorbeter oder Prediger. Im kleinen Gebetskreis von Muslimen kann das jeder sein. Doch bei wachsender Gemeinde braucht es eine Ausbildung, egal ob hier oder in einem muslimischen Land. Die Idee, Imame künftig in der Schweiz selbst auszubilden, hat nach den jüngsten Diskussionen um radikale Prediger neuen Auftrieb erhalten.
400’000 Muslime in der Schweiz
Schätzungen gehen davon aus, dass rund 400’000 Muslime in der Schweiz leben. Doch längst nicht alle praktizieren ihre Religion.
Die Ermordung des niederländischen Regisseurs Theo von Gogh und die folgenden Übergriffe haben in ganz Europa die Debatte um das Zusammenleben wieder angeheizt.
In Frankreich gibt es bereits regelrechte Parallelgesellschaften. Doch die Islam-Gemeinden in der Schweiz sind viel heterogener. In der Deutschschweiz leben vor allem südosteuropäische und türkische Muslime, in der Westschweiz zahlreiche aus dem Maghreb.
Der Islamwissenschafter Samuel-Martin Behloul spricht deshalb von einem «muslimischen Röschtigraben».
Die Idee erhält Zuspruch
Nicht nur aus religiösen Kreisen, auch aus der Politik erhält die Idee der Ausbildung in der Schweiz selbst Zuspruch. In einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» unterstützt Agnell Rickenmann, Generalsekretär der Schweizer Bischofskonferenz, «diese vernünftige Forderung».
Es mache sehr viel aus, so Rickenmann, ob man einen albanischen Imam sehe, der sich auf einem europäischen kulturellen Hintergrund bewegt, oder einen arabischen Prediger, der keine Landessprache und auch kaum Englisch spreche – das seien zwei verschiedene Welten.
Auch Markus Sahli, Mitglied der Geschäftsleitung beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund, findet es für die Integration der Muslime wichtig, dass die Imame hier ausgebildet und «nicht von irgendwoher eingeflogen werden».
Sahli pocht auf den Umstand, dass diese Leute dann die Landessprache beherrschen und sich in Sitten und Gebräuchen der Schweiz auskennen. Dies betreffe insbesondere die Stellung der Frau.
Schliesslich gebe eine universitäre Ausbildung auch Gewähr, dass die Vorbeter dann eher in der Lage wären, auch «ihre eigenen Positionen kritisch zu hinterfragen».
Österreich: Islam ist staatlich anerkannt
Dass die Uni Basel mit der Islamischen Akademie in Wien Sondierungs-Gespräche betreffend einer Ausbildung führt, hat auch mit dem Umstand zu tun, dass der Islam in Österreich seit 1979 eine staatliche anerkannte Religion ist.
Laut Rickenbach habe schon die Donaumonarchie von Wien aus vor mehr als hundert Jahren Strukturen für eine Predigerausbildung geschaffen – «mit grossem Erfolg übrigens».
Für die «Gleichbehandlung der Religionen» tritt auch Hans-Jürg Fehr ein, der Präsident der Sozialdemokratischen Partei (SP). Angesichts der Zahl der Muslime in der Schweiz gebe es ein «Bedürfnis für gut ausgebildetes Personal».
Auch die Präsidentin der Christlichdemokratischen Partei der Schweiz (CVP), Doris Leuthard, erhoffe sich laut «NZZ am Sonntag» von der Imam-Ausbildung eine mässigende Auswirkung und mehr Kontrolle.
SVP ist dagegen
Gegen die Idee jeglicher Ausbildung von muslimischen Imamen in der Schweiz ist Ueli Maurer, Präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Die Schweiz sei ein christliches Land. Deshalb habe es für Islam-Lehrgänge an staatlichen Universitäten «keinen Platz».
Was seine Idee zur Radikalität des Islams betrifft, so glaubt Maurer nicht, dass ein Studium in der Schweiz daran etwas ändern würde. «Ein gewisser Fanatismus ist einfach Teil dieser Religion», zitiert ihn die «NZZ am Sonntag».
swissinfo
Erstmals hat ein Mitglieder des Landesregierung in die aktuelle Islam-Debatte eingegriffen.
Bundesrat Moritz Leuenberger hat in «Sternstunde Philosophie» vom Fernsehen DRS die Gefahr eines Anti-Islamismus bejaht.
Dabei sei auseianderzuhalten, was Religion sei und was Einzelne daraus machten.
Die Idee aus Holland, nur noch Imame predigen zu lassen, die eine Schule in Europa besucht haben, hält Leuenberger für einen Ansatz, um Aufrufe zur Gewalt zu verhindern.
In der Schweiz lebten im Jahr 2000 laut Bundesamt für Statistik 310’000 Muslime.
Davon 170’000 aus den Staaten des früheren Jugoslawien
62’000 aus der Türkei
über 15’000 aus Nordafrika und dem Vorderen Orient.
Sie machen rund 4,3% der Bevölkerung aus.
Die wirkliche Zahl der Muslime wird inzwischen auf rund 400’000 geschätzt.
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