Bischof für strengere Überwachung von Moscheen
Einer der führenden Islam-Experten der römisch-katholischen Kirche erklärt, die Schweizer Behörden sollten die Aktivitäten der Moscheen aufmerksamer verfolgen.
Was im Inneren von Moscheen geschehe, könne den Frieden mehr bedrohen als der Bau von Minaretten, erklärt Pierre Bürcher, Weihbischof von Lausanne, Genf und Freiburg, im Gespräch mit swissinfo.
Anfang Mai hatten rechtsbürgerliche Kreise eine Volksinitiative lanciert, um den Bau von Minaretten in der Schweiz zu verbieten.
Pierre Bürcher ist Präsident der Arbeitsgruppe «Islam», die 2001 von der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK) gegründet wurde. Treffen mit Muslimen in der Schweiz und im Ausland – die Gruppe war in Iran und Syrien – hätten zu besseren Beziehungen und mehr Verständnis zwischen den beiden Religions-Gemeinschaften beigetragen.
Der Weg zu einer wirklich friedlichen Koexistenz sei aber noch lang und steinig, warnt Bürcher.
swissinfo: Sie sagen, dass sich die Beziehungen auf religiöser Ebene verbessern. Wird diese Entwicklung nicht ständig untergraben durch politische Vorfälle weltweit?
Pierre Bürcher: Der interreligiöse und interkulturelle Dialog gehört zu den grossen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die römisch-katholische Kirche hat dem Kontakt mit anderen Religionen in den letzten Jahrzehnten grosse Priorität eingeräumt. Papst Benedikt XVI. bezeichnet – wie schon sein Vorgänger Johannes Paul II. – diesen Dialog als entscheidend für die Zukunft unserer Gesellschaft.
Von den Behörden wurden wir, was die politische Ebene angeht, in der Schweiz, wie auch in Iran und Syrien stets freundlich empfangen. Die Schwierigkeiten gehen von kleinen, aber extremistischen Randgruppen aus, die zwar enorme Probleme verursachen, aber nicht den wahren Islam repräsentieren.
swissinfo: In gewissen Ländern des Nahen Osten finden Christen in keiner Art und Weise jene Religionsfreiheit, die Muslime in der Schweiz haben. Gab es bei Ihren Besuchen in der Region Anzeichen, dass sich das einmal ändern könnte?
P.B.: In der Schweiz haben wir zum Glück Religions- und Kultusfreiheit. Im Nahen Osten ist es von Land zu Land unterschiedlich. In Golfstaaten wie Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten dürfen Christen ihren Glauben frei ausüben; oft sind es die Emire selbst, die Land zum Bau von Kirchen zur Verfügung stellen.
In Saudi-Arabien hingegen gibt es weder Religions- noch Kultusfreiheit, aber dennoch leben und arbeiten viele Christen dort. Ich hoffe, die Zeit wird kommen, wenn die Christen auch in Saudi-Arabien ihren Glauben ausüben dürfen. Damit das passiert, müssen wir weiterhin Druck ausüben auf muslimische Würdenträger und die Regierung Saudi-Arabiens.
Andererseits zeigt die in der Schweiz lancierte Initiative zu einem Minaretts-Verbot, dass es auch hier einen gewissen Extremismus gibt.
swissinfo: Die Initiative ist offensichtlich eine Reaktion auf die verstärkte Präsenz des Islam in der Schweiz und damit verbunden die Frage islamischer Rechtsordnung. Wo steht die katholische Kirche in dieser Frage?
P.B.: Es ist ganz wichtig, dass die Schweizer Rechtsordnung respektiert wird. Unser Rechts-System darf nicht durch andere Denkansätze, wie die Scharia, untergraben werden.
Es ist wahr, dass das Minarett ein Symbol ist für Muslime, es ist aber kein wesentlicher Bestandteil einer Moschee, und wir sollten nicht darauf fixiert sein. Denn was im Inneren einer Moschee abläuft, ist sehr viel wichtiger.
Dort wird der Koran gelehrt, dort kann man auch Leute finden, die allenfalls gegen Gesetze verstossen. Die oft politisierte Khutba (islamische Predigt) wird im Gotteshaus gehalten. Eine gegen den Westen ausgerichtete oder gar terroristische Lehre kann dort verbreitet werden.
Wissen die Behörden denn wirklich, was dort vor sich geht, und ob nicht gegen die Legalität verstossen wird? Dies scheint mir eine viel relevantere Frage, als die, ob man Minarette bauen darf oder nicht.
swissinfo: Sie sagen also, dass die Behörden aufmerksamer verfolgen müssten, was im Inneren der Moscheen in der Schweiz geschieht?
P.B.: Ja, denn man muss sich bewusst sein, dass Politik, Kultur, Gesellschaft und Religion in der muslimischen Tradition eng miteinander verhängt sind. Das ist einer der grundsätzlichen Unterschiede zwischen den beiden religiösen Konzepten. Auch die kleinste Toleranz in diesem Bereich könnte Frieden und Koexistenz schaden. Auch Moscheen in muslimischen Ländern stehen daher vermehrt unter Beobachtung und Khutbas werden überwacht.
swissinfo: Angst vor dem Islam gibt es nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen westlichen Ländern. Wie kann man das ändern?
P.B.: Ein Grund für die Angst ist der Unterschied zwischen den beiden Religionen, und dass uns das gegenseitige Verständnis grundsätzlich immer noch fehlt. Zudem können Neuankömmlinge Unbehagen oder gar Angst auslösen, da sie ein bestehendes Gleichgewicht durcheinander bringen könnten. Daher müssen wir lernen, miteinander zu leben, sonst werden wir eines Tages vor bedeutenden Problemen stehen.
swissinfo: Aber es sind doch schon Jahrhunderte vergangen, und wir haben noch immer keine Lösung gefunden. Wieso denken Sie, dass es jetzt gelingen sollte?
P.B.: Auch der eifrigste Gläubige, egal ob Christ, Jude oder Muslim, wird nie Vollkommenheit erreichen. Ähnlich sieht es mit dem interkulturellen und interreligiösen Dialog aus. Der Mensch hat seine Grenzen; leider sind wir nicht perfekt und auch unsere Gesellschaften sind es nicht.
swissinfo-Interview: Adam Beaumont
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)
Eine Gruppe von Rechtsaussen-Politikern hat Anfang Mai eine Volksinitiative lanciert, um den Bau von Minaretten in der Schweiz zu verbieten.
Damit die Initiative zu Stande kommt und dem Parlament vorgelegt wird, müssen die Initianten bis November 2008 insgesamt 100’000 Unterschriften sammeln.
Muslime in der Schweiz reagierten mit Unverständnis und sprachen von einem «islamophobischen» Vorgehen, das sich negativ auf die eh schon brüchigen Beziehungen auswirken könnte.
Die katholische und die protestantische Kirche sowie die meisten Parteien, Menschenrechts-Experten und einige Mitglieder der Regierung haben sich ebenfalls gegen die Idee der Initianten ausgesprochen.
Die Gruppe wurde 2001 von der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK) gegründet. Sie besteht vor allem aus Katholiken, hat aber auch Muslime und Protestanten in ihren Reihen.
Ziel der Gruppe ist es, die katholischen Pfarreien bei der Behandlung wichtiger Fragen zu unterstützen, die sich aus der wachsenden Zahl der Muslime in der Schweiz ergeben. Dazu gehören zum Beispiel interreligiöse Ehen oder die Schleier-Frage.
Die Gruppe organisiert auch Besuche muslimischer Gemeinden in der Schweiz und im Ausland. Auf Einladung der Islamic Culture and Relations Organization (ICRO) besuchte die Gruppe im letzten Jahr Iran; im März dieses Jahres reiste sie nach Syrien.
Bürcher hofft, dass die Gruppe bald einmal auch den Balkan besuchen kann, wo ein grosser Teil der 340’000 Muslime in der Schweiz herkommt.
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