Bischofs-Gebeine zurück in die Kirche

Niklaus Schiner, im 15. Jahrhundert Bischof von Sitten, kehrt in den Schoss der Kirche zurück. Archäologen holten vor 45 Jahren seine Gebeine aus seinem Grab.
Nun liegt er wieder im Sarkophag der Theodulskirche – zusammen mit den Knochen einer anderen Person.
Anfang Dezember hat der derzeitige Bischof von Sitten, Norbert Brunner, in einer feierlichen Zeremonie die neue Grabstätte seines Vorgängers geweiht. Neu steht der aus einer römischen Säule geformte Sarg in einer Seitenkapelle.
Ab seinem Tod 1510 hatte Niklaus Schiner, Onkel seines viel berühmteren Nachfolgers und späteren Kardinals Matthäus Schiner, bis zum Grabungsbeginn 1960 im Boden des Chors geruht. Dann wurde seine Totenruhe durch ehrgeizige Wissenschafter gestört.
Theodul gesucht – andere Knochen gefunden
«Wichtigstes Ziel der Grabungen war die Suche nach dem Grab des heiligen Theodul, dem Namensgeber der Kirche», sagte Benoît Coppey von der Dienststelle für Denkmalpflege und Archäologie. Statt Knochen des Vaters der Christianisierung im Wallis, stiessen die Archäologen auf Mauern aus der Römer- und Karolingerzeit sowie Niklaus Schiners Sargnachbar.
Schiner, erkennbar an Ornat und Bischofsstab, lag an den Rand des Sarkophags gedrängt neben dem Skelett unbekannter Herkunft. «Die Identität dieser Person bleibt weiterhin ungeklärt», sagte Coppey.
Seit dem überraschenden Fund sind viele Hypothesen ins Kraut geschossen. Erhärtet werden konnte keine. War es seine Geliebte oder sein Lieblings-Ministrant? Oder etwa ein ideal verstecktes Mordopfer?
Rätsel als Romanvorlage
Blumig auch die Variante des Schriftstellers Charles-André Meyer. In seinem 2004 erschienenen Roman ist der Tote ein Nachkomme Schiners, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Schweizergarde in Rom diente und einem Mord zum Opfer fiel. Dem durchtriebenen Mörder gelingt es, den Wallisern die stark verweste Leiche als Knochen des 1522 in Rom bestatteten Kardinals zu verkaufen.
Belegt ist an dieser Version nur wenig: Die Datierung anhand der Kohlenstoffatome in den Knochen ergab, dass das Skelett aus dem 19. Jahrhundert stammt. Eine morphologische Untersuchung hat zudem gezeigt, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um das Skelett eines etwa 30-jährigen Mannes handelt.
Damit fällt auch die nach dem Fund vom damaligen Walliser Kantonsarchäologen Abbé François-Olivier Dubuis gehegte Vermutung, dass es die Knochen von Kardinal Matthäus Schiner sein könnten, ausser Betracht.
Der Kardinal, der die Aussenpolitik der Eidgenossen mitprägte und beinahe zum Papst gewählt wurde, war im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts geboren worden. Bei seinem Ableben im Jahr 1522 hatte er zudem mindestens das 56. Altersjahr hinter sich.
DNA-Analyse ausstehend
Einzig für die Hypothese, dass es der Leichnam einer reichen Frau Schiner aus dem 19. Jahrhundert ist, besteht zurzeit noch leise Hoffnung auf Verifzierung.
Eine DNA-Analyse soll Sicherheit zur Geschlechts- und Verwandtschaftsfrage bringen. Die Resultate sollten bald vorliegen. «Zu 95 Prozent sind sich die Forscher sicher, dass es ein Mann ist», dämpft Coppey jedoch die Erwartungen.
Bis dahin dürfen die Kirchgänger, die Archäologen, Journalisten und Romanciers weiter spekulieren. Wenig hilft ihnen dabei die Inschrift auf der von zeitgenössischen Künstlern gestalteten neuen Deckplatte des Sarkophags.
In den blau oxydierten Bronzeguss liess der Kanton neben Namen, Familienwappen und Amtszeit von Niklaus Schiner auch die Buchstaben- und Zahlenfolge «AGSSA MDCCCXXIII» einschreiben. Dies war der einzige schriftliche Hinweis – auf der Grabplatte nachträglich angebracht -, der mit der unbekannten Leiche in Verbindung gebracht werden kann.
swissinfo und Agenturen

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