Bundesrat und Dalai Lama: Kniffliges Treffen
Innenminister Pascal Couchepin traf sich mit dem Dalai Lama am Rande eines Symposiums zum Thema "Furcht und Angst" in Zürich.
Um den wichtigen Wirtschaftspartner China nicht zu verärgern, begegnete Couchepin dem tibetischen spirituellen und politischen Oberhaupt in seiner Eigenschaft als Religionsminister.
Couchepin hiess den Dalai Lama anlässlich des ETH-Symposiums «Furcht und Angst» herzlich willkommen. «Ihre Präsenz in der Schweiz hat eine grosse Zahl von Menschen zusammengebracht, die Sie um Antworten auf existenzielle Fragen ersuchen», sagte Couchepin.
«Wir sind sehr erfreut, die Beziehung zwischen den exakten Wissenschaften und den Geisteswissenschaften in Ihrem Beisein zu diskutieren.» Furcht und Angst seien Begriffe, die alle kennen, aber nur mit Schwierigkeiten genau beschreiben können.
Bereichern statt konkurrenzieren
Couchepin zitierte den römischen Philosophen Augustinus. Dieser habe philosophische und spirituelle Erklärungen für die dramatischen Ereignisse in Rom gesucht, als die Stadt von den Barbaren und später von den Vandalen belagert wurde.
Im Beisein des Dalai Lama wolle er auf keinen Fall die christliche Tradition und jene des Buddhismus gegeneinander ausspielen, sagte Couchepin weiter. Im Gegenteil, durch Treffen wie dieses bereichern sich die beiden Traditionen gegenseitig.
Keine Ursache für Furcht
«Ihr Besuch in der Schweiz sollte keine Ursache für Furcht darstellen», erklärte Couchepin. Vielmehr sei er eine Gelegenheit, sich über die Furcht und Angst in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens hinwegzusetzen und den Weg für den Dialog zu ebnen.
«Die Geschichte und unsere spirituellen und kulturellen Traditionen machen uns zu dem, was wir sind», sagte Couchepin weiter. Jede Generation habe die Pflicht, kreative und innovative Lösungen für die Probleme ihrer Zeit zu finden. Seine Heiligkeit gehe diesbezüglich mit gutem Beispiel voran.
Keine Unabhängigkeit angepeilt
Am Rande des Symposiums an der ETH Zürich fand auch ein persönliches Gespräch zwischen dem Dalai Lama und Bundesrat Couchepin statt. Gemäss offizieller Darstellung empfing Couchepin den Dalai Lama als «spirituellen Führer der buddhistischen Tibeter». Um China nicht zu verstimmen, wurde das Treffen als nicht politisch deklariert.
Ganz ohne Politik liess es der Dalai Lama aber nicht bewenden: «Wie jede andere weiss auch die Schweizer Regierung, dass ich nicht nach Unabhängigkeit strebe. Diese Versicherung kann sie auch an die Chinesen weiterleiten. So kann sie helfen, Misstrauen zu beseitigen, damit wir auf einer Vetrauensgrundlage einfacher nach Lösungen suchen können.»
Das Treffen hatte bereits im Vorfeld politische Wellen geschlagen. China, das Tibet 1950 besetzte, beobachtet Kontakte zwischen dem Dalai Lama und westlichen Regierungen mit Argwohn.
Das geistige und politische Oberhaupt der Tibeter weilt seit Dienstag in der Schweiz. Sein Besuch dauert insgesamt zwölf Tage.
swissinfo und Agenturen
Am 5. August beginnt der Dalai Lama mit seinen Lehrveranstaltungen im erneuerten Zürcher Hallenstadion.
Grundlage sind die beiden Schriften «Bodhicaryavatara» und «Bhawanakrama» aus dem 8./9. Jahrhundert.
Diese befassen sich mit dem Kern des buddhistischen Gedankenguts und beinhalten Anleitungen zur spirituellen Übung und Meditation.
Das Treffen zwischen Couchepin und dem Dalai Lama dauerte rund 40 Minuten.
Gesprochen wurde über aktuelle Themen wie die Situation in der autonomen Region Tibet, Fragen zu Freiheit von Religion und Kultur, der Integration der tibetischen Kultur in der Schweiz, die Schwierigkeiten zwischen den Gesandten des Dalai Lama und der chinesischen Regierung und über das Restaurierungsprojekt des Ramoche-Tempels in Lhasa, welches die Schweizer Regierung finanziell unterstützt hat.
Bundesrat Couchepin hat auch über seine Tibet-Reise gesprochen. Der Dalai Lama hat sich bei der Schweiz für die Aufnahme der tibetischen Flüchtlinge in der Vergangenheit bedankt.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch