Christen, Juden und Muslime demonstrieren Einigkeit
Muslime erhalten im Abstimmungskampf zur Initiative "Gegen den Bau von Minaretten" Unterstützung von Christen und Juden: Der Schweizerische Rat der Religionen - ein nationales Gremium aus Juden, Christen und Muslimen - bekämpft die Volksinitiative.
Es ist das erste Mal, dass der vor drei Jahren gegründete Rat mit einer gemeinsamen Stellungnahme an die Öffentlichkeit tritt. «Das Dokument kann über unser Land hinaus als
Meilenstein betrachtet werden», sagte Thomas Wipf, Vorsitzender des Rates und Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), am Mittwoch bei der Präsentation.
Der Rat der Religionen setze sich dafür ein, den religiösen Frieden in der Schweiz zu schützen, heisst es in der Stellungnahme. Die Minarett-Initiative aber bewirke das Gegenteil. Sie instrumentalisiere Religion für politische Zwecke und erzeuge Misstrauen in der Bevölkerung.
Im Zentrum der Argumentation steht die Religionsfreiheit. Es handle sich um ein grundlegendes Freiheitsrecht, hält der Rat fest. In der Schweiz hätten alle das Recht, im Rahmen des Gesetzes ihren Glauben frei und sichtbar zu leben. Dass die Situation von christlichen und jüdischen Minderheiten in einigen islamischen Ländern besorgniserregend sei, ändere daran nichts, betonte Wipf: «Unrecht in anderen Ländern kann nicht mit Unrecht in der Schweiz vergolten werden.»
Politisches nicht mit Religiösem vermischen
Der Rat betrachtet die Volksinitiative indes nicht nur als Angriff auf die Religionsfreiheit, sondern auch als Ausdruck von Ängsten in der Bevölkerung. Diese seien ernst zu nehmen, sagte Herbert Winter, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG). Doch mit einem Verbot des Baus von Minaretten könne ihnen nicht sinnvoll begegnet werden. Viel wirkungsvoller sei eine gute Integration.
Die Vertreter der Landeskirchen machten in diesem Zusammenhang deutlich, dass ihre Unterstützung nicht bedingungslos ist. Für das friedliche Zusammenleben sei entscheidend, welche Inhalte in den Kirchen, Moscheen und Synagogen vermittelt würden, gab Winter zu bedenken. «Es gilt dort wachsam zu sein, wo gegen unseren Rechtsstaat verstossendes Gedankengut verbreitet wird.»
Bischof Kurt Koch, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), schränkte die Unterstützung auch mit Blick auf die Minarette ein. Voraussetzung sei, dass Minarette als religiöse Identitätszeichen verstanden und nicht mit politischen Botschaften verbunden würden. «Alles andere wäre eine Instrumentalisierung der Religionsfreiheit.»
Muslime zurückhaltend mit Rechtfertigung
Die Voten zeigten, dass die Vertreter der christlichen und jüdischen Glaubensgemeinschaften von den Muslimen Stellungnahmen zu solchen Fragen erwarten. Die Muslime wiederum fürchten, damit in eine Rechtfertigungsfalle zu geraten. Im Abstimmungskampf wollen sie sich daher zurückhalten, wie Farhad Afshar, Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS), deutlich machte.
Eine Kampagne sei von Seiten der Muslime nicht geplant, hielt er fest. «Wir treten gar nicht erst auf die Provokation ein.» Zur Debatte stehe die Religionsfreiheit, und deshalb seien alle Religionsgemeinschaften gleichermassen angesprochen.
Die gemeinsame Stellungnahme der Religionsgemeinschaften ist in den Augen Afshars die richtige Antwort, und dies in jeder Hinsicht: «Wenn Moslems heute in der Schweiz die Erfahrung machen, dass ihre Minderheitsrechte durch die jüdischen und christlichen Gemeinschaften nicht nur respektiert, sondern gemeinsam und solidarisch vertreten werden, haben wir sehr viel erreicht.»
Die Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» gelangt am 29. November zur Abstimmung. Lanciert wurde sie vom «Egerkinger Komitee», das der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) nahe steht. Ziel ist es, den Bau von Minaretten zu verbieten. Die Initianten argumentieren, das Minarett sei Symbol eines religiös-politischen Machtanspruchs.
Charlotte Walser, swissinfo.ch und InfoSüd
Im Industriequartier von Langenthal steht ein leuchtend weisses, stark verziertes Gebäude mit zwiebelförmigen Sockeln: Ein Sikh-Tempel. In Gretzenbach unweit des Atomkraftwerks Gösgen ragt aus einem kunstvoll gestalteten Dachwerk ein goldener Turmspitz hervor: Ein buddhistisches Zentrum.
Diesen und anderen Sakralbauten zugewanderter Religionen in der Schweiz widmet sich das Forschungsprojekt «Kuppel – Tempel – Minarett» des Zentrums Religionsforschung der Universität Luzern. In einem ersten Schritt wurden 20 Gebäude dokumentiert, die nach 1945 entstanden.
Die Dokumentation zeigt, dass es in der Schweiz neben Minaretten viele andere markante Sakralbauten gibt. Manche stiessen in der Planungs- und Bauphase auf Ablehnung, andere nicht.
Die Dokumentation ist auch im Rahmen einer Ausstellung zu besichtigen, die noch bis zum 18. September in Bern gastiert.
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