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Den Geist des Dalai Lama einfangen

Bauer fängt die Stimmung während eines Interviews ein. Hotel Union, Ljubljana. Bild: Manuel Bauer. Manuel Bauer

Der Schweizer Fotograf Manuel Bauer brauchte nicht lange, um die spielerische Seite des Dalai Lama, des geistigen Oberhaupts der Tibeter, zu entdecken.

Seine Heiligkeit eröffnete 1990 in der Universität Zürich gerade eine Fotoausstellung, als ein Alarm losging. Er und Bauer rannten zum Notausgang, doch der war zu.

«Alle waren wirklich verängstigt. Ich machte jedoch in meiner jungen und naiven Art einen Witz und sagte dem Dalai Lama, als lebender Gott könne er wohl aus dem offenen Fenster fliegen wie ein Vogel», erzählt Bauer gegenüber swissinfo.

«Ihm gefiel diese Idee und er begann mitten in der Krise zu tanzen und mit den Armen zu schlagen wie ein Vogel. Dabei wurde mir klar, was für eine bemerkenswert humorvolle und offene Person er ist. Mit seiner charismatischen und schönen Persönlichkeit bewältigte er auch die politischen Protokolle.»

Sachte Annäherung

Der in Winterthur wohnhafte Fotograf wusste damals noch nicht, dass diese Begegnung der Beginn einer engen Freundschaft mit der 14. Inkarnation des Dalai Lama war. Dies verschaffte ihm die Möglichkeit, den Alltag des Friedensnobelpreis-Trägers fotografisch zu dokumentieren.

2001 wurde Bauer eingeladen, vier Jahre in Gesellschaft des Dalai Lama zu verbringen, als er rund um die Welt reiste, buddhistische Schriften lehrte und sich für die Unabhängigkeit Tibets von China engagierte.

Die lange Reise durch Asien, Europa und die USA, während der er privilegierten Zugang hatte, führte jüngst zur Veröffentlichung des Bildbands «Unterwegs für den Frieden: Seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama».

«Es war meine bisher anspruchsvollste Aufgabe», sagte Bauer. «Ich wusste nie, wann sich was ereignete und wie die Belichtungs-Verhältnisse sein würden. Zudem brauchte ich das Durchhaltevermögen eines Marathon-Läufers.»

«Einmal gab ich beinahe auf, realisierte dann aber, dass die Wichtigkeit seines Lebens und seiner Arbeit weit grösser ist als meine.»

Auf der Flucht

Bauers Kontakt zu Tibet hatte 1990 begonnen, als er mit seiner Karriere als Werbefotograf unzufrieden war und den Auftrag annahm, das Schicksal der tibetischen Bevölkerung unter der chinesischen Kontrolle zu dokumentieren.

1995 unternahm er zusammen mit tibetischen Flüchtlingen, einem 6-jährigen Mädchen und dessen Vater, eine riskante Reise über den Himalaya. Während dieser drei Wochen gab es manchmal weder Nahrung noch Wasser und sie waren der Natur ausgesetzt.

«Wäre ein Schneesturm aufgekommen, wären wir alle gestorben. Ich war jedoch bereit, für ein grösseres Ziel mein Leben zu geben», so Bauer.

Mitgefühl

«Ich hatte so viel über die grauenhaften, gemeinen und hässlichen Dinge gelesen, die den Tibetern angetan wurden, dass ich beschloss, etwas zu unternehmen und dies der Welt zu zeigen. Es war ihr Kampf, der zählte und nicht der Schweizer Fotograf, der beschloss, einen Berg zu besteigen.»

Bauer hat diesen Sommer die Erlaubnis erhalten, weiter als offizieller Fotograf des Dalai Lama zu arbeiten. Wie lange dieser Auftrag dauern wird, weiss er nicht. Bewusst geworden ist ihm jedoch, wie wichtig ihre Freundschaft geworden ist.

«Manuel Bauer ist mehr als ein Profi, er ist ein enger Freund von mir, schrieb Dalai Lama in «Unterwegs für den Frieden». Eine Freundschaft, die Bauer viel bedeutet.

«Das wichtigste, was er mich lehrte, war Mitgefühl und Mitleiden. Meine Frau und ich haben ein behindertes Kind, was für mein Lebe eine grosse Herausforderung war, insbesondere als ich dieses Projekt startete.

«Ab und zu nahm er sich die Zeit, mich zu fragen, wie es geht und half mir und meiner Familie, mit dieser Situation umzugehen.»

Tibets Kampf

Tibet wurde 1950 von chinesischen Truppen besetzt. Neun Jahre später wurde der Dalai Lama zur Flucht nach Indien gezwungen. Bauer befürchtet, dass das alte Tibet gestorben sein könnte.

«Die tibetische Kultur mag in einigen Gebieten überleben, etwa in gleichem Stil wie das traditionelle Leben der Schweiz noch in Appenzell existiert», erklärt Bauer.

«Aber ich befürchte, dass die jungen Tibeter in Tibet vom chinesischen Lebensstil verschluckt werden, insbesondere in den Städten.»

swissinfo, Matthew Allen
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)

Manuel Bauer fotografierte den Dalai Lama während vier Jahren.
Er begleitete ihn auf 30 Reisen.
Ursprünglich waren vier Reisen während eines Jahres geplant.
Das Buch von Manuel Bauer: Unterwegs für den Frieden. Seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama. DVA, März 2005

Vom 5. bis 12. August wird der Dalai Lama im Zürcher Hallenstadion die Prinzipien des Buddhismus lehren.

1950 marschierten chinesische Truppen in Tibet ein.

Neun Jahre später musste der Dalai Lama nach Indien flüchten.

1989 erhielt er den Friedens-Nobelpreis.

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