Der Papst feiert einen Triumph vor der Jugend
Mit seinen Worten erntete Johannes Paul II. tobenden Applaus von den 12'000 Jugendlichen am Samstag in Bern.
Ein Erfolg sicher, aber vor Publikum, das seine positive Meinung schon im Voraus gemacht hatte und einer Rede des Papstes lauschte, die sich am Rande der Verstehbarkeit bewegte.
«Steh auf! Lève-toi! Alzati! Sto se! Voll Kraft ertönt dieses Wort an den jungen Mann von Nain heute an unserem Treffen. An euch, liebe Jugendliche und Freunde, an euch junge Schweizer Katholiken richtet sich dieses Wort», sagt Johannes Paul II. ins Mikrophon.
Sein Gesicht hat das schmiedeiserne Kreuz abgelöst, das auf den zwei Grossbildschirmen im Berner Eisstadion prangte. Der Papst auf seinem Rollstuhl wird flankiert von zwei Kardinälen, hinter ihm stehen vier Schweizer Gardisten. Dutzende von Sicherheitsbeamten und Polizisten schirmen die Bühne ab.
Müder, erschöpfter Papst
Im vollen Stadion jubeln ihm 12’000 Menschen, meist Jugendliche, zu. Ein wogendes Meer aus farbigen T-Shirts mit dem Motto des ersten katholischen Jugendtreffens aus dem Lukas-Evangelium, das der Heilige Vater gerade zitiert hat. Sie drängeln um die beste Position für ein Foto mit der Kleinbild- oder Video-Kamera. Väter heben ihre Kinder auf die Schultern.
Der Papst gähnt, seine Hand zittert, sein linkes Auge ist halb zu. Er wirkt während seiner fast halbstündigen Rede müde und spricht undeutlich, oft unverständlich. Mehrere längere Pausen füllt sein Publikum wohlwollend mit Applaus. Der Kardinal an seiner Seite muss ihm helfen, die Manuskript-Seiten umzublättern. Regelmässig wechselt der Papst zwischen Deutsch, Französisch und Italienisch.
Warmer Empfang für den 84-Jährigen
«Papst Johannes Paul wir haben dich gern, darum sind wir in Bern», steht auf einem Transparent. «Cher Saint Père, merci d’être venu – Lieber Papst, danke, dass du gekommen bist» auf einem andern.
Nicht für alle ist es das erste Treffen. «Ich habe ihn schon in Rom gesehen», sagt Doris nicht ohne Stolz. Ihr gehe es diesmal vor allem um das Treffen mit andern Jugendlichen. Darauf freut sich auch Damien aus der französischen Schweiz, der den Pontifex maximus bereits in Kanada und Italien gesehen hat. «Es gibt hier Jugendliche aus Polen und Kroatien, das ist eine interessante Erfahrung.»
Kein Verständnis für Kritik am Papst
Die Jugendlichen haben grossen Respekt vor dem Papst, auch wenn sie ihre eigenen Gedanken haben. «Ich bin nicht mit allem einig, was er propagiert, aber ich akzeptiere keinen Angriff auf ihn. Er ist der Vertreter Gottes», sagt Jean-Baptiste, der aus Frankreich angereist ist. «Wer ihn angreift, greift auch mich an.» Andere wie Damien lassen gar keine Kritik am Papst zu. «Die Medien fokussieren immer auf die Kondome und verzerren, was er sagt.»
Zur Gegendemonstration aus linksgerichteten Kreisen – 200 Personen demonstrierten trotz Demo-Verbot und wurden umgehend von der Polizei eingekesselt und kontrolliert – meint Andrea, die mit der Blauring-Gruppe angereist ist: «Ich finde es blöd, fühle mich aber nicht beleidigt.» Sie ist froh um die enormen Sicherheitsmassnahmen, die ergriffen wurden, um den Papst zu schützen.
Strenge Eingangskontrollen und höchste Sicherheit
Vor den Eingängen zum Eisstadion bildet sich schon lange vor seinem Auftritt grosses Gedränge. Beamte der Berner Polizei kontrollierten alle Besuchenden aufs Genaueste: Taschen wurden kontrolliert, Körper abgetastet, kein noch so kleines Sackmesser toleriert.
Den Haupteingang zum Gelände bewachen Angehörige einer Polizei-Sondereinheit, Sicherheitsleute in zivil kontrollieren die Badges aller Jugendlicher am Eingang, im Lift des Messezentrums steht ein Luftwaffen-Offizier: «Wir überwachen den gesamten Luftraum.» Den ganzen Nachmittag fliegen Helikopter über die Stadt, die zur Flugverbotszone erklärt wurde. Über 1000 Polizisten und Soldaten sind im Einsatz.
Wartezeit mit Pop-Musik
Die Wartezeit auf den Auftritt des Papstes verkürzen Performances Jugendlicher und Musikbands mit religiösem Rock und Pop. Nonnen wippen im Takt, machen eine Welle aus Händen durch die Ränge mit. Als der Vorsänger ein Halleluja fordert, schallt es ihm tausendfach zurück.
An einem Automaten kauft eine junge Frau mit «Rise-Up»-T-Shirt Zigaretten, bei der Männertoilette stehen auch Frauen an, weil die Schlangen überall länger werden. Die Stimmung ist ausgelassen, die Vorfreude spürbar.
An einem Imbissstand regt sich allerdings Unmut, weil es plötzlich kein Bier mehr gibt. «Die katholische Kirche hat uns verboten, bis elf Uhr nachts Bier auszuschenken», erklärt die Bardame.
Gegen die Konsumgesellschaft
Der Unmut dürfte spätestens mit der Passage der Rede des Heiligen Vaters verflogen sein, in der er die «Illusionen der Konsumgesellschaft» und deren «vergängliche Vergnügen» geisselt. Stattdessen ruft er die Jugendlichen auf, sich zu engagieren: «Die Kirche braucht eure Energien, eure Begeisterung, eure jugendlichen Ideale.»
Er schliesst seine Rede mit dem Anfang, den Worten an den jungen Mann von Nain: «Steh auf! Christus ist es, der zu euch spricht. Hört auf ihn!» Dann setzt der Heilige Vater zum Gebet an. Das ganze Stadion raunt es mit. Dann Musik. Dann wird der Papst weggerollt.
«Das war ein überwältigender Moment. Grandios», sagt Nue. «Er war schwierig zu verstehen, weil er alt ist.» Der junge Mann hat sich erst im letzten Moment entschieden, am Treffen teilzunehmen. «Ich bin froh, dass ich gekommen bin.»
swissinfo, Philippe Kropf in Bern
Der Papst Johannes Paul II. wurde am Samstag von 12’000 Jugendlichen in Bern gefeiert.
Sein letzter Besuch in der Schweiz liegt genau 20 Jahre zurück.
Diese Reise ist die 103. Auslandreise des Papstes, der seit bald 26 Jahren Oberhaupt der Römisch-Katholischen Kirche ist.
Das Motto des 1. katholischen Jugendtreffens in der Schweiz war «Steh auf!» (Lk, 14,7).
Der Papst begann und beendete seine Rede mit dieser Aufforderung an die 12’000 Jugendlichen, welche auf die Berner Allmend gereist waren, um ihn zu sehen.
Johannes Paul II. machte einen erschöpften Eindruck. Seine Hände zitterten, sein linkes Auge war halb geschlossen, und er legte viele Pausen ein.
Trotzdem vermoche der 84-Jährige die Jugendlichen zu begeistern, erwähnte auch seine Jugendzeit und forderte sie auf, sich für die katholische Kirche zu engagieren.
Das Treffen fand unter strengsten Sicherheits-Vorkehrungen statt.
Trotz des allgemeinen Demonstrationsverbots kam es zu einer Gegen-Kundgebung, die aber von der Polizei eingekesselt wurde und friedlich verlief.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch