Die Bibel ins Bewusstsein rücken
Die Bibel hat fraglos den westlichen Kulturkreis geprägt. In der Öffentlichkeit hat das biblische Wissen in den letzten Jahrzehnten allerdings abgenommen.
Mit einem Jahr der Bibel sollte 2003 das Interesse für das «Buch der Bücher» wieder gesteigert werden. Die Organisatoren ziehen eine positive Bilanz.
Eine greifbare Erinnerung an das Bibeljahr ist eine handgeschriebene Bibel in sechs Bänden, die in den nächsten Wochen der Öffentlichkeit in der Schweiz präsentiert wird.
Auch bekannt als «Buch der Bücher» kann die Bibel als eine Art Bibliothek bezeichnet werden, die über einen Zeitraum von mehr als 1000 Jahren entstanden ist.
Die Inhalte der Schriften wurden über weite Strecken als mündliches Erzählgut überliefert. Die «Original-Bibel» als solche gibt es also nicht.
«Suchen. Und finden.»
Unter dem Motto «Suchen. Und finden.» war 2003 sowohl in der Schweiz wie auch in Deutschland, Österreich, Frankreich und Liechtenstein das Jahr der Bibel. Ziel war es, die Inhalte der Bibel auch über religiöse Kreise hinaus ins Bewusstsein der Menschen zu tragen.
Auf die Beine gestellt wurde das Jahr der Bibel von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz sowie weiteren christlichen Gruppen und Gemeinschaften. Am Freitag zogen die Organisatoren in Bern Bilanz.
Zahlreiche Aktivitäten
Die Erwartungen seien weit übertroffen worden. Die zahlreichen Aktivitäten hätten das Interesse rund um das «Buch der Bücher» gesteigert. Pfarreien, Kirchgemeinden, kirchliche Werke und Verbände, Ordensgemeinschaften, Bildungshäuser, Kliniken, Bibliotheken, Museen und Schulen organisierten verschiedenste Veranstaltungen.
Auch nicht-konfessionelle Medien veröffentlichten Beiträge über die Bibel und deren Interpretationsvielfalt. Nicht zuletzt der «Blick»: Eine wöchentliche Kolumne befasste sich mit schwierigen, provozierenden Bibelzitaten.
Die Gefahr des Missbrauchs
Sehr positiv wurde das Bibeljahr auf katholischer Seite aufgenommen. Der Katholizismus habe immer noch ein Jahrhundert langes Defizit im Bibellesen aufzuholen, vermuten die Initianten.
Die reformierten Kirchen zeigten sich dagegen eher reserviert. So habe es etwa geheissen: «Wozu denn ein Jahr der Bibel, wo man sich doch ständig mit dem Buch beschäftigt?»
Auch habe es Ängste gegeben, dass die Aktivitäten als christlicher Fundamentalismus wirken könnten, oder dass die Bibel als Rezeptbuch «missbraucht» werden könnte.
«Ängste, die nicht unbegründet waren, wenn wir an den Irak-Krieg denken», sagt Dieter Bauer vom Schweizerischen Katholischen Bibelwerk im Namen der Organisatoren. «Beide Seiten hatten einen furchtbaren Umgang mit den Heiligen Schriften.»
Instrumentalisierte Religion
Gott und die Religion seien im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg instrumentalisiert worden. «So haben bei Kriegsbeginn beide Seiten das Gebet zu Gott für die eigenen Kriegsziele beansprucht.» Es sei falsch, die Bibel zur Rechtfertigung von Strafaktionen oder Kriegen zu verwenden.
Auch in der Schweiz gibt es auf politischer Ebene solche Tendenzen. Nicht zuletzt gehe es dabei um Macht, um «Kreuzzüge» für politische und finanzielle Ziele, sagt Dieter Bauer.
«Nur steter Dialog und Aufklärungsarbeit können dem entgegenwirken», betonte Bauer gegenüber swissinfo. «Die Bibel ist nicht einfach ein Glaubensrezept, sie ist Literatur – und offen für Interpretation.»
Obwohl die Bibel nicht frei ist von Krieg und Gewalt, sind die Organisatoren der Ansicht, dass das Buch andere Wege aufzeigt, wie Menschen oder ganze Völker (wieder) zueinander finden.
Handgeschriebenes Exemplar
Die Mehrheit der Veranstaltungen im Bibeljahr hatte auf lokaler Ebene stattgefunden. Das Herzstück war das Projekt einer handgeschriebenen Bibel für die Schweiz.
Mehr als 2000 Frauen und Männer aller Altersstufen machten mit und schrieben Teile der Bibel von Hand ab. Unter anderem stammt ein Eintrag vom früheren Bundesrat Adolf Ogi, der den 1. Vers des Johannes-Prologs kopierte.
Spiegel der Vielfalt
Neben den Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch und Schweizer Dialekten finden sich auch Beiträge in Englisch, Spanisch, Katalanisch, Portugiesisch, Polnisch, Tamilisch, Vietnamesisch, Serbisch, Kroatisch, Rumänisch.
Die so entstandene Bibel – sechs Bände – spiegelt die sprachliche und kulturelle Vielfalt der Bevölkerung in der Schweiz, die sich heute mit der Bibel befasst.
Das Abschreiben von Bibelstellen ermöglicht den Beteiligten, sich ganz persönlich mit der Botschaft auseinander zu setzen.
«Wer einen Text abschreibt, beschäftigt sich in intensiver Weise mit diesem. Das Abschreiben bedeutete schon immer auch eine Verinnerlichung», erklärt dazu Martin Werlen, der Abt des Klosters Einsiedeln.
In den nächsten Tagen und Wochen wird die handgeschriebene Bibel in verschiedenen Städten zu sehen sein. Am 12. Februar sollen die sechs Bände im Bundeshaus in Bern übergeben und später für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
swissinfo, Rita Emch
Die Bibel wird jedes Jahr 20 Mio. Mal gedruckt.
In der Schweiz werden pro Jahr rund 60’000 Exemplare verkauft.
Die Bibel gilt im Buchhandel sozusagen als «ewiger» Bestseller.
Die Bibel wurde bisher in rund 2287 Sprachen übersetzt. Das Wort Bibel stammt aus dem Griechischen: Biblion für Buch, Schrift.
Die Bibel, auch bekannt als «Buch der Bücher», kann als eine Art Bibliothek bezeichnet werden, die über einen Zeitraum von mehr als 1000 Jahren entstanden ist.
Ihre Inhalte wurden über weite Strecken als mündliches Erzählgut überliefert. Die «Original-Bibel» als solche gibt es also nicht.
Die Bibel besteht aus dem Alten und dem Neuen Testament. Das Alte Testament besteht aus 39 Büchern in Hebräisch und Aramäisch. Das Alte oder Erste Testament ist Juden und Christen gemeinsam.
Die ältesten Handschriften stammen aus den Funden von Qumran (1947) und gehen zurück bis etwa 200 Jahre vor Christus.
Das Neue Testament besteht seinerseits aus 27 Schriften in Griechisch. Diese Schriften entstanden zwischen 50 und 100 nach Christus.
Schon früh wurde die Bibel in andere Sprachen übersetzt: Um 200 v. Chr. wurde das AT übersetzt ins Griechische, um 400 n. Chr. gab es schon Übersetzungen in mehreren Sprachen: Syrisch, Koptisch, Gotisch, Armenisch, Georgisch, Arabisch.
Ab dem 16. Jahrhundert (Reformationszeit) wurde die Bibel in viele europäische Landessprachen übersetzt; dazu gehören unter anderem Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch, Spanisch, Englisch.
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