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Dieser Schweizer half bei der französischen Revolution dem König

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Pierre-Victor de Besenval mit dem Orden von Saint-Louis, Porträt von Jean-Marc Nattier, um 1766. Wikipedia


Als die Französische Revolution ihren Höhepunkt erreichte, hatte ein Schweizer das Kommando über die königlichen Truppen. Jetzt blickt ein Sammelband auf den aussergewöhnlichen Werdegang von Pierre-Victor de Besenval zurück.

«Von Besenval, der wegen des 14. Juli 1789 angeklagt war, hatte alles in Allem nur die Befehle seines Chefs, des Ministers ausgeführt, also die Befehle des Königs.» Das schrieb der grosse französische Historiker Jules Michelet (1798-1874) in seiner Geschichte der Französischen Revolution.

Wer ist dieser Pierre-Victor von Besenval, der die Revolutionäre im Juli 1789 beim Sturm auf die Bastille niedergeschlagen haben soll? Wer ist dieser grosse Militärführer, der die Truppen von König Ludwig XVI. in der gesamten Pariser Region und weit darüber hinaus befehligt hat?

Es war ein damals 67-jähriger Schweizer, aufgewachsen im Kanton Solothurn. Ein soeben erschienenes Buch*, verfasst von einem Dutzend Schweizer Historikerinnen und Historikern, beleuchtet den aussergewöhnlichen Werdegang dieses Berufsmilitärs, der auch Märchenautor, Memoirenschreiber und Kunstliebhaber war.

Die aus dem Aostatal stammende Familie von Besenval stellt sich seit 1653 ohne Unterbruch vom Vater bis zum Sohn in den Dienst Frankreichs. Diese starke Verbundenheit mit der Grossen Nation stärkte auch die lokale Verankerung.

«Bei den von Besenvals, wie übrigens auch bei den von Erlach in Bern, den von Salis in Graubünden, den von Bachmann in Glarus und den von Affry in Freiburg, ermöglicht der Dienst an Frankreich, das Prestige der Familie im Kanton zu steigern», schreibt der Historiker Alain-Jacques Tornare.

Es ist die Zeit des ewigen Friedens mit Frankreich, als der französische Dienst helvetische Söldner in Massen anzieht. «Selbst einfachen Leutnants wurden bei ihrer Rückkehr nach Hause, wo sie ihre Erfahrungen im Regiment gesammelt hatten, reizende kleine Ländereien angeboten: im Fall eines Berners zum Beispiel eine Vogtei im Waadtland «, sagt Tornare. Kurzum, ein ausgeklügeltes Bündnissystem, das den Kantonen viel Geld einbringt und Frankreich Elitetruppen beschert.

Als Neunjähriger im Schweizer Regiment

Dieses Hin und Her zwischen Solothurn und französischem Königreich funktioniert bei den von Besenvals recht gut. Bis hin zu Pierre-Victor, um den es hier geht.

Sein Grossvater ist in Solothurn Schultheiss, ein hoher Beamter. Mit seinem Vater, einem Oberst der Schweizer Garde in Frankreich, der durch seine polnische Frau mit der Königin von Frankreich verwandt ist, beginnt die Entwurzelung. Dieser nimmt seinen Sohn mit nach Paris, wo er im frühen Alter von neun Jahren Kadett im Regiment des Vaters wird.

Die in Solothurn verbliebene Familie tobt und setzt alles daran, den Teenager wieder nach Solothurn zu holen. Der Onkel will aus ihm «einen Schweizer Offizier machen, der seinem Namen Ehre macht, indem er ihn in seinem Vaterland weiterführt, und nicht einen Freiwilligen oder einen deplatzierten Polen».

Buste von de Besenval, erstellt von Claude-André Deseine. Manuelstettler.ch
Buste von de Besenval, erstellt von Claude-André Deseine. Manuelstettler.ch Manuelstettler.ch

Zu spät. Pierre-Victor wird Franzose, ausserdem versteht er kein Wort Deutsch. Am Hof von Versailles macht er sich schnell einen Namen, verkehrt eifrig mit Ministern.

«Dieser Höfling, der sich an die Annehmlichkeiten des Hofes gewöhnt hatte, würde sich nie wieder ins Kleintheater der Solothurner Politik einfügen können», schreibt der Historiker Julien Grand. Es sei, schreibt von Besenval, «ziemlich abscheulich, sich in die Angelegenheiten unseres Landes einzumischen».

Nach der französischen Niederlage im Siebenjährigen Krieg (1756-63) begann von Besenval, inzwischen Inspektor der Schweizer Regimenter, die militärischen Ausbildungsmethoden zu reformieren. Mutig widersetzte er sich den verdienten Schweizern, die am alten System festhalten wollten.

«Ich hatte die zerlumpten Schweizer Regimenter übernommen, die ohne Form, ohne Disziplin, ignorant und nur mit sich selbst beschäftigt, dazu von Franzosen bevölkert waren. Innerhalb von drei Jahren waren sie ein Musterbeispiel an Haltung und Disziplin», prahlte er in seinen Memoiren.

Von beiden Seiten beschuldigt

Dann kam die Französische Revolution. Als Oberstleutnant des Regiments der Schweizer Garde befehligte von Besenval die königlichen Truppen in der Hauptstadt und ihrer Umgebung.

Am 28. April 1789, dem ersten der «Revolutionstage» in Paris, tobte die Menge im Faubourg Saint-Antoine. Von Besenval befolgte die Anweisungen und befahl seinen Schweizern, zu schiessen und zu töten.

In Versailles dachte die Monarchie, dass dieser Aufstand gerade recht kam, um die Generalstände zu beseitigen, jene Versammlung von Klerus, Adel und drittem Stand, welche die Monarchie später stürzen sollte. Das Gegenteil war der Fall, in Paris wurde die Lunte der Revolution entzündet.

Von nun an nahm von Besenval, der sich in das brennende Paris zurückgezogen hatte, eine defensive Haltung ein. An eine Konfrontation mit dem Volk war nicht zu denken.

Später beschuldigten ihn konservative Historiker, die Hauptstadt nicht verteidigt zu haben. «Von Besenval hatte die Anweisung, jede Konfrontation zu vermeiden», erklärt Tornare. «Als Schweizer wollte er sich nicht in einer komplexen, bürgerkriegsähnlichen Situation wiederfinden.»

Der grosse Funke entzündet sich am Morgen des 14. Juli, als von Besenval 32 Schweizer des Regiments von Salis-Samade zur Bastille schickt. Sie schiessen auf die Menge. Es sind die Startschüsse zur Revolution.

Von Necker gerettet

Von Besenval, der in den Augen seiner Kritiker zum Symbol für die blutige Niederschlagung der Französischen Revolution wurde, floh schliesslich auf den Rat des Königs hin in die Schweiz. Er reiste inkognito ab, verkleidet als königlicher Jagdaufseher.

Von Besenval als Kadett im Regimennt der Schweizer Garde.
Von Besenval als Kadett im Regimennt der Schweizer Garde. Schloss Waldegg

Doch die Maskerade hält nicht und von Besenval wird unterwegs von misstrauischen Bürgern verhaftet. Er kehrt nach Paris zurück, aber nicht in sein Pariser Anwesen, sondern in das Gefängnis Châtelet.

Da machen die Solothurner, mit von Besenval noch durchaus verbunden, mobil. Sie alarmieren den Genfer Jacques Necker, einen beim König beliebten Minister. Von Besenval wird gerettet.

Der Schweizer war nicht nur Soldat. Er war auch Schriftsteller, Botaniker, Sammler und ein Mann des Hofs. Ein Frauenheld auch, der einen unehelichen Sohn, den Vicomte de Ségur, als einzigen Erben haben wird. Kurzum, ein Mann der Aufklärung.

Sein Porträt, das der Maler Henri-Pierre Danloux einige Monate vor seinem Tod im Jahr 1791 anfertigte, zeigt ihn leicht lächelnd an seinem Kamin lehnend inmitten seiner Sammlungen. Heiter trotz der Revolution, die gerade tobt.

«Man sieht einen Edelmann, der noch mit Perücke und nach alter Mode gekleidet ist und aus der Zeit gefallen scheint», bemerkt Guillaume Poisson, der das Sammelwerk mit herausgegeben hat. Sein Sohn ging bankrott und verkaufte im Jahr 1795 sein Hab und Gut. Das Herrenhaus wurde schliesslich zur Schweizer Botschaft in Paris.

Was blieb? Historiker Poisson bilanziert: «In seinen Memoiren beschreibt von Besenval mit grossem Freimut und Spott die höfischen Sitten, an denen er teilgenommen hatte. Er ahnt das Ende des Ancien Régime, wahrscheinlich dank der Distanz, die ihm seine Position als Ausländer verliehen hat.»

Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Balz Rigendinger

Pierre-Victor de Besenval (1721-1791). Une vie au service du Roi de France / Peter Viktor von Besenval (1721-1791). Ein Leben im Dienst der französischen Krone.

268 Seiten, 61 Abbildungen, Texte in Deutsch oder Französisch.

Das Buch ist erhältlich im Museum Schloss WaldeggExterner Link und kann vor Ort erworben werden. Eine Zustellung per Post ist ebenfalls möglich. Kontakt für Bestellungen: waldegg@dbk.so.ch 

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