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Ein multikultureller Balanceakt

Weihnachten, das wichtigste christliche Fest, ist auch in den Schweizer Schulen ein Thema – ein heikles, wegen der hohen Anzahl Kinder mit anderen Religionen.

Weihnachten in der Volksschule – ein gesamtschweizerischer Überblick.

In den letzten 20 Jahren ist der Anteil der Schweizer Wohnbevölkerung, der einer der beiden christlichen Landeskirchen angehört, von 92 auf 75% gesunken.

Einerseits hat sich die Zahl der Konfessionslosen vervierfacht, andererseits nahm der religiöse Pluralismus massiv zu. «Neue Religionsgemeinschaften» haben sich zwischen 1990 und 2000 fast verdoppelt und machen rund 7% der Bevölkerung aus.

Auswirkungen auf die Schule

Die veränderte Religionslandschaft wirkt sich auf den Religionsunterricht an der Volksschule aus. Da in der Schweiz die Schulhoheit bei den Kantonen liegt, gibt es verschiedene Regelungen des Religionsunterrichts.

Die meisten Kantone haben heute anstelle des konfessionell ausgerichteten Bibelunterrichts ein konfessionsneutrales Fach in den Lehrplan aufgenommen – eine Art Religionskunde über die verschiedenen Weltreligionen.

Weihnachten im Schulzimmer

Weihnachten ist das wichtigste christliche Fest. Wie soll nun damit in einer multikulturellen Schule umgegangen werden?

Im Primarschulhaus Bühl in Zürich Wiedikon ist der Migranten-Anteil 60%, darunter viele aus nicht-christlichen Religionsgemeinschaften, vor allem aus der muslimischen.

«Wir sind eine multikulturelle Gesellschaft. Deshalb steht bei uns Weihnachten nicht so stark im Vordergrund, aber wir lassen das Fest auch nicht einfach weg», sagt Schulleiter Rolf Kenel gegenüber swissinfo. «Eine Auseinandersetzung mit Weihnachten, ihrer Bedeutung für unsere Kultur, findet statt, aber nicht in einem missionarischen Sinn.»

Die wichtigsten weihnächtlichen Elemente im Bühl sind für Kenel der Laternenumzug und das Weihnachtssingen in der Kirche, mit Liedern aus allen Weltreligionen.

Zürich: Keine Richtlinien

Für Myrta Studer, Präsidentin der Kreisschulpflege Limmattal (72-74% Migranten-Anteil), ist Weihnachten ein Anlass der Auseinandersetzung mit anderen Religionen.

«Richtlinien für die Lehrpersonen zur Weihnachtsgestaltung gibt es aber keine», so Studer. «Nur die Religionsfreiheit muss eingehalten werden.»

Basel: Fünf Grundsätze

18% der Schülerinnen und Schüler im Kanton Basel-Stadt sind muslimisch und 13% gehören anderen, nicht-christlichen Religionen an. «Das hat Auswirkungen auf die Gestaltung der Adventszeit in unseren Schulen», sagt Hans-Georg Signer, Ressortleiter Schulen Basel.

Deshalb hat der Basler Regierungsrat fünf Grundsätze für die Gestaltung der Advents- und Weihnachtsfeiern in den Schulen aufgestellt:

Sie sollten der Aufklärung über ein wichtiges religiöses Fest dienen, das Verständnis für kulturelle Phänomene unserer Gesellschaft fördern, ein gemeinschaftliches Klassenerlebnis ermöglichen, keine religiösen Gefühle verletzen und auch die Feste anderer Religionen positiv thematisieren.

Bern: Freiraum für Schulen

Der Kanton Bern kennt keine Vorschriften zum Umgang mit Weihnachten in der Schule. Es gibt lediglich Empfehlungen zu biblischen Themen im Lehrplan. «Das Wichtigste ist die konfessionelle Neutralität», sagt Johannes Kipfer von der Erziehungsdirektion.

Eltern mit anderer Religion hätten die Möglichkeit, ihre Kinder von Lektionen mit religiösen Inhalten zu dispensieren, «was aber kaum vorkommt». Advents- und Weihnachtsfeiern seien bei Kindern aus anderen Religionsgemeinschaften sehr beliebt.

Genf: Keine Ausnahmeregelung

«Im Kanton Genf betrachten wir Weihnachten als kulturelles Ereignis», heisst es im Erziehungsdepartement. In der Schule müssten deshalb alle mitmachen bei entsprechenden Aktivitäten, «denen aber keine religiöse Bedeutung beigemessen werden darf».

In der Adventszeit feiert man in Genf «La fête de l’escalade» – eine historische Schlacht der Genfer gegen die Savoyer -, eine Art Karneval. Im Erziehungsdepartement wird betont, dass in Genf die Schule «laizistisch und republikanisch» sei.

Je katholischer und ländlicher, desto traditioneller

In Sorengo, einem Vorort von Lugano, gehen die beiden Söhne von Maria Rosaria Valentini in die Primarschule. Dort gibt es wenig Kinder aus anderen Religionsgemeinschaften. Das sei sicher auch ein Grund dafür, dass Weihnachten in der Schule traditionell gefeiert werde, sagt Valentini.

Am 8. Dezember organisiert die Schule alljährlich ein Treffen zum Fest der Unbefleckten Empfängnis. An diesem katholischen, vorweihnächtlichen Feiertag ist am Morgen schulfrei, am Nachmittag gibt es ein Treffen mit Weihnachtsliedern, Krippenspiel und traditioneller Vorabendmahlzeit.

Diese Art Schulweihnachten sei im ganzen Kanton Tessin üblich, sagt Valentini. Nur an Schulen mit höherem Migranten-Anteil würden die anderen Religionen mehr berücksichtigt.

Gesamtschweizerisches Fazit: Je katholischer und ländlicher die Kantone, desto traditioneller die Weihnachtsfeier in der Schule. In den städtischen Gebieten, wo der Migranten-Anteil mit anderen Religionen höher ist, wird Weihnachten eher multikulturell gefeiert.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Die Religionszugehörigkeit der Bevölkerung in der Schweiz:
11% religionslos
42% Katholiken
35,2% Protestanten
4,3% Muslime
1,8% Orthodoxe
0,2% Juden
5,5% andere Religionen

Weihnachten ist das wichtigste christliche Fest. Die Christenheit feiert die Geburt Jesu, oder theologischer ausgedrückt: die Menschwerdung Gottes.

Dieser Tag wurde zunächst am 6. Januar gefeiert, am Epiphaniasfest. Epiphanias heisst Erscheinung, und damit gemeint war die Erscheinung Jesus.

Die Verlegung von Weihnachten auf den 25. Dezember verfolgte religionspolitische Zwecke. Die Römer begingen nämlich ihre feierlichen «Saturnalien» zu Ehren des Gottes Saturn, des Sonnengottes, an diesem Tag.

Mit der Verlegung des Geburtsfestes Jesu auf dieses Datum machte das Christentum seinen Anspruch deutlich, eine wahrere Quelle des Lichts zu bieten als den Saturn: Jesus Christus.

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