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Ein Nein zur Anti-Minarett-Initiative zeichnet sich ab

Die Initiative gegen neue Minarette stellt die anderen zwei Abstimmungsvorlagen vom 29. November 2009 in den Schatten. Reuters

Das Schweizer Stimmvolk spricht sich gemäss der ersten Abstimmungsumfrage von gfs.bern gegen die Anti-Minarett-Initiative vom 29. November aus. Auch die Initiative gegen Kriegsmaterial-Exporte würde im Moment abgelehnt. Allerdings erstaunlich knapp.

Etwas mehr als einen Monat vor der nächsten Abstimmung würde die Anti-Minarett-Initiative von 53% der Bürgerinnen und Bürger abgelehnt. Von den drei Vorlagen beschäftigt sie die Schweizerinnen und Schweizer am meisten.

Wie die Umfrage des Meinungsvorschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR idée suisse ergab, würden 34% der Stimmberechtigten zur Zeit «Ja» zur Initiative stimmen, 13% sind noch unentschlossen. Die Umfrage wurde am Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Initiative holt die Stimmen der Anhänger der Schweizerischen Volkspartei (SVP), den Rechtskonservativen, ab. Von ihnen werden ungefähr 67% ja stimmen.

Aber sie spricht auch 37% derjenigen Befragten an, die sich sonst als Anhänger der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) sehen. Die Vorlage wird von den Linken abgelehnt, am meisten von den Grünen, die einen Nein-Anteil von 73% aufweisen.

Mit 54% Ablehnung in der Deutschschweiz und 52% in der Westschweiz sind die Ergebnisse ungefähr vergleichbar.

Im Tessin würde die Initiative mit 53% zur Zeit angenommen. Die Verantwortlichen der Studie erklären, dass die Kampagne gegen die Initiative im Süden des Landes noch nicht angefangen habe.

Möglicherweise nehmen die Ja-Stimmen zu

Leute ohne Konfession und jene mit mehr als 11’000 Franken Monatseinkommen lehnen die Initiative am stärksten ab.

Bei den Argumenten hat das Initiativkomitee das Sagen: 53% der Befragten, die Ja stimmen wollen, tun dies, weil sie ein starkes Signal gegen die Scharia setzen wollen. 51% glauben, dass man das Bauen von Minaretten verbieten müsse, haben aber nichts gegen Moscheen.

44% der Befragten denken, Minarette seien ein Symbol für Machtanspruch und Dominanz. 40% hingegen sind mit dieser Behauptung nicht einverstanden.

Auf der Nein-Seite denken 52% der Befragten, dass die Initiative den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit muslimischen Ländern schade. Überdies denken 46%, ein Minarettverbot gefährde den religiösen Frieden.

In den nächsten Wochen könnten die Ja-Stimmen noch zunehmen, unterstreichen die Autoren der Studie, aber das Nein-Lager sollten sie nicht überholen. Bei CVP-nahen Personen und CVP-Mitgliedern findet sich ein Ja-Potential für die Initiative. Angesprochen werden diese Kreise von Argumenten gegen die Scharia und dass Minarette Machtsymbole seien.

Nein zum Kriegsmaterial- Verbot

Bei der zweiten Vorlage, die dem Volk vorgelegt wird, sind die Lager viel enger beisammen. Dass sich 41% der Befragten zu Gunsten der Initiative aussprechen, ist eine Überraschung. Die letzte Vorlage zu diesem Thema wurde 1997 mit 77,5% Nein-Stimmen vom Volk abgelehnt.

Nur eine kleine Mehrheit der Befragten (44%) hat angekündigt, die Vorlage der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSOA) abzulehnen, 15% haben sich noch nicht entschieden. Aber, präzisiert das Forschungsinstitut, diese Vorlage sei bislang von der Anti-Minarett-Inititative in den Hintergrund gedrängt worden. Die Meinungen seien demnach noch nicht gemacht.

Keine Überraschung gibt es bei dem Verbot für Kriegsmaterialausfuhr bei den SVP-nahen Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, 63% von ihnen lehnen die Vorlage ab. Die Anhänger der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) tun dies mit 58%, die der CVP mit 55%. Im Gegensatz dazu unterstützen 63% der Grünen und 56% der Sozialdemokraten das Anliegen der GSoA.

In den Augen der Meinungsforschorschenden ist das Argument, die Schweiz solle sich nicht dem Verkauf von Kriegsmaterial bereichern, am stärksten. Dem stimmen 64% zu. 55% sind der Meinung, dass der Verkauf von Kriegsmaterial der Neutralität der Schweiz zuwiderläuft. Aber ein gleich grosser Anteil betont die wirtschaftlichen Konsequenzen für die betroffenen Regionen.

Gemäss 57% der Befragten ist die heutige Gesetzgebung in Bezug auf die Kriegsmaterialexporte genügend. 52% sind der Meinung, dass das Land in Bezug auf Kriegsmaterial unabhängig bleiben müsse. Für die Verantwortlichen der gfs-Studie könnte am 29. November die Waage auf die Seite des Nein-Lagers kippen. Denn «die Leute, die mit einer Partei verbunden sind oder die traditionellerweise in der politischen Mitte abstimmen, folgen den Argumenten, die dagegen sprechen.»

Ja zur Schaffung einer Spezialfinanzierung des Luftverkehrs

Bei der letzten Vorlage schliesslich, die die Schaffung einer Spezialfinanzierung des Luftverkehrs zum Ziel hat, sind 32% unentschlossen. Dies belegt, dass diese Vorlage in den Medien relativ wenig Resonanz erzielt. Dieses Phänomen scheint dem Ja-Lager zu helfen; 42% der Befragten stimmen dieser Verfassungsänderung zu, 26% sind dagegen.

Die gfs-Studie zeigt, dass 44% der Stimmberechtigten die Absicht haben, ihren Willen am 29. November kundzutun. Diese Abstimmung besitzt nichts Aussergewöhnliches, wenn man von emotionalen Gehalt der Abstimmung über die Minarette absieht. In den letzten Jahrzehnten bewegte sich die Stimmbeteiligung bei durchschnittlich leicht über 40%.

Carole Wälti, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Eveline Kobler)

Die Umfrage wurde vom 13. bis am 17. Oktober 2009 durchgeführt.

1207 Personen verschiedenen Alters und verschiedenen sozioökonomischen Milieus aller Landesteile wurden per Telefon befragt.

Die Fehlerquote liegt bei 1/- 2,9 Prozent.

Initiative «Gegen den Bau von Minaretten»:
53% Nein, 34% Ja, 13% Unentschlossene.

Initiative «Für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten»:
44% Nein; 41% Ja; 15% Unentschlossene.

Schaffung «Spezialfinanzierung Luftverkehr»:
42% Ja ; 26% Nein ; 32% Unentschlossene.

Am 29. November wird in der Schweiz über folgende drei Vorlagen abgestimmt:

Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten»
Die Initiative will den Bau von Minaretten in der Schweiz verbieten. Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ohne Gegenvorschlag ab, weil sie Grundrechte verletze und keine Probleme löse, sondern neue schaffe.

Volksinitiative «Für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten»

Die Initiative fordert ein Verbot der Ausfuhr von Rüstungsgütern und will, dass der Bund internationale Bestrebungen im Bereich der Abrüstung und der Rüstungskontrolle fördert. Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ohne Gegenvorschlag ab.

Vorlage «Spezialfinanzierung Luftverkehr»

Die Erträge aus der Besteuerung von Flugtreibstoffen fliessen heute zum einen in die allgemeine Bundeskasse, zum andern in den Strassenverkehr. Mit der Änderung von Artikel 86 der Bundesverfassung wollen Bundesrat und Parlament die Voraussetzung dafür schaffen, dass diese Steuereinnahmen künftig der allgemeinen Bundeskasse und dem Luftverkehr zugutekommen.

swissinfo.ch

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