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Ein Schweizer Gardist – privat

Die Schweizergarde bewacht seit bald 500 Jahren den Papst. Keystone

Die farbenprächtigen Schweizer Gardisten gehören so unverrückbar zum Bild des Vatikans wie der St.Peters Dom.

swissinfo konnte einen der seltenen Blicke in den Lebensalltag der Gardisten in Rom werfen.

Der 21-jährige Stefan Busslinger entspricht nicht dem Bild, das man sich von einem Soldaten einer so exklusiven Armee aus 100 Schweizer Katholiken machen würde.

Schlank gebaut und in Jeans und T-Shirt gekleidet statt in der schweren Renaissance-Uniform kommt Busslinger an die Pforte des Schweizer Garde-Quartiers, das versteckt neben dem Vatikan liegt.

Zwei Innenhöfe aus Kopfsteinpflastern – flankiert von einer riesigen Schweizer Fahne und einer Skulptur tapferer Gardisten – führen zu einer Reihe alter Gebäude, wo die Offiziere wohnen, und zu Baracken, wo die Soldaten leben müssen, auch die verheirateten unter ihnen mit ihren Familien.

Zu sehen ist auch eine kleine, renovierte Kapelle, in der gerade sechs polnische Nonnen in Gebete versunken sind.

Zu viele Regeln

Busslinger stiess vor 18 Monaten zum Kontingent, nachdem er den Militärdienst in der Schweiz absolviert und einige Zeit in der Marketing-Branche gearbeitet hatte.

Wie alle Rekruten ist er ledig und praktizierender Katholik, der sichtlich stolz ist, dem Papst zu dienen. Allerdings, sagt er uns, werde er kaum länger als die vorgeschriebenen zwei Jahre im Dienst bleiben.

«Ich habe die Schweizer Garde als Kind jeweils am Fernsehen gesehen und war sehr beeindruckt. Ich war dann allerdings ein bisschen enttäuscht, als ich merkte, dass die Dinge nicht ganz so waren, wie ich sie mir vorgestellt hatte», erzählt er.

«Wir führen hier ein ganz spezielles Leben. Es ist alles ist streng geregelt.»

Die Gardisten müssen abwechselnd am Tag und in der Nacht arbeiten und den Apostolischen Palast bewachen, das päpstliche Appartement und die vier Haupteingänge zum Vatikan.

Tief religiös

Sie sind auch verantwortlich für den päpstlichen Palast, wenn der Heilige Vater auf Reisen ist. Zudem müssen die Gardisten jederzeit bereit sein, an ihren Freitagen zu arbeiten, wenn der Papst eine ausserordentliche Messe halten will.

«Das ist ziemlich frustrierend, weil man nie wirklich frei hat», klagt Stefan Busslinger.

«Einige der Gardisten sind tief religiös und verlassen den Vatikan kaum je. Ich dagegen gehe gerne aus und treffe ’normale› Römer, was mit dieser Arbeit eben schwierig ist. Hat man gar eine Freundin, dann kann man sie nur sehr selten sehen.»

Als Teil des Trainings lernen die Gardisten Judo und den Gebrauch von Schusswaffen – obwohl sie diese äusserst selten tragen. «Denn der Papst als Mann des Friedens ist gegen den Gebrauch von Waffen», sagt Busslinger.

Einer der härtesten Tests für einen neuen Rekruten ist es, während mindestens zwei Stunden bewegungslos da zu stehen.

«Alle neuen Rekruten brechen einmal ein, denn dieser Dienst ist körperlich sehr anstrengend. Besonders hart ist es, in der Sommerhitze auf dem Petersplatz zu stehen, wo 30’000 Touristen umherschlendern und dich beobachten, während dir der Schweiss am Körper herunter läuft.»

Insider des Vatikans

Rekruten werden in ihrer Ausbildung rigoros getestet: Kennen sie die komplizierten Strukturen im Vatikan, können sie die Leute, die hier arbeiten, richtig einordnen?

«Man sollte beispielsweise einem Kardinal nicht den Weg versperren, also ist es wichtig, dass man weiss, wer jemand ist und wie man sich ihm gegenüber korrekt verhält», erklärt der junge Schweizer Gardist.

Die Ehrfurcht, die Busslinger während seiner ersten Woche im Vatikan ergriffen hatte, ist im Laufe der Monate einer realistischeren Sicht gewichen.

«Als ich hier eintraf, kam es mir vor, als ob alle, die hier arbeiteten, etwas Unwirkliches, Gottähnliches hatten. Aber es sind alles Menschen, in deren Adern menschliches Blut fliesst.»

Busslinger gibt zu, dass er über gewisse Dinge auch etwas geschockt ist. Beispiele allerdings will er keine nennen. Zurückhaltend reagiert er auch auf die Frage nach dem geheimnisvollen Mord 1998 am Chef der Schweizer Garde, Alois Estermann, und seiner Frau.

Anwälte, die die Familie des beschuldigten Täters Cédric Tornay vertreten, haben ein Buch veröffentlicht, in dem die Version des Vatikans bestritten wird, gemäss der Cédric Tornay seinen Chef und dessen Frau erschossen und sich dann selber gerichtet habe.

«Manchmal spekulieren wir unter uns darüber, was damals wohl geschehen ist, aber es ist kein Thema, über das ich hier sprechen will.»

swissinfo, Vanessa Mock
(Übertragung aus dem Englischen: Katrin Holenstein)

Die Schweizer Garde besteht aus 100 jungen katholischen Männern, die sich für mindestens zwei Jahre zum Dienst verpflichten.

Sie werden ausgebildet in Selbstverteidigung, Schiessen und Italienisch. Zudem müssen sie die komplizierten Strukturen des Vatikans kennen.

Neue Rekruten müssen dem Papst und der Kirche einen Treueeid schwören. Sie haben eine persönliche Audienz beim Papst.

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