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Es geht um mehr als nur um Minarette

Als 1978 in Genf die Moschee Petit-Saconnex gebaut wurde, protestierte niemand gegen das Minarett. Keystone

Der Streit um den Bau von Minaretten in Wangen bei Olten und Langenthal verunsichert die Bevölkerung in der Schweiz. Aus zahlreichen Leserreaktionen sprechen Angst und Fremdenfeindlichkeit.

Der Soziologe Kurt Imhof warnt im Gespräch mit swissinfo vor einer Veränderung der politischen Kultur in der Schweiz.

Muslimische Vereine in Wangen bei Olten und in Langenthal wollen auf ihren als Moscheen genutzten Gemeindezentren Minarette errichten. Bei richtigen Moscheen ruft ein Muezzin vom Minarett aus zum Gebet. Dies ist hier nicht vorgesehen.

Dennoch bilden besorgte Bürger und Politiker, die eine «schleichende Islamisierung der Schweiz» befürchten, nun eine Front gegen die Projekte und fordern Bauverbote.

Der Streit beschäftigt längst nicht mehr nur die direkt Betroffenen in ihren Gemeinden, sondern ist zu einem Kulturkonflikt ausgeartet, in dem der Islam immer mehr zum Feindbild gerät.

Dies zeigt sich insbesondere auch in öffentlichen Diskussionen in den Medien und in den Leserbriefspalten.

Wütende und gemässigte Stimmen

Nachdem Bischof Kurt Koch in einem Zeitungsinterview den Muslimen in der Schweiz ein Recht auf Minarette zugestanden hatte, machte sich die Volksseele in einer Flut von Leserbriefen Luft.

«Statt dem Islam Tür und Tor zu öffnen, wäre es Aufgabe der Kirche, über diese antichristliche Lehre zu informieren. Gewalt ist im Islam Pflicht, Jesus hingegen lehrt die Feindesliebe», schrieb ein Leser.

Ein anderer sieht die westliche Welt «in einem neuen hundertjährigen Krieg», der nur enden würde, «wenn der mörderische Islam vertilgt ist».

Es gibt aber auch gemässigte und differenziertere Stimmen wie die folgende: «In Kanada sind heute mehr Religionen beheimatet als in den USA. Wenn man Kanada besucht, stellt man fest, dass hier all die verschiedenen Religionen ihre religiösen Bauten haben. Warum geht’s denn in Kanada?»

Politische Kultur in der Schweiz wandelt sich

Der Konflikt, der sich an einigen Baugesuchen für Minarette bei bestehenden muslimischen Gotteshäusern in der Schweiz entzündet hat, schürt diffuse Ängste vor dem Fremden.

Die teils aggressiven, teils verunsichterten, teils mahnenden Stimmen machen deutlich, dass es hier längst um mehr geht als nur um Minarette. Am Pranger stehen die in der Schweiz lebenden Muslime.

«Diesen Konflikt muss man ernst nehmen», warnt der Zürcher Soziologe Kurt Imhof. «Jede Problematisierung des Fremden verändert die politische Kultur in der Schweiz.»

Dies könne zu einem Fundamentalkonflikt in der Schweiz führen, verändere aber auch die Minderheit, die sich eingeschränkt fühle. «Bei den Muslimen bewirkt dies eine integrative Resistenz», so Imhof.

Der Islam wird zum neuen Feindbild

Als 1963 das Minarett der Mahmud-Moschee in Zürich und 1978 das Minarett der Moschee Petit-Saconnex in Genf gebaut wurden, gab es keine Probleme. Minarette waren schlicht kein Thema.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und weiteren grossen, von Muslimen im Namen Allahs verübten Attacken gerät der Islam pauschal immer mehr zum Feindbild der westlichen Welt.

Dem Anti-Islamismus komme inzwischen eine grössere Bedeutung zu als dem Antisemitismus, sagt Kurt Imhof. «Wir steuern auf eine neue Dualisierung der Welt zu. Das Feindbild Ostblock wird dabei durch den Islam ersetzt.»

Das Problem werde allerdings komplexer, da zum politischen und ethnischen jetzt auch noch ein religiöses Moment komme. «Damit ist nicht nur der ethnische, sondern auch der religiöse Friede gefährdet.»

Politik ist gefragt

Zahlreiche Einsprachen gegen Bauvorhaben von Minaretten wurden mit Hinweis auf Baurecht und Zonenplan abgelehnt. Nun will das Zürcher Kantonsparlament ein generelles Minarett-Verbot prüfen.

Für Imhof ist klar, dass der Konflikt für eine innenpolitische Selbstprofilierung ausgenutzt wird. Nur gerade aus Kreisen der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und teilweise der Eidgenössischen Demokratischen Union (EDU) kämen Befürworter eines generellen Minarett-Verbots.

«Die Politik muss sich auf den Rechtsstaat und die Verfassung berufen», sagt der Soziologe. «Wenn man in der Schweiz ein generelles Minarett-Verbot durchsetzen wollte, müsste man die Verfassung ändern, die gleiches Recht garantiert. Ausserdem müsste die Schweiz dann aus der Internationalen Menschenrechtskonvention austreten.»

swissinfo, Susanne Schanda

Den rund 350’000 Muslimen in der Schweiz stehen 160 Gebetshäuser in Lagerhallen, Garagen und Kulturzentren zur Verfügung, so genannte Hinterhofmoscheen, alle ohne Minarett.

Unter ähnlichen Bedingungen üben auch die 28’000 Hindus, 21’000 Buddhisten und 500 Sikhs ihren Glauben aus. Den rund 18’000 Juden stehen 35 Synagogen zur Verfügung.

Die Gläubigen wollen aus ihren Ghettos heraus und fordern mehr öffentliche Anerkennung.

Je eine Moschee mit Minarett gibt es nur in Zürich (seit 1963) und Genf (seit 1978).

Wie Kirchtürme sind auch Minarette Symbole für die Präsenz Gottes.

Laut Schätzungen der römisch-katholischen und der evangelisch-reformierten Landeskirchen stehen in der Schweiz rund 3000 christliche Gotteshäuser.

In der Schweiz leben gegen 350’000 Muslime, viele aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei. Dies entspricht 5% der Bevölkerung.
1990 machten die Muslime noch 2,2% der Wohnbevölkerung in der Schweiz aus, 2000 waren es 4,3%.
Ein wichtiger Grund für die Zunahme waren die Kriege auf dem Balkan, die Tausende von Menschen in die Flucht nach Norden getrieben hatte.

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