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Faire Ferien: harte Arbeit, hoher Preis

Keystone

Fair Reisen heisst die neue Art des Tourismus, die nicht nur umweltbewusster, sondern auch sonst sinnvoller sein soll: Dabei werden "Fair-Trade"- und "Volunteering"-Elemente mit Glamour-Destinationen zu Eco-Lifestyle-Paketen geschnürt – boomy, trendy, aber teuer.

Möchten Sie im Urlaub ein völlig neues Naturschutz-Management kennen lernen? Zum Beispiel in Botswana?

Der Reiseveranstalter Kuoni offeriert Ferien bei den Elefanten: «Volontäre und Experten erstellen Identifikationskarten zu den einzelnen Elefanten, sammeln Informationen über die Herdendynamik.»

Ausserdem helfen die Freiwilligen, alte Zäune zu entfernen, die Erosion des Flusses unter Kontrolle zu halten und schädliche eingewanderte Pflanzen zu entfernen.

Unter seinem Nachhaltigkeits-Label «Ananea» bietet Kuoni in einer Lodge in Mosambik auch «eine neue Stufe der Reflexion» an: Die Angestellten der Lodge bilden eine Verbindung zu den lokalen Unterstützungs-Projekten des Trusts.

STA Travel, ein anderer Ferienanbieter, veranstaltet «Wild Life Jobs in Afrika», in Farmen für verwaiste Tiere (Namibia), Löwenaufzucht-Stationen (Südafrika), «Farmstay» Arbeiten in Lateinamerika auf Kaffeeplantagen oder bei Lachszuchtstellen in kanadischen Forstbetrieben.

Boom im Fair-Trade als Auslöser

Der gegenwärtige Faire-Ferien-Boom habe mit dem Boom in Fair-Trade- und Bio-Produkten zu tun, der zur Zeit im Schweizerischen Einzelhandel stattfinde, schätzt Christine Plüss vom NGO Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung (AKTE, Fairunterwegs.org) gegenüber swissinfo.ch.

Dem stimmt auch Kuoni-Sprecher Peter Brun zu: «Nach Befragungen von Kunden und mit der hohen Nachfrage nach fairen und Bio-Nahrungsmitteln vor Auge haben wir diese Konzepte auch für Reisen anzuwenden versucht.» Natürlich würden faire Ferien immer eine Nische bleiben, als Massenprodukt seien sie gar nicht denkbar.

Weniger Glamour, mehr Trockenmauern

Manchmal bieten Stiftungen und Nichtregierungs-Organisationen solche Ferien-Arrangements gleich selbst an. So offeriert die Stiftung Umwelt-Einsatz Schweiz (SUS) zusammen mit Pro Natura günstige einwöchige Ferien-Arbeitseinsätze im Inland an: Trockenmauern bauen und Wälder pflegen.

Caritas vermittelt Freiwilligeneinsätze und organisiert Jugendplatzierungen im Berggebiet.

Als global agierenden «Fund for Nature» bietet der WWF Einsätze sowohl im Inland als auch in Glamour-Destinationen an: Ob in den lokalen Büros des WWF in der Schweiz, ob als Beobachterin im Projekt Riverwatch, als Hirt, oder irgendwo im Südpazifik.

Die Vorstellung, was Urlaub ist, ändert sich konstant: Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass man fürs Zäunebauen in Afrika eines Tages bezahlt?

Dementsprechend reagiert der Tourismus und geht neue Mischformen ein: Freiwilligeneinsätze, auch im fernen Botswana, sind etwas Nützliches und finden nachher ihren Platz im Curriculum Vitae, im Gegensatz zum Mallorca-Urlaub. Sie helfen auch bei der Arbeitplatzsuche – fair value auch hier.

Gemeinsamer Nenner dieser neuen Ferienart sind Fairness, Korrekt- und Nachhaltigkeit.

Entwicklungsprojekte als Ferienattraktion

Der Bereich umfasst einerseits selbst mitfinanzierte Freiwilligen-Einsätze (Volunteering), die beinahe Praktikum-Charakter haben und anderseits kommerziell vermarktete Arrangements, kombiniert mit Fair-Trade-Elementen und klimapolitischen Instrumentarium.

Immer mehr kommerzielle Reiseveranstalter oder Detailhandelsketten offerieren spezifische Themen- oder Leser-Reisen, wobei in Zusammenarbeit mit Hilfswerken (Entwicklungs-)Projekte als Attraktion aufgemacht werden.

Für die Hilfswerke bedeutet dies, gewollt oder nicht, mehr Public Relation. Dies nützt ihnen bei ihrer Geldsammeltätigkeit. Aber gemäss Plüss ist die grosse Frage bei solchen Reisen eine andere: Sind die Leute, die in Entwicklungsländern Teil solcher für sie existenzieller Projekte sind, überhaupt damit einverstanden, auch noch zur Reiseattraktion zu werden?

Zwar korrekt, dennoch problematisch

Das Interesse an fairen Ferien wäre ja eigentlich ein legitimes Anliegen, sagt Plüss. In professionellen Kreisen laufe es unter der Bezeichnung der Philosophie des «Lifestyle of Health and Sustainability» (LOHAS). Dennoch sei das Ganze nicht unproblematisch.

Das Unbehagen von «Fairunterwegs» bezieht sich aufs Gesellschaftliche: Fernreisen sind eher etwas für Besserverdienende. Wer LOHAS praktiziert, kann sich vieles leisten und muss auf nichts verzichten, auch nicht aufs Fliegen.

Wegen dem Fliegen weisen gerade Fernreisen oft schlechte Ökobilanzen auf. Weil der Flug meist nicht zu vermeiden ist, zahlt, wer es ohnehin vermag, auch den Klimazuschlag, ohne dass es ihm gross weh tut.

CO2-Zuschlag – ökologischer Ablassbrief

Dieses Verhalten erinnert ans Mittelalter, als sich die reichen Gläubigen ihr gutes Gewissen mit Ablassbriefen wieder zurückkauften. Damals ging es um andere Sünden, heute besteht die Sünde in der Freisetzung von CO2.

Ob mit oder ohne Fairness, es zieht immer mehr Schweizer Reisegewohnte nicht nur individuell, sondern auch «nachhaltig sinnvoll» ins Ausland. Denn die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung hat schon mehr als sechs fremde Länder besucht, 12% war gar in 11 bis 15 Ländern.

Auf diese Schweizer Nachfrage setzten deshalb sowohl kommerzielle Reiseveranstalter als auch Hilfswerke. Egal, ob sie nun faire Ferien in Botswana oder den Voralpen anbieten.

Ausländer ziehe man mit fairen Ferienkonzepten noch kaum in die Schweiz: «Die Japaner zum Beispiel wollen vorläufig immer noch lieber aufs Jungfraujoch», sagt Brun.

Doch Kuoni England und auch Kuoni France überlegen sich laut Brun bereits, ob sie faire Ferien-Angebote wie Kuoni Schweiz nicht auch anbieten wollen. Und weil Hilfswerke ebenfalls international bestens miteinander vernetzt sind, wäre das Konzept der fairen Ferien durchaus globalisierungsfähig.

Alexander Künzle, swissinfo.ch

«Faires Reisen bedeutet:

fremde Kulturen zu respektieren,

partnerschaftliche Beziehungen mit Menschen im Gastland zu pflegen,

ökologisch verträglich zu reisen und die lokale Bevölkerung an den Vorteilen des Tourismus finanziell, immateriell und ideologisch zu beteiligen.»

Tourismusunternehmen werden von Banken nicht nur aktienmässig, sondern auch nachhaltigkeitsmässig bewertet – als Teil der Nachhaltigkeits-Forschung im Portfolio-Management.

Zum Beispiel untersucht bei der Bank Sarasin ein Team das Engagement der Unternehmen.

Das interdisziplinäre Team setzt sich aus einem Wirtschaftsingenieur, einem Ökonomen, einem Geografen und einem Umwelt-Wissenschafter zusammen.

Die Non-Profit-Organisation «Carbon Disclosure Project» bemüht sich um mehr Kommunikation von Emissionswerten und Klimawandel-Aktivitäten.

Reiseveranstalter legen dabei die Daten im Bereich Energieeffizienz, Emissionen und Massnahmen gegen Klimawandel offen.

Ob fair unterwegs oder nicht, weltweit gehört die Tourismusbranche zu den grössten Wirtschaftszweigen.

Laut Schätzungen der Reisebranche verdienen rund 230 Mio. Menschen auf der ganzen Welt mit Reisen und Urlaub ihr Geld.

In der Schweiz allein sind es etwa 200’000. Nur schon die über 2000 Reisebüros beschäftigen über 10’000 Mitarbeitende.

Doch die meisten im Ferienland Schweiz im Tourismus Beschäftigten arbeiten in der Gastronomie, Hotellerie und im einheimischen Fremdenverkehr.

Dazu kommen alle, die im (öffentlichen) Verkehr oder sonst im Transportgewerbe arbeiten und der Tourismusbranche zuliefern.

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