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Fergana: Im Tal der Konflikte

Die Menschen im Fergana-Tal sind sich gewohnt, zusammen zu Leben - trotz der Spannungen. swissinfo.ch

Das Fergana-Tal ist der Schmelztiegel Zentralasiens. Hier stossen die Grenzen von drei Republiken und die Schicksale von acht Millionen Menschen verschiedener Ethnien aufeinander.

Damit birgt das Tal ein hohes Potential für soziale, religiöse und ethnische Konflikte.

Fergana ist ein Ausläufer Usbekistans, der von kirgisischen und tadschikischen Gebieten umgeben ist. Einen ersten Eindruck von der Region erhalten wir auf dem Weg zum Kamchik Pass: Fergana erscheint hier weniger als Tal, sondern vielmehr als riesige Ebene.

Der Eindruck täuscht nicht. Fergana ist halb so gross wie die Schweiz und von zwei Hochgebirgsketten, Tian Shan und Alay, eingeschlossen. Doch die Berge sind weit weg; am Horizont kaum erkennbar.

Wir befinden uns in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete Zentralasiens. Hier leben die unterschiedlichsten Volksgemeinschaften seit Jahrhunderten nebeneinander.

Grenzen wurden erst nach der Unabhängigkeit wichtig

Doch mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich viel geändert. Das Tal wurde künstlich zwischen Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan aufgeteilt.

In diesen Ländern regieren drei mächtige Herrscher, die ihre neue Souveränität beweisen wollen: Sie verschärften die jeweiligen separatistischen Strömungen, was in einer landwirtschaftlichen Region wie Fergana – hier baute man vor allem Getreide und Baumwolle an – konkrete Folgen hatte.

Erratische Grenzlinien

Die Grenzen in dieser Region verlaufen im wirren Zickzack. Die Strassen sind häufig und ohne ersichtlichen Grund unterbrochen. An Grenzübergängen im Niemandsland kontrollieren uniformierte und bewaffnete Grenzwächter die wenigen Bauern, die die Grenze passieren.

Dann gibt es die Enklaven: Beispielswiese Sokh, eine usbekische Enklave auf kirgisischem Territorium, die ausschliesslich von Tadschiken bewohnt wird. Oder kirgisische Gebiete, die nur von Usbeken und Tadschiken bewohnt werden.

Die Aufteilung hat Züge des Absurden. Es gibt Dörfer, die in der Mitte geteilt sind: Schule auf einer Seite, Marktplatz auf der anderen. Dazwischen Stacheldraht und Kontrollposten.

Schwierige Wasserversorgung

Wasser ist in dieser Region ein besonders kostbares Gut. Zu sowjetischen Zeiten wurde die Wasserversorgung und -verteilung für die ganze Region organisiert. Heute verfolgt jeder Staat ausschliesslich die eigenen Interessen.

Dies führt beispielsweise dazu, dass der usbekische Teil von Fergana im Sommer vollkommen auf dem Trockenen sitzt. Denn diese Region ist komplett von der Wasserversorgung aus kirgisischen Stauseen abhängig. Doch Kirgisistan speichert sein Wasser zur Elektrizitätsgewinnung im Winter.

Fruchtbarer Boden für Fundamentalismus

Die neuen Grenzen in der Gegend erzeugen erhebliche Spannungen und viel unnötige Bürokratie. Die diversen Volksgemeinschaften, die lange friedlich zusammengelebt haben und untereinander verwandt sind, verstehen die neue Situation nicht.

Die wirtschaftlichen Folgen sind fatal, vor allem für junge Leute. Man spricht von einer Jugendarbeitslosigkeit von 70 bis 80 Prozent.

Dies könnte erklären, warum in dieser Gegend Islamisten viel Zulauf verzeichnen. Der Druck fundamentalistischer Gruppen auf die Grenzen Usbekistans hat schon zu diversen Auseinandersetzungen geführt.

Viele Zonen wurden vermint und die Repression auf islamistische Gruppen verstärkt – dabei ist die Mehrheit der Bevölkerung islamischen Glaubens.

Ausbrüche von Gewalt

In dieser gespannten Lage sind Gewaltausbrüche jederzeit möglich. Bereits 1990 gab es gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Kirgisen und Usbeken in der süd-kirgisischen Stadt Osch, nachdem es bei der Landverteilung zu grossen Ungerechtigkeiten gekommen war. Es gab mehr als 300 Tote.

1999 nahm ein bewaffnetes islamisches Kommando aus Usbekistan, das gegen die Regierung kämpfte, mehrere japanische Bürger in der Grenzregion als Geiseln. Das usbekische Militär bombardierte darauf Rebellenlager in Kirgisistan und beendete so den Konflikt. Die Geiseln wurden befreit, aber die Spannungen zwischen den beiden Staaten verstärkten sich.

Zu viele Hilfsprojekte

Angesichts dieser Lage unternehmen viele Staaten, darunter die Schweiz, ernsthafte Anstrengungen zur Befriedung dieses Landstrichs. Neue Konfliktherde sollen im Keim erstickt werden.

Es gibt etliche Initiativen in der Region: Projekte zur Dialogförderung und friedlicher Konfliktlösung und solche zugunsten einer nachhaltigen Wasserbewirtschaftung und -verteilung zwischen den Staaten. Es sind alles nützliche Projekte. Doch man läuft Gefahr zu übertreiben.

«Zu viele Akteure sind in dieser Region aktiv», sagt ein Experte vor Ort. So würde die Kreativität der Einheimischen gebremst, selbst Lösungen zu suchen.

swissinfo, Marzio Pescia und Jean-Didier Revoin, Fergana
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Fläche: 22’000 Quadratkilometer
Einwohner: ca. 8 Mio. Personen
Landwirtschaftliches Zentrum Zentralasiens

Das Fergana-Tal ist Schnittpunkt zwischen Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan.

Hohe Bevölkerungsdichte, viele ethnische Gruppen, schwache Wirtschaft und hohe Arbeitslosigkeit machen es zu einem Konfliktherd. In der Vergangenheit kam es bereits mehrfach zu Gewalt.

Auch Stalin trägt eine Mitschuld an der verfahrenen Situation: Er zog die Grenzen zwischen den drei Staaten in einer absurden Zickzacklinie, um allfällige Unabhängigkeits-Bestrebungen zu bekämpfen. Dies bereitet heute viele Probleme.

Angesichts dieser Spannungen sind viele internationale Hilfs-organisationen, auch aus der Schweiz, in der Gegend tätig. Bei den Projekten geht es vor allem um grenzüberschreitendes Konfliktmanagement und Zusammenarbeit in der Wasserbewirtschaftung.

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