Frauen an den Herd statt an die Schreibmaschine
Kündigung nach der Heirat? Keine Frauen hinter dem Steuer? Ein Maximallohn, der nicht halb so hoch ist wie der Maximallohn der Männer? Was heute unvorstellbar ist, war vor nicht allzu langer Zeit Realität für die Mitarbeiterinnen der SRG. Anlässlich des nationalen Frauenstreiktags ein Blick zurück in die Geschichte unseres Unternehmens, der SRG.
«Das Entfernen der Frau vom häuslichen Herd läuft allen Bestrebungen des Familienschutzes zuwider. Die Frau gehört zu den Kindern und nicht an die Schreibmaschine», heisst es in einem Dokument der SRG aus dem Jahr 1951.
Verfasser des Schreibens ist der damalige Verwaltungsdirektor der Generaldirektion. Seines Erachtens sollte die verheiratete Frau «ihrer eigentlichen Bestimmung gemäss» ihre Zeit der Familie widmen. «Soziale Überlegungen gebieten es, dem Doppelverdienertum entgegenzutreten», so der Verwaltungsdirektor weiter. Wenn verheiratete Frauen weiterhin im Erwerbsleben blieben, würde diesem «sozialen Unfug» Tür und Tor geöffnet, befand er.
Wenn frau heiratete, hat mann gekündigt
Der Direktor war nicht etwa ein Hardliner, was die Beschäftigung von verheirateten Frauen anbelangte. Er führte lediglich die «allgemeinen Gründe» auf, wieso die SRG am Beschluss von 1935 festhalten wollte, dass «weibliche Angestellte […], welche sich verheiraten wollen, den Dienst innerhalb von sechs Monaten aufgeben müssen».
Einzig wenn die Lage auf dem Arbeitsmarkt prekär war, wurde der betroffenen Mitarbeiterin nicht gekündigt. Oder ihre Festanstellung wurde in ein Aushilfsverhältnis umgewandelt. So schrieb das Radiostudio Bern 1947, als es zwei verheiratete Kanzlistinnen anstellte: «Sobald wir die Posten auch nur annähernd gleichwertig durch Ledige besetzen können, wird dies geschehen.»
Der Verwaltungsdirektor nannte weitere Gründe, die gegen die Weiterbeschäftigung der verheirateten Frau sprachen: «Es sei auch nicht verschwiegen, dass organisatorische und insbesondere personelle Schwierigkeiten überall dort auftreten könnten, wo Mann und Frau beim Radio arbeiten. Dieser Fall dürfte, wenn man verheiratete Frauen bei der SRG zulässt, öfters auftreten, denn die Erfahrung zeigt, dass Angestellte eines Studios sehr oft untereinander heiraten.»
Er plädierte dafür, an der «eingebürgerten und bewährten Praxis» festzuhalten, denn diese zu ändern würde «eine Ungerechtigkeit gegen jene darstellen, die sich der bisherigen Ordnung gebeugt haben».
Gleiche Arbeit, ungleicher Lohn
Seit der Gründung der SRG im Jahr 1931 wurden weibliche Angestellte in der Regel nicht höher als in die achte Lohnklasse eingereiht. Dies entsprach einem maximalen Jahreslohn von 6000 Franken, verglichen mit 15’000 Franken in der höchsten Gehaltsklasse: der Lohnklasse 1. Nur in Ausnahmefällen durfte der Zentralvorstand von dieser Regelung abweichen, was mitunter zu Diskussionen führte.
So wehrte sich ein Vertreter der Aufsichtsbehörde der Post- und Telegraphenverwaltung 1937 dagegen, die Chefbuchhalterin der SRG sowie die Dienstchefin der Auslandübertragungen in die sechste Lohnklasse einzureihen. Falls diese beiden Posten so wichtig seien, sollten sie durch Männer besetzt werden, fand er.
Wo die SRG heute steht
- 43 Prozent der Mitarbeitenden sind Frauen.
- Der Frauenanteil im Kader liegt bei 29 Prozent.
- 74 Prozent der Mitarbeiterinnen arbeiten Teilzeit, bei den Mitarbeitern sind es 42 Prozent.
- Die Löhne der Frauen in der SRG liegen um 2,4 Prozent tiefer als jene der Männer. Ein Teil dieser Differenz entsteht durch nichtdiskriminierende Faktoren – vor allem durch Entschädigungen für Nacht- und Wochenendarbeit, die vorwiegend Männer betrifft. Ohne diesen Faktor beträgt der Lohnunterschied 1,5 Prozent.
Der damalige SRG-Generaldirektor hielt dagegen: Er sei zwar einverstanden, dass «in der heutigen Zeit, wo viele Männer arbeitslos sind, die weiblichen Arbeitskräfte zurückstehen müssen» und fügte an: «Sicher ist auch ein Gehalt von 6000 Franken pro Jahr für eine Frau eine gute Bezahlung.»
Dennoch sei es «ein Unrecht, vom weiblichen Personal Höchstleistungen zu fordern und sein Wissen und seine Leistungen nicht entsprechend zu honorieren». Zudem wäre es fraglich, ob ein «vollwertiger männlicher Ersatz überhaupt gefunden werden könnte».
Wenn man den Posten der Chefbuchhalterin einem Mann übertrüge, müsste «man diesem nicht nur ein viel höheres Gehalt (Klasse 4) bewilligen, sondern ein solcher würde bestimmt auch eine Schreibkraft für Korrespondenz und Buchungen beanspruchen».
Auch in den 1950er-Jahren war die ungleiche Entlöhnung von Frauen und Männern bei der SRG eine akzeptierte Selbstverständlichkeit, denn: «Die Stütze des Staats bildet die Familie. Der wirtschaftliche Träger der Familie ist unbestreitbar der Mann. Die Frau hingegen steht normalerweise nur kurze Zeit – das heisst bis zu ihrer Heirat – im Erwerbsleben und hat meistens nur für sich selber aufzukommen.» So ist es der «Ämterklassifikation» der SRG von 1950 zu entnehmen.
Es sei deswegen durchaus «vertretbar, vernünftig und zeitgemäss», ihren Minimalanteil am Lohn knapper zu bemessen. «Dass eine zu lukrative Beschäftigung die Frau von der Ehe abhalten kann, sei nur nebenbei bemerkt», hiess es weiter.
Kündigungsgrund: Liaison mit dem Kollegen
«Wir beabsichtigen, ab 1.1.1958 das Arbeitsverhältnis mit Frau X. und Frau Y. nicht zu erneuern», teilte der Direktor des Schweizer Fernsehens der Generaldirektion mit. Kündigungsgrund: Die beiden Frauen hatten sich beim Sender in Arbeitskollegen verliebt und diese geheiratet. Die Beschäftigung von Ehepaaren beim Schweizer Fernsehen war aber «grundsätzlich nicht gestattet».
Die beiden Damen sollten aber weiterhin im Auftrag beschäftigt werden «und zwar als Krankheits- und Ferienersatz sowie in Druckperioden». Vollständig konnte und wollte man beim Fernsehen nicht auf die Dienste der beiden «erfahrenen Kräfte» verzichten.
Führen von Fahrzeugen untersagt
Ab Februar 1971 durften die Frauen in der Schweiz zwar abstimmen, nicht aber Fahrzeuge der SRG lenken. Erst zwei Jahre später erkundigte sich der Garagenchef des Fernsehens DRS, ob Mitarbeiterinnen nicht auch erlaubt werden könne, fernseheigene Fahrzeuge zu führen.
In einem Brief an die Generaldirektion schrieb er: «Immer öfters wäre es von grossem Vorteil, wenn Reporterinnen und Fotografinnen die Möglichkeit hätten, selbst eine dringende Fahrt auszuführen.» Die Generaldirektion hiess seinen Antrag gut, denn «die Emanzipation hat auch vor den Mitarbeiterinnen des Fernsehens nicht Halt gemacht».
Mehr
Frauenstreik 2019: das jüngste Kapitel einer langen Geschichte
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch