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Freiburg, Stadt des Sankt Nikolaus

St. Nikolaus vor der Kathedrale in Freiburg. st-nicolas 2005

Jeden ersten Samstag im Dezember nimmt der Nikolaus Freiburg in Beschlag. Tausende verfolgten den Umzug zu seinen Ehren, der zum 100. Mal stattfand.

Die Nikolaus-Tradition ist in der Schweiz wie auch im übrigen germanisch geprägten Europa lebendig. Anderswo wird der Heilige oft mit dem Weihnachtsmann vermischt.

Der Umzug zu Ehren des St. Nikolaus ist eine Institution in Freiburg, ist dieser doch der Schutzheilige der Stadt. Jeweils am ersten Samstag im Dezember begibt sich der Nikolaus mit einem Umzug vom Kollegium St. Michel zur Kathedrale, die seinen Namen trägt, und hält dort eine Rede.

Schätzungsweise 20’000 Zuschauerinnen und Zuschauer säumen dabei die Strasse. Damit wird der Freiburger Nikolaustag zu einem der wichtigsten Feiern dieser Art in der Schweiz, neben der Basler Fasnacht und dem Verbrennen des Böögg in Zürich.

Beschützer der Kinder

Der Heilige Nikolaus ist eine historische Persönlichkeit. Er war Bischof in Myra (Anatolien) und nahm im Jahr 325 am Konzil von Nikaia teil. Da er oft auf Reisen war, wurde er zum Schutzpatron der Seefahrer.

Aber Nikolaus ist auch eine farbige sagenhafte Persönlichkeit. Laut der Legende soll er drei Kinder wieder belebt haben, die von einem Metzger getötet und eingepökelt worden waren. Seither gilt er als Beschützer der Kinder und als Schutzheiliger der Metzger!

«Das kommt daher, dass man seinen Glauben ausdrücken will», erklärt Nicolas Betticher, Kanzler und Sprecher der Diözese von Lausanne, Genf und Freiburg. «Seinem Glauben an jemanden Ausdruck zu verleihen, der vor Gewalt an Kindern schützt, entspricht einem wirklichen Bedürfnis.»

Staunende Kinder

Weil der Umzug mit der Zeit zu Ausschweifungen führte, wurde er 1763 von den Freiburger Behörden verboten. Aber die Schüler des Kollegiums St. Michel erweckten die Tradition 1906 erneut zum Leben.

«Der Nikolaustag wurde von den Schülern des Internats immer gefeiert», erklärt Nicolas Renevey, der frühere Rektor der Schule. «Es war eine private Feier, von denen die externen Schüler ausgeschlossen waren. 1906 wollte rund ein Dutzend Interne etwas ausserhalb der Schule organisieren und führte einen kleinen Umzug zur Kathedrale durch.»

Zu Beginn war es nur eine Art Schülergaudi. Doch im Verlauf der Jahre stiess der Umzug in der Bevölkerung auf immer mehr Anerkennung. Aber eigentlich ist der Nikolaus-Umzug nichts Aussergewöhnliches.

Auf dem Esel

Ein als Nikolaus verkleideter Schüler des Kollegiums reitet auf einem Esel zur Kathedrale, um dort eine Rede zu halten.

Er wird von einigen Persönlichkeiten begleitet, darunter Knecht Ruprecht, die zum Klang der Kollegiums-Fanfare und im Schein der Fackeln Lebkuchen und Erdnüsse an die Kinder verteilen.

Eine dichte Menge wartet lange und geduldig – und oft in klirrender Kälte – um einen zwar recht malerischen, aber doch ziemlich gewöhnlichen Umzug vorbeiziehen zu sehen.

«Es ist erstaunlich», findet Reveney. «Aber man kann das vielleicht damit erklären, dass der Nikolaus für die Kinder etwas Wunderbares ist. Man muss ihre Augen sehen, ihr Staunen, wenn er vorbeigeht!»

«Die Eltern, die das aus ihrer eigenen Kindheit kennen, möchten, dass ihre Kinder das ebenfalls erleben, und so geht es von Generation zu Generation weiter.»

Ein Heiliger, zwei Persönlichkeiten

Sankt Nikolaus ist in den orthodoxen Ländern nach wie vor sehr beliebt. In Westeuropa wird er vor allem in jenen Gegenden verehrt, die unter germanischem Einfluss standen oder stehen: in der Schweiz, in Lothringen, im Elsass, in Deutschland und Belgien.

Der Bischof von Myra ist aber in der Form des Weihnachtsmannes weltweit bekannt geworden. Die Holländer und Deutschen hatten ihn in die USA exportiert. Und da ist Sinterklaas zu Santa Claus geworden und hat sich von dort aus über die ganze Welt verbreitet. Mit Erfolg, wie man weiss.

Die beiden Figuren wurden schnell vermischt, weil sie Ähnlichkeiten aufweisen. Beide werden in der Adventszeit gefeiert und beide verteilen Geschenke an die Kinder.

Nicolas Betticher möchte aber einen Unterschied hervorheben. Sankt Nikolaus ist eine religiöse Persönlichkeit, während der Weihnachtsmann eine laizistische und kommerzielle Figur ist.

«Der St. Niklaustag ist ein Volksfest, aber dahinter steht die Verehrung für einen Bischof», erklärt er. «Wir feiern Weihnachten, weil es einen Gott gibt, der als Mensch nach Bethlehem gekommen ist, aber der Weihnachtsmann hat damit nichts zu tun.»

swissinfo, Olivier Pauchard
(Übertragen aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Das Musée d’art et d’histoire in Freiburg führt zu Ehren des Sankt Nikolaus eine Ausstellung durch.

«100 x Sankt Nikolaus» kann vom 4. Dezember bis zum 29. Januar besucht werden.

Die Ausstellung zeigt namentlich Kunstwerke und historische Objekte, die den Schutzheiligen der Stadt darstellen: Bilder, Kirchenfenster, Skulpturen, Miniaturmalereien usw.

Die Ausstellung konzentriert sich um die mittelalterliche und barocke Kunst, zeigt aber auch jüngere und volkstümliche Werke.

Der heilige Nikolaus ist eine historische Persönlichkeit.
Er wurde anfangs zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts geboren und starb 334.
Er soll am Konzil von Nikaia im Jahr 325 teilgenommen haben.
Er wird am 6. Dezember gefeiert, seinem wahrscheinlichen Todestag.
Seine Reliquien befinden sich in der italienischen Stadt Bari.

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