Gotthard: Suche nach der Ursache
Im Gotthard-Tunnel ruhen die Arbeiten, in Airolo fand eine Gedenkmesse für die Opfer statt. Die Zahl der Vermissten sinkt und das Tessin befürchtet wirtschaftliche Verluste.
Mit einem Gottesdienst haben am Sonntagmorgen der Bischof von Lugano, Giuseppe Torti, und die Menschen in Airolo der Opfer der Brandkatastrophe im Gotthard gedacht. Unter den Teilnehmenden am Gottesdienst waren auch Vertreter der Tessiner Regierung mit Präsident Luigi Pedrazzini.
Neben der Trauer um die Opfer aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Italien und der Türkei stand in der Messe die Dankbarkeit für den Einsatz der Helfer im Vordergrund. Bischof Torti forderte die Kirchgemeinden seines Bistums auf, im Gebet der Opfer zu gedenken.
Arbeit im Tunnel geht weiter
Nachdem am Sonntag die Arbeiten im Gotthard-Tunnel geruht und Helfer sich ausgeruht hatten, haben am Montagmorgen die eigentlichen Bergungsarbeiten begonnen. Zunächst wollten Experten die Sicherheit der durch das Feuer einsturzgefährdeten Deckenkonstruktion prüfen, heisst es vor Ort.
Zwölf Fahrzeuge stehen noch im eigentlichen Unfallbereich, in dem zwei Lastwagen am vergangenen Mittwoch frontal aufeinander geprallt und die Temperatur auf über 1’000 Grad geklettert waren. Bisher wurden elf Todesopfer gefunden, 30 Menschen werden noch vermisst.
Wenn keine Gefahr mehr für die Sicherheit besteht, sollen Spezialistenteams mit ihrer Arbeit beginnen und nach möglichen weiteren Opfern suchen. Ausserdem wollen sie die genaue Unglücksursache ermitteln, was zwei bis drei Wochen dauern kann.
Den Schwerverkehr regulieren
Nach der Brandkatastrophe im Gotthardtunnel fordert der Tessiner Baudirektor Marco Borradori eine Regulierung des Schwerverkehrs in Europa. Nicht die Sicherheit im Gotthardtunnel sei das Hauptproblem, sondern das zu grosse Verkehrsvolumen.
Der Bundesrat müsse sich bei der EU für eine europäische Lösung des Schwerverkehr-Problems einsetzen. Gemäss Regierungsrat Borradori wäre zum Beispiel eine Limitierung denkbar (siehe Link).
Angst vor wirtschaftlichen Verlusten
Seit der Katastrophe im Tunnel ist das Tessin vom Norden her schwieriger zu erreichen. Doch Engpässe in der Lebensmittel-Versorgung seien wegen der Schliessung des Gotthardtunnels bisher nicht zu spüren, sagte Finanz- und Wirtschaftsdirektorin Marina Masoni in einem Interview der «SonntagsZeitung». Diversen Betrieben fehle es aber an Ersatzteilen und Rohmaterial. Die wirtschaftlichen Schäden liessen sich noch nicht beziffern.
Als erste Massnahme sei eine Umfrage bei den Firmen gestartet worden, sagte die Staatsrätin. Der Kanton habe zudem eine Task Force eingesetzt. Sicher werde auch der Bund helfen müssen, weil das Tessin ohne Gotthardverbindung isoliert sei.
Masoni gab sich zuversichtlich, dass ähnlich wie bei der Swissair-Krise eine Lösung gefunden werde. Noch sei es aber zu früh für ein Gesuch nach Bern. Zunächst müsse im Tessin ein Massnahmenpaket erarbeitet werden. Masoni sagte zudem, dass die Terroranschläge in den USA die Tessiner Wirtschaft stärker beeinträchtigten als der Unfall am Gotthard.
Kein Katastrophen-Szenario verbreiten
«Der Gotthard ist nicht New York», sagte auch der Direktor des Fremdenverkehrsverbands Ticino Tourismo, Giuseppe Stinca, in einem Interview der Zeitung «Il caffe della domenica». Das Tessin sei nicht isoliert, und es müsse vermieden werden, dass ein Katastrophen-Szenario über die Erreichbarkeit des Tessins verbreitet werde. Stinca machte auf die Verbindungen über die Alpenpässe, das ausgebaute Bahnangebot durch den Gotthard und die Flüge der Crossair aufmerksam.
Hinzu komme, dass der Personenwagen-Verkehr ins Tessin ohne Schwerverkehr flüssiger vorankomme. Zudem falle das Unglück in die touristische Zwischensaison. Der Tourismusdirektor will deshalb vorerst auch keine Gesuche um staatliche Hilfe für den Tourismus stellen, wie er sagte.
Ferien im eigenen Land
Auch der Direktor des Tessiner Hotelier-Vereins, Corrado Kneschaurek, sagte, dass das Unglück die Tessiner Hotellerie nicht notwendigerweise in eine Krise stürzen müsse. Denn nach dem 11. September sei auch eine Tendenz zu beobachten, dass die Menschen vermehrt im eigenen Land Ferien machten. Und hier biete das Tessin viele Vorteile an.
swissinfo und Agenturen
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