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Hunderte nehmen von der kleinen Ylenia Abschied

Ylenias Schicksal hat grosse Anteilnahme hervorgerufen. Keystone

Mehrere hundert Personen haben am Mittwoch an der Trauerfeier für das am 31. Juli entführte und ermordete fünfeinhalbjährige Mädchen teilgenommen.

Die kleine Kirche von Appenzell konnte nicht alle Trauergäste fassen. Viele nahmen unter strömendem Regen an der via Lautsprecher übertragenen Abdankungsfeier teil.

«Es ist ein himmeltrauriger Anlass, der uns in die Kirche gerufen hat. Sogar der Himmel weint», sagte der evangelische Pfarrer Andreas Schenk zu Beginn der Trauerfeier. Eine Antwort darauf, warum gerade dieses Kind habe sterben müssen, könne nie gefunden werden.

Der Gottesdienst wolle nicht den Tod Ylenias in den Mittelpunkt stellen, sondern mit Musik und Worten ans Leben des Mädchens erinnern. Die Familie sei tieftraurig über ihren Tod, aber auch dankbar für die Zeit, die sie mit Ylenia habe verbringen dürfen.

Die Kirche war geschmückt mit bunten Luftballons, mit denen die Kinder aus Ylenias Kindergarten dem ermordeten Mädchen gute Wünsche mit auf den letzten Weg gaben. Rosa und weisse Blumen schmückten den Abendmahltisch mit der Engel-Urne des kleinen Mädchens.

Auf zwei Tischen mit brennenden Kerzen waren Fotografien von Ylenia aufgestellt, in Holzkästen konnten Beileidskarten hinterlegt werden.

Ein Kinderchor sang ein Lied, das Ylenia in den Frühlingsferien mit den Kindern einstudiert hatte. Ein Lied von Pipi Langstrumpf erinnerte an das lebensfreudige Mädchen.

Ylenia war ein Sonnenschein

«Ylenia war ein Sonnenschein. Sie hat für Farbtupfer in ihrer Umgebung gesorgt», sagte eine Rednerin. Das unternehmungslustige Mädchen sei offen auf die Menschen zugegangen und habe vielen Freude bereitet. Ylenias Leben habe in den Herzen der Menschen Spuren hinterlassen.

Ylenia wurde am 18. November 2001 geboren. Sie sei im Schoss ihrer Familie in Appenzell aufgewachsen und habe oft mit den Kindern im Quartier gespielt. Der kleine Wildfang sei eine «Wasserratte» gewesen und deshalb Dauergast in der Appenzeller Badeanstalt, sagte der Pfarrer.

Das Verschwinden und die Gewissheit über den Tod von Ylenia habe bei ihrer Mutter, deren Partnerin und deren Kindern tiefe Wunden hinterlassen. Das lebensfreudige Mädchen sei viel zu früh mitten aus dem Leben gerissen worden, sagte der Pfarrer.

Keine Vertretung der Landesregierung

Unter den Trauergästen fanden sich der Innerrhoder Justiz- und Polizeidirektor Melchior Looser sowie mehrere Mitglieder der Gemeindebehörde ein.

Eine Vertretung des Bundesrats hatte die Familie abgelehnt, um die Trauerfeier im Kreise der Freunde und Helfer begehen zu können.

swissinfo und Agenturen

Die fünfeinhalbjährige Ylenia wurde am 31. Juli zum letzten Mal beim Verlassen des Hallenbades in Appenzell lebend gesehen. Am nächsten Tag wurde die Tasche des Mädchens samt Inhalt in einem Wald gefunden, 30 km vom Hallenbad entfernt.

Im selben Wald entdeckte man am 1. August die Leiche eines Mannes, der sich offenbar mit einer Pistole umgebracht hatte. In seinem Lieferwagen befanden sich Sachen, die Ylenia gehört hatten. Die Polizei glaubt, dieser Mann könnte auch für andere ungeklärte Kindsentführungen in den 1980er-Jahren verantwortlich sein.

47 Tage später wurde Ylenias Leiche im selben Wald von einer auf eigene Faust suchenden Privatperson gefunden. Es wurden keine Spuren von Gewaltanwendung oder sexuellem Missbrauch festgestellt. Das Mädchen könnte von seinem Entführer erstickt oder vergiftet worden sein.

Diese Tragödie hat eine landesweite Welle des Mitgefühls hervorgerufen. Die Familie der Kleinen hat die Gründung einer Stiftung angekündigt, um Kindern in Not zu helfen.

Die Kantone diskutieren im November ein nationales Entführungs-Alarm-Dispositiv. Laut Justizminister Christoph Blocher soll im nächsten Frühjahr darüber entschieden werden.

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