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Integration: «Eine Schweizer Erfolgsgeschichte»

Interessanter, bunter, vielfältiger: Multi-Kulti. Keystone

Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey erinnerte in Davos an die multikulturelle Tradition der Schweiz und forderte: "Auch heute müssen wir Platz schaffen für unterschiedliche Ethnien."

Integration sei ein beschwerlicher Weg. Alle müssten sich an die geltende Rechtsordnung halten und wer sich nicht daran halte, müsse mit Sanktionen rechnen.

Geplante Minarett-Bauten, Gewalt unter Jugendlichen, Autorennen mit tödlichen Folgen auf öffentlichen Strassen: Darüber diskutieren die Stammtische im Land.

Die Partei mit dem höchsten Wähleranteil, die rechtskonservative Volkspartei (SVP), fordert ein Minarettverbot und moniert, «Zuwanderung, Missbräuche, Kriminalität und Gewalt» hätten das Land kaputt gemacht.

Neun Monate vor den Wahlen ins Eidgenössische Parlament ist laut Umfragen «Integration» das Thema, welches die Wählerinnen und Wähler am meisten beschäftigt.

In ihrer Rede, die eine Podiumsdiskussion an der WEF-Parallelveranstaltung Open Forum zum Thema «Multikulturelle Gesellschaft: Eine Illusion?» einleitete, erinnerte Micheline Calmy-Rey daran, dass eine mulikulturelle Gesellschaft noch in den 1990er Jahren optimistische Assoziationen ausgelöst hatte. «Multi-Kulti liess die Welt interessanter, bunter, vielfältiger erscheinen.»

Mittlerweile sei der Begriff manchmal sogar zu einem Schimpfwort geworden. Doch auch die Schweizerinnen und Schweizer hätten unterschiedliche Identitäten. Sie selbst sei Westschweizerin, eine Frau, katholisch geprägt und Sozialdemokratin. «Aber als Bundesrätin vertrete ich auch Deutschschweizer Männer, Juden und Muslime.»

Durch Ausgrenzung noch fremder

In der viersprachigen Willensnation Schweiz habe jede Gruppierung auch die andern in ihrer Unterschiedlichkeit zu respektieren. «Alle haben das Recht, ihre Identität hervorzuheben. Föderalismus ist ein buntes Mosaik, ein austariertes Gleichgewicht.»

Die Einwanderung habe das Land seit jeher bereichert. Die Ankömmlinge hätten «Stein um Stein» in das Mosaik eingefügt. «Die Schweiz ist historisch gesehen eine beispiellose Erfolgsgeschichte der Integration.»

Die Bundespräsidentin räumte ein, dass Einwanderung auch zu Spannungen führen kann, «aber durch Ausgrenzung wird der Fremde noch fremder. Werte sind jedoch keine Vorschriften. Werte weiter entwickeln, sich gegenseitig austauschen, das ist der gesellschaftliche Prozess», denn: «Kultur ist immer Multi, eine Einheitskultur ist das Ende der Kultur.»

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Vielsprachigkeit

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Von Vielsprachigkeit eines Landesteils oder eines Staates spricht man, wenn dort mehrere Sprachen gesprochen werden. Die Schweiz mit ihren vier Landessprachen ist ein Lehrbuch-Beispiel eines vielsprachigen Landes. Deutsch sprechen 63,7% der Bevölkerung, Französisch 20,4%, Italienisch 6,5% und Rätoromanisch 0,5%. 9% der Bevölkerung geben eine ausländische Sprache als Muttersprache an. Die Vielsprachigkeit findet sich auch in…

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Minarette: Der Weg aus dem Untergrund

Die anschliessende Diskussion drehte sich vor allem um das Verhältnis zwischen Schweizern und eingewanderten Muslimen. Dabei gehe es um die Migrations-Problematik und um den Umgang mit religiösen Minderheiten, sagte Rifa’at Lenzin, Islamwissenschafterin und Vizepräsidentin der Interreligiösen Arbeitsgemeinschaft Schweiz.

«Die christliche Welt tut sich schwer mit der Integration anderer Religionsgemeinschaften. Selbst die jüdische Religion ist bis heute nicht in allen Kantonen offiziell anerkannt.» Den Bau von Minaretten ermöglichen, das bedeute auch, den Muslimen eine Chance zu geben, aus dem Untergrund von Lagerhallen, Garagen und Kellern hervor zu kommen und «so Transparenz zu schaffen».

«Integration ist Knochenarbeit»

Die Schweizer seien nicht gegen das Ausüben von Religionen, sondern gegen «das öffentlich sichtbar machen», führte Thomas Wipf aus und erinnerte an die Religions- und Glaubensfreiheit. Der Präsident des Evangelischen Kirchenbundes plädierte dafür, Integration nicht passiv, sondern aktiv zu gestalten. «Migrationspolitik sollte nicht mit dem Baurecht betrieben werden. Integration ist Knochenarbeit.»

Er sei eingeladen worden, «den Bösen zu spielen», witzelte der Zürcher SVP-Nationalrat Hans Fehr.» Muslime, das sind Leute, die zum Teil unser Rechtssystem nicht akzeptieren.» Die Scharia – das Islamische Recht – habe möglicherweise einen höheren Stellenwert, «als unsere Rechtsnormen.»

Dialog und Abbau von Vorurteilen

Die Mentalitätsunterschiede zwischen Eidgenossen und Muslimen seien zudem gross. Gewalt spiele bei der Konfliktlösung zuweilen eine ganz andere Rolle. Das führe zu Problemen in den Schulen und zu Kriminalität.

Susan Collin Marks von der auf Konflikt-Lösungen spezialisierten NGO «Search for Common Ground» erinnerte an die erfolgreichen Aussöhnungs-Gespräche in Südafrika und plädierte für Dialog, Koexistenz, den Abbau von Vorurteilen und gegenseitiges Vertrauen.

swissinfo, Andreas Keiser, Davos

Das Open Forum in Davos ist eine gemeinsame Veranstaltung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes und des World Economic Forums (WEF).

Das Forum fand 2007 zum 5. Mal statt und bestand aus sieben Podiums-Diskussionen zu Themen wie Entwicklungshilfe, Managerlöhne, Klimawandel.

Im Gegensatz zum von Polizei- und Armeekräften hermetisch abgeschirmten WEF ist das Open Forum öffentlich.

Das WEF reagierte im Jahr 2002 mit dem Open Forum auf die Demonstrationen von Globalisierungs-Kritikern und Nichtregierungs-Organisationen (NGO) und deren Vorwurf, es sei das «Hochamt des Kapitalismus».

Die Idee des Open Forums ist es, auch Stimmen der Globalisierungs-Kritiker ins WEF einzubinden.

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